George Kastner: Die perfekte Welle
Vor 40 Jahren sah alles noch anders aus
Man schrieb das Jahr 1979 als George Kastner Dampf in den Rungis Express brachte. Geht nicht, gibt’s nicht, war sein Motto, obwohl die Hürden viel höher waren als heute und der Weg viel beschwerlicher. Heute ist der 74-Jährige im ungewollten Ruhestand, vermisst seine sechs oder sieben Tage Woche und den 18 Stunden Tag.
Herr Kastner, Sie blicken ja auf ein ereignisreiches berufliches Leben zurück. Wie hat alles begonnen?
George Kastner: Ich lernte per Zufall Karl-Heinz Wolf kennen, der in Bonn ein Restaurant, das Chez Loup, hatte. Meine Freundin und ich waren in Frankreich auf Urlaub. Wir haben miteinander nur Französisch gesprochen, weil sie kein Deutsch konnte. Eines Tages sitze ich an der Hotelbar und lese die Bild-Zeitung, da kommt Wolf vorbei und fragt verwundert: „Sie sind Deutscher?“ Ich: „Ja, das ist ja nicht verboten, oder?“ So kamen wir ins Gespräch. Später habe ich ihn in Bonn in seinem Restaurant besucht und da haben wir unsere Zusammenarbeit beschlossen. Natürlich brauchten wir auch einen Namen. Wir kauften in Rungis ein, schnell muss es gehen, also Rungis Express. Voilà! RE, für Rungis Express, Eiffelturm mittendrein – fertig war das Firmenlogo. Es ging also los.
Wie kann man sich das vorstellen?
Kastner: Ich bin dann zwei Mal pro Woche nach Paris gefahren und habe eingekauft. Aus früheren Zeiten habe ich einige gekannt, die von der Idee begeistert waren. So sind wir mit ein paar Autos durch die Gegend gefahren, zuerst mit zwei, dann mit drei und so weiter.
Und dann wurde auch die Presse auf Sie aufmerksam?
Kastner: Ja. Klaus Besser war der Erste, der über Restaurants berichtete. Andere Zeitungen haben das dann auch gemacht und so hat zwischen den Restaurants der Wettbewerb begonnen. Wir waren zu dieser Zeit der richtige Lieferant, weil sonst die Produkte nicht da gewesen wären.
Vor 40 Jahren sah alles noch anders aus
Man schrieb das Jahr 1979 als George Kastner Dampf in den Rungis Express brachte. Geht nicht, gibt’s nicht, war sein Motto, obwohl die Hürden viel höher waren als heute und der Weg viel beschwerlicher. Heute ist der 74-Jährige im ungewollten Ruhestand, vermisst seine sechs oder sieben Tage Woche und den 18 Stunden Tag.
Herr Kastner, Sie blicken ja auf ein ereignisreiches berufliches Leben zurück. Wie hat alles begonnen?
George Kastner: Ich lernte per Zufall Karl-Heinz Wolf kennen, der in Bonn ein Restaurant, das Chez Loup, hatte. Meine Freundin und ich waren in Frankreich auf Urlaub. Wir haben miteinander nur Französisch gesprochen, weil sie kein Deutsch konnte. Eines Tages sitze ich an der Hotelbar und lese die Bild-Zeitung, da kommt Wolf vorbei und fragt verwundert: „Sie sind Deutscher?“ Ich: „Ja, das ist ja nicht verboten, oder?“ So kamen wir ins Gespräch. Später habe ich ihn in Bonn in seinem Restaurant besucht und da haben wir unsere Zusammenarbeit beschlossen. Natürlich brauchten wir auch einen Namen. Wir kauften in Rungis ein, schnell muss es gehen, also Rungis Express. Voilà! RE, für Rungis Express, Eiffelturm mittendrein – fertig war das Firmenlogo. Es ging also los.
Wie kann man sich das vorstellen?
Kastner: Ich bin dann zwei Mal pro Woche nach Paris gefahren und habe eingekauft. Aus früheren Zeiten habe ich einige gekannt, die von der Idee begeistert waren. So sind wir mit ein paar Autos durch die Gegend gefahren, zuerst mit zwei, dann mit drei und so weiter.
