Morocco’s Spiciest Secret: Mit Spitzenköchin Myriam Ettahri auf Food-Roadtrip

Würzig, feurig, intensiv. Die marokkanische Küche könnte kaum abwechslungsreicher sein. Durch die Gewürzvielfalt wurde das Bild geprägt, Marokko sei die Heimat von Muskat, ­Piment und Co. Doch Spitzenköchin Myriam Ettahri klärt dieses große Missverständnis auf und macht mit Fachwissen Jagd auf dreiste Safran-Fälscher.
Feber 29, 2024 | Text: Alina Lerch | Fotos: Raphael Gabauer, Ludovic Marc Antoine, Shutterstock, Mousum, Mae Mu, Marlik, Sean Robertson, Bran Feng

Das Königreich Marokko. Ein Land, das Kamelritte durch die Sandwüste, Ski-Abenteuer im imposanten Atlasgebirge oder Badespaß an den traumhaften Atlantik- und Mittelmeerküsten ermöglicht. Geprägt von vielen unterschiedlichen Kulturen, ist es heute ein unglaublich vielschichtiger Wüstenstaat, kulturell sowie kulinarisch.

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Können Gewürze wirklich aphrodisierende Wirkung haben? Marokkos Spitzenköchin Myriam Ettahri kennt die Macht der Geschmacksmagie wie keine andere

Wer an Marokko denkt, hat sofort die großen Märkte, die sogenannten Souks, vor Augen. Hier duftet es an jeder Ecke anders. Säcke voll mit den buntesten Gewürzen türmen sich übereinander und Menschen feilschen, lachen und rufen. Tatsache ist: Die hier feilgebotenen Gewürze finden sich in jedem Nationalgericht des Landes wieder; von Kreuzkümmel über Ras el Hanout bis hin zu Safran. Marokko trägt den Titel „Land der Gewürze“ schließlich nicht unbegründet. Aber nicht, weil es der größte Gewürzproduzent aller Zeiten ist. Ganz im Gegenteil.

Das Königreich Marokko. Ein Land, das Kamelritte durch die Sandwüste, Ski-Abenteuer im imposanten Atlasgebirge oder Badespaß an den traumhaften Atlantik- und Mittelmeerküsten ermöglicht. Geprägt von vielen unterschiedlichen Kulturen, ist es heute ein unglaublich vielschichtiger Wüstenstaat, kulturell sowie kulinarisch.

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Können Gewürze wirklich aphrodisierende Wirkung haben? Marokkos Spitzenköchin Myriam Ettahri kennt die Macht der Geschmacksmagie wie keine andere

Wer an Marokko denkt, hat sofort die großen Märkte, die sogenannten Souks, vor Augen. Hier duftet es an jeder Ecke anders. Säcke voll mit den buntesten Gewürzen türmen sich übereinander und Menschen feilschen, lachen und rufen. Tatsache ist: Die hier feilgebotenen Gewürze finden sich in jedem Nationalgericht des Landes wieder; von Kreuzkümmel über Ras el Hanout bis hin zu Safran. Marokko trägt den Titel „Land der Gewürze“ schließlich nicht unbegründet. Aber nicht, weil es der größte Gewürzproduzent aller Zeiten ist. Ganz im Gegenteil.

Die große Enthüllung

Schon auf der Rolling Pin.Convention in Berlin schockierte die marokkanische Spitzenköchin Myriam Ettahri das Publikum der Chefs.Stage mit ihrer Rede. Warum? Weil sie ein Staatsgeheimnis gelüftet hat. „Viele Leute wissen nicht, dass die Sache mit den Gewürzen der größte Marketing-Coup ist, der Marokko gelungen ist – und das unabsichtlich!“

„Es ist unmöglich, marokkanisch zu kochen, ohne Gewürze zu verwenden.“

Denn Gewürze gedeihen in dem Land eigentlich nur spärlich. „Wir sind weder Pakistan, noch Indien oder China. Bis auf Safran, ein bisschen Paprika und Zimt produzieren wir keine Gewürze selbst. Die Schätze sind durch die tolle Lage Marokkos an den Handelsrouten zu uns gekommen und wir haben sie sofort geliebt“, erzählt die Spitzenköchin überraschende Hintergründe.