Und dann wurde auch die Presse auf Sie aufmerksam?
Kastner: Ja. Klaus Besser war der Erste, der über Restaurants berichtete. Andere Zeitungen haben das dann auch gemacht und so hat zwischen den Restaurants der Wettbewerb begonnen. Wir waren zu dieser Zeit der richtige Lieferant, weil sonst die Produkte nicht da gewesen wären.
Gab es keine Konkurrenz?
Kastner: Es gab nur ein paar kleine Mitbewerber, die waren aber so teuer, dass es kein Gastronom hätte bezahlen können. Weil die immer vergessen haben, den Wechselkurs zu berücksichtigen. 30 Francs waren 30 Mark, tatsächlich aber 10 Mark. Zu mir haben sie gemeint, ich mache die Preise kaputt. Doch ich habe nur so gerechnet, wie man rechnen muss.
Heute kann jeder Depp das Internet aufmachen und hat 95 Leute, die was anbieten. Ich musste das alles selbst organisieren und Produkte finden, die man noch nicht kannte.
Gab es weitere Unterschiede zwischen den Mitbewerbern und Ihnen?
Kastner: Mein Vorteil war, dass ich aus der Branche kam. So konnte ich denken wie die Branche. Wusste, dass Zuverlässigkeit und Qualität wichtig sind. Die Mitbewerber konnten nur als Händler denken.
Warum haben Sie später begonnen, Produkte in anderen Ländern zu kaufen?
Kastner: Mit der Zeit ist die Branche unzufrieden geworden und wollte andere Produkte sehen. Darum habe ich begonnen, auf der Welt rumzureisen. Das war ja früher alles viel komplizierter. Heute kann jeder Depp das Internet aufmachen und hat 95 Leute, die was anbieten. Ich musste das alles selbst organisieren und Produkte finden, die man noch nicht kannte. Nachdem ich Produzenten gefunden und mich mit diesen geeinigt habe, meine fünf Sprachen machten es einfach, musste ich noch selbst die Logistik organisieren und auch klären, ob ich das Produkt nach Deutschland bringen durfte und welche Bescheinigungen notwendig waren. Wie ein kleines Kind, das erst einmal auf allen vieren läuft, dann aufrecht und irgendwann läuft es alleine. So war der Werdegang von Rungis Express. Dann ist eine richtige Foodlawine losgegangen. Alle Medien waren da und haben lange Berichte über unsere Firma gebracht. Da waren wir Marktführer und keiner konnte uns mehr das Wasser reichen. Ihr Geschäft ist ja dann auch über Deutschland hinausgewachsen.
Welches Land stand als nächstes auf der Liste?
Kastner: 1983 haben wir als erstes Ausland Österreich beliefert. Das war die Firma R&S in Salzburg, welche damals dem Prinz Reuss und dem Herrn Spitzy gehörte. Diese haben eine Firma von jemanden übernommen, der bis dahin die österreichische Gastronomie mit Produkten aus Rungis versorgt hat, aber aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Die Probleme, die wir ständig am Walserberg hatten und die Zeit, die wir oft dort standen, bis der jeweilige Inspektor alles geprüft hatte, werde ich nie vergessen. Später hat dann Rungis Express 90 Prozent von R&S übernommen. Dann folgten Italien, Holland, die Tschechoslowakei, Polen und Ungarn.
Wir haben mit null angefangen und jedes Jahr sind ein paar Millionen dazugekommen. Wir waren verwöhnt. In Fünf- bis Zehnmillionensprüngen wurde das immer größer.
Selbst bis nach Dubai sind Sie gekommen. Wie das?
Kastner: Der Küchendirektor vom Burj al Arab in Dubai war früher Küchenchef in Berlin. Er rief eines Tages an und hat gefragt, ob ich nicht nach Dubai liefern wolle. Er würde dort nicht das Zeug für das Burj al Arab bekommen, das er brauche, und der Scheich will nur das Beste vom Besten. So bin ich nach Dubai geflogen. 180 Köche hat der Scheich beschäftigt. Davon sind 30 permanent in den Flugzeugen. Die ganze Scheich-Familie hat drei Essensrichtungen: amerikanisch, europäisch und arabisch. Und für jede Richtung gibt’s eine eigene Küche. Drei Küchen! Und in jeder Küche stand ein Molteni-Herd, der Rolls-Royce der Küchenherde. Jede Küche hatte ein eigenes Kühlhaus. Wenn man das jemandem erzählt, dann sagt der: Jaja, wann hört die Märchenstunde auf. Aber ich habe das persönlich gesehen. Und so kam ein Land zum anderen und alles ist gewachsen.
Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?
Kastner: Wir haben mit null angefangen und jedes Jahr sind ein paar Millionen dazugekommen. Wir waren verwöhnt. In Fünf- bis Zehnmillionensprüngen wurde das immer größer. Auch bei den Mitarbeitern und bei den Lkws. Das ging ja alles in einem Tempo, dass ich mich oft selbst gefragt habe, ob ich träume. Das gibt’s ja gar nicht! 100.000 Millionen Euro Umsatz, 120 Lkws, 450 Mitarbeiter in gerade einmal 20 Jahren. Wir sind zur rechten Zeit auf eine Welle gesprungen und konnten gut Wasserski fahren oder surfen, um auf dieser Welle weiter mitfahren zu können. Eigentlich habe ich noch dafür gesorgt, das die Welle noch größer und kräftiger wurde, damit es nicht langweilig wird.
Wie hat Ihr Privatleben in dieser Zeit ausgesehen?
Kastner: Ich habe 18 bis 20 Stunden gearbeitet am Tag, das hat natürlich keine Freundin toll gefunden. Immer arbeiten, das war mein Hobby. Aus privater Sicht habe ich das Hobby übertrieben. Manche haben gesagt, dass meine große Liebe Rungis Express wäre. Ich hab es ja nicht wegen des Geldes gemacht, ich hab’s gemacht, weil’s mir Spaß gemacht hat. Ich hatte gar keine Zeit, das Geld auszugeben, ich habe nur gearbeitet.
Inwiefern waren Sie auch Ideengeber?
Kastner: Ich habe zum Beispiel in Peru für den Winter bei uns Ruccola und Mesclin anbauen lassen. Ich habe den Samen in Mailand besorgt und bin damit nach Peru geflogen. Allerdings hat das beim ersten Mal so lange gedauert, dass ich mich schon gewundert habe. Nach drei Monaten war’s mir zu blöd und ich bin hingeflogen. Da war das Graffl 30 Zentimeter hoch. Aber der Fehler lag bei mir, weil ich nicht gesagt habe, dass das nicht höher als 10 Zentimeter wachsen soll. Aber an das hab ich nicht gedacht.
Gab’s noch andere Hürden?
Kastner: Ja, beim Wachtel-Import. Immer wenn die Lkws aus Paris gekommen sind, waren die Veterinäre und die Zöllner da. Die haben geschaut, ob eh alles da drinnen ist, was drinnen sein sollte. Der Veterinär war verwundert über so viele Wachteln und sagte: „Die können doch nicht alle geschossen werden in der kurzen Zeit.“ Ich: „Die werden auch nicht geschossen. Gezüchtet.“ Er: „Wo ist Ihr Veterinärzeugnis – Sie brauchen das für Zuchtgeflügel.“ Zu dem Zeitpunkt haben wir das schon über ein halbes Jahr so gemacht und noch nie ein Zeugnis gebraucht. Und so wurden 450 Wachteln vernichtet, weil kein Zeugnis da war, und die Kunden waren natürlich sauer.
Später kam der Ausstieg von Karl-Heinz Wolf von Rungis Express. Wie kam es dazu?
Kastner: Mich hat ein Makler kontaktiert, der sagte, dass sich jemand bei Rungis Express beteiligen will. Der Kaufhof, eine spätere Tochter der Metro, war das. Wolf war nicht begeistert und hat seine Anteile verkauft. Später musste sich die Metro von allen Beteiligungen trennen, die nichts mit Cash & Carry zu tun hatten.
Ich wollte die Scheißinsolvenz nicht in meinem Lebenslauf haben. Aber hätte ich das nicht getan, hätte ich mein Stammkapital kaputt gemacht, und das waren meine Kunden.