Der Grund, warum Gewürze in  der marokkanischen Küche einen so hohen Stellenwert haben, ist somit ein ganz anderer als erwartet. An der Tatsache, dass Gewürze hier einen außergewöhnlichen Stellenwert haben, ändert sich dadurch freilich nichts, wie die unzähligen Gewürzmärkte eindrucksvoll unter Beweis stellen. Der wöchentliche Besuch eines solchen Markts ist hierzulande Tradition. Ähnlich wie der regelmäßige Besuch beim Bäcker für Mitteleuropäer. Aber im Grunde doch weit mehr: Der Abstecher zum örtlichen Gewürzhändler gilt in marokkanischen Familien als Wochen-Highlight. „Der Gewürzhändler wird oftmals wie ein Familienmitglied wahrgenommen“, sagt Ettahri. „Oft gehen alle Generationen zum gleichen Laden und pflegen mit dem Verkäufer eine enge Freundschaft.“

In der Kürze liegt die Würze

Diese enge Bindung an den Gewürzhändler des Vertrauens ist durchaus begründet – denn Ware ist nicht gleich Ware. Es geht um maximale Qualität. Bei uns würde man Trüffel schließlich auch nicht von jedem x-beliebigen Händler kaufen.

Und so macht man das in Marokko in Sachen Gewürze eben auch nicht. Schlechte Ware zu verhökern, wäre im Mekka der feinen Würze aber auch eine schlechte Idee. Hier wissen die Käufer nur zu gut, was wirklich gut ist: Einheimische erkennen die Qualität, wenn die Verkäufer die Gewürze vor ihren Augen mahlen. Sie wissen, wo die Schätze herkommen und holen sich immer nur kleine Portionen. „Hier kauft niemand große Gewürzmengen und hortet sie jahrelang im Schrank. Dort würden sie bloß verrotten und ihren feinen Geschmack sehr bald verlieren“, führt Ettahri weiter aus.

„Kochst du mit altem kurkuma, kannst du genauso gut auch Sand verwenden.“

Ein Luxus, den wir im deutschsprachigen Raum freilich nicht genießen können. Dennoch lässt sich vom Würzwissen der Marokkaner auch hierzulande etwas ableiten, wie die 41-Jährige betont: „Hochwertige Gewürze lassen sich an einem kraftvollen Geschmack, einer satten Farbe und intensivem Geruch, wenn sie zerstoßen werden, erkennen. „Ich rate jedem, Gewürze als Ganzes zu kaufen und sie selbst zu mahlen. Das aber immer nur in kleinen Portionen! Kochst du mit altem Kurkuma, kannst du stattdessen auch Sand verwenden.“

Wichtiges Hintergrundwissen: In den vorgefertigten Pulvermischungen werden oft Schalenreste, Baumblätter oder Zellulose verarbeitet. Von der Zugabe von Geschmacksverstärkern, Farbstoffen und verirrtem Ungeziefer mal ganz abgesehen. Lassen sich im Gewürz Körner, Beeren oder Samen erkennen und ist der Geruch muffig und das Aussehen blass: Finger weg! Die Expertin rät außerdem, beim Kauf nach dem Erntejahr zu fragen. Nur die aktuelle oder letzte Ernte garantiert besten Geschmack. Händler kaufen in den Ursprungsländern oft große Mengen, die sie über Jahre lagern. Da bleibt von Geruch und Geschmack nur noch wenig übrig. Und generell gilt: Gewürze möglichst frisch kaufen, dunkel, kühl und trocken lagern und schnell verbrauchen.

Das (gefälschte) Gold des Orients

Zu den begehrtesten Gewürzen der marokkanischen Küche zählen Kreuzkümmel, Kurkuma, Pfeffer, Ingwer, Paprika, Zimt und Safran. Sie erzielen auf den Märkten  Preise, die ob ihrer Höhe seit jeher Fälscherbanden auf den Plan rufen. Vor allem den besonders teuren Safran fälschen Kriminelle mit Leidenschaft – und zwar mit Safranimitat, auch Öldistel, Saflor oder Färberdistel genannt.