Wer hat sich dann gefunden?
Kastner: Die Firma CVC Capital Partners hatte dann die 60 Prozent. Und wie so oft im Leben haben Leute Ideen und wenn die nicht mehr da sind, dann kann es sein, dass der Nachfolger mit den Ideen nichts mehr anfangen kann. So war das dann auch. Seltsamerweise hat dann die Hausbank plötzlich die 4,5 Millionen Euro Working Capital gekündigt. Das konnten die damals, so waren die Verträge. Ich hätte sofort das Geld reinschießen müssen, was ich aber nicht konnte von der Liquidität her. Das größte Problem war, dass die Kunden gewartet haben und ich nicht mehr weiter arbeiten konnte, weil ich das Kapital nicht hatte. Daher wurde mir geraten sofort Insolvenz anzumelden, dann ist Ruhe und danach geht’s weiter.
Was ist damals in Ihnen vorgegangen?
Kastner: Ich wollte die Scheißinsolvenz nicht in meinem Lebenslauf haben. Aber hätte ich das nicht getan, hätte ich mein Stammkapital kaputt gemacht, und das waren meine Kunden. Wir waren Marktführer, hatten 400 Mitarbeiter, schrieben nur schwarze Zahlen. So wurde entschieden, dass ein Verwalter reinmuss, bis neue Besitzverhältnisse geschaffen sind.
Doch Sie brauchten ja dennoch Kapital.
Kastner: Ja und der Insolvenzverwalter hatte einen Vorschlag, bei dem ich aber, wie er es sagte, eine böse Kröte schlucken müsse. Es war der Direktor von der Dresdner Bank. Diese Bank kündigt unser Stammkapital fristlos und jetzt bekommen die das Stammkapital wieder. Und da war mir klar, dass die CVC da irgendwas im Hintergrund gedreht hat. Die haben ja Milliarden bewegt und die Dresdner Bank war eine der starken Finanzbanken.
Ich habe einen Fehler gemacht und für seine Fehler muss man dann gerade stehen. Heute würde ich mehrere Spezialisten damit beauftragen.
Sie sind in der Firma geblieben. Wie lange ist das dann noch gut gegangen?
Kastner: Vier, fünf Monate habe ich das Geschäft weitergeführt und dann war der Tag des Verkaufs. Zwischen neun und 18 Uhr konnte man sein Angebot abgeben. Um kurz nach 17 Uhr kam der Anruf vom Anwalt, der mir schon gratulierte. Doch um zehn vor sechs kam noch ein Angebot. Und lustigerweise kannte der Anrufer die Höhe meines Angebots. Ich habe 2,5 Millionen geboten und die Schließung vom Standort Satteldorf. Der andere um eine Million mehr ohne Schließung. Damit war der Tanz zu Ende. Somit waren für mich von heute auf morgen zehn Millionen weg.
Gibt es etwas, das Sie in dieser Zeit bereuen?
Kastner: Wenn ich so zurückschaue, hätte ich bei den Verträgen mit der CVC einige Berater hinzuziehen sollen. Der eine Berater, dem ich das ganz überlassen habe, hat mich zwar schon eine lange Zeit beraten, aber jeder macht einmal Fehler. Ich hab später einen getroffen, dem hab ich das gezeigt und der hat gesagt: „Kastner, meine Güte, schade, dass wir uns damals nicht gekannt haben. Nie im Leben hätten Sie das unterschrieben.“ Jetzt ist es zu spät. Den Leuten habe ich ja vertraut, sonst hätte ich’s nicht so gemacht. Ich habe einen Fehler gemacht und für seine Fehler muss man dann gerade stehen. Heute würde ich mehrere Spezialisten damit beauftragen.
Wie geht es Ihnen heute?
Kastner: Ich bin heute in einer glücklichen Lage, ich brauch mir keine Gedanken zu machen. Wie man so schön sagt: Ich habe mein Schäfchen im Trockenen. Mir fehlt aber der Tagesablauf. Ich bin wie ein Rennauto, das jeden Tag mit 300 Kilometer pro Stunde gefahren wurde und plötzlich steht es nur mehr in der Garage.