Dies ähnelt dem Original zwar frappant, aber mit einfachen Expertentipps kann jeder solche Fakes entlarven. Und zwar so: Die kostbaren Fäden des Safrans dürfen niemals süß schmecken, sie haben einen bitteren und leicht trockenen Geschmack. Der Duft hingegen ist beim Originalprodukt leicht süßlich. Der Fake riecht gar nicht. Einfacher Test für die Erkennung von echtem Safran: Taucht man die Fäden in Wasser, verlieren sie ihre Farbe nicht und tönen das Wasser honiggelb. Der Safran-Fake färbt das Wasser jedoch rot und verblasst dabei selbst.

Das Beste vom Besten: Ras el Hanout

Das originale kostbare „Gold des Orients“ hat naturgemäß nicht nur im Handel, sondern vor allem in der marokkanischen Küche einen besonders hohen Stellenwert. Vor allem beim Bereiten von Harira, eine Suppe aus Hülsenfrüchten und Tomaten, oder Chermoula, eine Marinade für Fisch und Meeresfrüchte, ist Safran essenziell.

Nicht aus der orientalischen Küche wegzudenken ist außerdem Ras el Hanout. Übersetzt heißt diese Gewürzmischung „Chef des Ladens“. Das impliziert schon, dass es sich hierbei um die Mixtur der besten Gewürze handelt, die der Verkäufer zu bieten hat. „Weltweit verwenden die Leute Ras el Hanout in allen verschiedenen Gerichten. In Marokko kommt es aber nur in vier speziellen Speisen, die zu besonderen Events serviert werden, zum Einsatz: in Mrouzia – eine Lamm-Tajine, Rfissa – ein Gericht aus Linsen, Huhn und Bockshornkleesamen, einer speziellen Tajine mit Trockenpflaumen und Couscous mit getrocknetem Fleisch.

Will ein Experte die originale Zutatenzusammensetzung wissen, wird er allerdings garantiert enttäuscht werden: Das Rezept variiert je nach Region oder gar Familie. Die Mischungen, die wir in Europa zu kaufen bekommen, sind sehr minimalistisch gehalten. In Ettahris Ras el Hanout befinden sich etwa 27 Zutaten – von Ingwer über Zimt bis Lavendel.

Einen Tipp hat die Spitzenköchin aber: „In der perfekten Komposition darf kein Gewürz dominant sein. In Ras el Hanout hat kein Gewürz die Oberhand.“ Die Zutaten mancher traditioneller Ras-el-Hanout-Mischungen können auch außergewöhnlich sein: gemahlene Spanische Fliegen beispielsweise, für ein besonderes Kribbeln im Mund. Die Zugabe dieser giftigen Käfer dient nicht dem Geschmack, sondern als (angebliches) Aphrodisiakum.

Der kulinarische Schmelztiegel

Genauso wie jede Familie die Zutaten ihres eigenen Ras el Hanout über Generationen hinweg entwickelt und adaptiert hat, ist die gesamte marokkanische Küche von einer langen Historie, eingebettet in geografische Gegeben- und Besonderheiten, geprägt. Die kulinarischen Einflüsse könnten nicht vielfältiger sein: Die Berber brachten die unterschiedlichen Techniken (Slow Cooking und Tajine) in die Küchen der Marokkaner.

Die Türken zeigten ihnen das Grillen, die Perser bereicherten die marokkanischen Essgewohnheiten mit ihren getrockneten Früchten. Und die jüdische Kultur führte hier die Tradition des Konservierens ein. So kamen die Marokkaner übrigens zu einem ihrer Markenzeichen in der Küche: die konservierte Zitrone. „Marokko ist eine Art Schmelztiegel. Wir haben von allen Kulturen das Beste genommen und zusammen in einen großen Topf geworfen“, sagt Myriam Ettahri sichtlich stolz.

Aber auch die geografische Lage ist ausschlaggebend für die Kulinarik des Landes. Das Mittelmeer, die Wüste oder das Atlasgebirge sind der Nährboden für die unterschiedlichsten Produkte: Lokale Trüffel, Safran, Zitrusfrüchte, Fische aller Art, Kamel, Ente und allerlei Gemüse finden sich somit in Marokko.

Die Modernisierung der marokkanischen Küche

Eine Vielfalt, die Myriam Ettahri selbst trotz ihrer langjährigen und einschlägigen Erfahrung nach wie vor täglich in Staunen versetzt. Auf eben diesen vielen Überraschungsmomenten liegt – wenn man so will – wohl ihre gesamte Laufbahn als Spitzenköchin begründet.

Ihre ganz persönliche Geschichte geht nämlich so: Im Marokko der 1980er-Jahre gab es weder Kochshows noch berühmte Köche (Köchinnen schon gar nicht), die man sich zum Vorbild nehmen hätte können. Als Kind wusste Ettahri nicht einmal, dass Kochen ein Beruf ist. Doch der Ruf der Küche ereilte sie dennoch und sie absolvierte ihre Ausbildung an der berühmten Kochschule Le Cordon Bleu, von wo aus es für sie auf kulinarische Weltreise ging. Von Paris nach Dubai, weiter nach London, Singapur und Sydney.

Logisches Fazit: Als die passionierte Köchin und Pâtissière mit ihren Erfahrungen aus den angesehensten Betrieben der Welt zurück in die Heimat kam, hatte sie leichtes Spiel. Die Restaurantszene war veraltet, von Begriffen wie „Fusionsküche“ hatte man vor rund 15 Jahren noch nichts gehört.

Außerdem galt das Kochen noch immer nicht als „sexy“ Job. Und das, obwohl die marokkanische Küche mit all den Farben, verschiedenen Geschmäckern und Techniken seit jeher als weltweite Institution verstanden wird. Im gesamten Land dreht sich alles um das gemeinsame, gesellschaftliche Essen. „Die moderne To-go-Kultur würde hier niemals Fuß fassen, dafür genießen die Marokkaner viel zu gerne“, ist sich Ettahri sicher.

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Als Myriam Ettahri auszog, um kochen zu lernen, steckte die Gastronomie Marokkos in den Kinderschuhen. Heute gibt die Spitzenköchin der Küche ihrer Heimat Vision und Zukunft

Mit ihrer Weltoffenheit und Erfahrung hat sie schließlich maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Gastronomie des Landes modernisiert. Vor allem, weil die Landesküche ein so großes Fusionspotenzial hat. In ihrem Restaurant Le Bistro Arabe in Casablanca, wo Ettahri als Executive Chef fungiert, kombiniert sie heute höchst erfolgreich die marokkanische Kulinarik mit anderen Küchen, Techniken und Geschmäckern der Welt.

„Ich versuche in meinem Restaurant nicht, die marokkanische Küche zu verändern oder stark zu modernisieren. Ich erweitere vor allem den Geschmackshorizont.“ Das gelingt, indem Ettahri ihre internationalen Erfahrungen einbringt und so den Marokkanern Altbekanntes mit neuem Touch serviert. „Ich könnte einen skandinavischen Fisch bekommen und ihn mit Tomaten und Olivenöl zu einer marokkanischen Speise machen. Auch einen amerikanischen Burger kannst du einfach marokkanisch zubereiten: mit Lammfleisch, Pistazien und Safran.“

Trotz all des kreativen Kombinierens ist es dieser außergewöhnlichen Küchenchefin wichtig, dass ihre Gäste am Ende wissen, dass sie marokkanisch gegessen haben. Denn ihr Herz schlägt neben der internationalen nach wie vor besonders für die heimische Kulinarik. Kein Wunder, schließlich gilt es darin selbst für sie, täglich neue Geheimnisse und Geschmäcker zu entdecken.

Myriam Ettahri

Geboren und aufgewachsen im Marokko der 1980er-Jahre, legte Myriam Ettahri eine steile Karriere hin: zwei Bachelor-Abschlüsse, einen auf einer Elite-Uni in Quebec. Ihr Weg führte sie in einen multinationalen Konzern, wo sie zur Headhunterin befördert wurde. Doch ihre Passion war immer das Kochen, was sie ins renommierte Cordon Bleu brachte. Der Grundstein für eine internationale Laufbahn begann: USA, England, Dubai, Singapur etc. Doch sie landete wieder in ihrer Heimat Marokko, wo sie heute als Chef Consultant maßgeblich zur Modernisierung der Gastronomie des Landes beiträgt.

www.riad-monceau.com/bistro-arabe-jazz-restaurant

 

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