Wie gut is(s)t man in Swingerclubs?
Es gibt Sätze, die gehen eher selten gut aus. „Schatz, ich geh’ dann mal in den Swingerclub!“ gehört in den meisten Beziehungen zu ebendieser Art. Anders bei Tim Sillack, dem freundlichen jungen Mann mit weißer Kochjacke, der jedes Vorurteil gerade so richtig über den Haufen wirft.
Er geht in einem solchen Etablissement ein und aus – nicht als Kunde, wohlgemerkt, sondern er liefert das Buffet. „Ich war total überrascht vom hohen Niveau des Hauses. Es ist eine Eventlocation, die meinem Restaurant in nichts nachsteht.“ Und selbiges ist immerhin mit zwei Hauben ausgezeichnet. Moment mal – ein Haubenkoch im Swingerclub? Es sollte nicht die erste Überraschung sein, die uns auf dieser Reise begegnen würde.
Es gibt Sätze, die gehen eher selten gut aus. „Schatz, ich geh’ dann mal in den Swingerclub!“ gehört in den meisten Beziehungen zu ebendieser Art. Anders bei Tim Sillack, dem freundlichen jungen Mann mit weißer Kochjacke, der jedes Vorurteil gerade so richtig über den Haufen wirft.
Er geht in einem solchen Etablissement ein und aus – nicht als Kunde, wohlgemerkt, sondern er liefert das Buffet. „Ich war total überrascht vom hohen Niveau des Hauses. Es ist eine Eventlocation, die meinem Restaurant in nichts nachsteht.“ Und selbiges ist immerhin mit zwei Hauben ausgezeichnet. Moment mal – ein Haubenkoch im Swingerclub? Es sollte nicht die erste Überraschung sein, die uns auf dieser Reise begegnen würde.
Urlaub vom Alltag
Doch von Anfang an: Hört man „Swingerclub“, denken die einen vielleicht an Orgien nach römischem Vorbild, ekstatische Feste zu Ehren des Gottes Bacchus, die oft in Skandalen, Schande und sogar Mord endeten, bis der Kult schließlich verboten wurde. Andere denken an umfunktionierte Kellerräume, in denen sich Paare im Geheimen zum Partnertausch treffen.
Doch viele Clubs, die sich, wie sich herausstellt, oft Lifestyle-Clubs nennen, um nicht gleich in die Swinger-Schublade gesteckt zu werden, spielen heute in einer ganz anderen Liga. Und bieten (mitunter kulinarische) Gesamtkonzepte, die mit den Big Playern der Eventgastronomie mithalten können.
Niemand könnte uns einen besseren Überblick über die Szene geben als Judith Langer. Sie ist Sexologin und arbeitet als Kommunikationsmanagerin der Erotikplattform Joyclub. Ursprünglich als Onlineforum gegründet, betreibt der Joyclub heute unter anderem, aber nicht nur, den größten Erotik-Eventkalender Deutschlands. 1,69 Millionen Menschen besuchten die über die Seite kommunizierten Erotik- und Swingerpartys im vergangenen Jahr.
Insgesamt sind auf der Seite mehr als fünf Millionen Mitglieder registriert. Zum Vergleich: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zählt 7,4 Millionen. Langer weiß von Mitgliedern, die sehr offen mit ihrer Mitgliedschaft im Joyclub umgehen, „die sagen, ich habe hier etwas gefunden, wo ich meine Sexualität so leben kann, wie ich das möchte. Wo ich Menschen finde, die genauso offen und interessiert am Thema Sexualität sind.“
In den vergangenen zehn Jahren sei der Umgang mit Themen wie Fetische und Sexualität viel offener geworden, die Teilnehmer an erotischen Events seien deutlich jünger geworden und kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Es sind Frauen, Männer, non-binäre Menschen, Trans-Personen, Studenten, Rentner, Facharbeiter, Chefärztinnen, die in Swinger- und Lifestyle-Clubs den Urlaub vom Alltag suchen.
Kunden wollen Nachhaltigkeit
„Swingen ist immer Lifestyle, aber Lifestyle ist nicht immer Swingen“, erklärt Zoran Kovac, Betreiber des HS Lifestyle Club Hude, den subtilen Unterschied. Wie auch bei anderen Clubs dieser Art reisen Menschen von weit her an, um Fantasien aller Art auszuleben. Sein Club ist nicht nur mit 2.250 Quadratmetern der größte Lifestyle-Club in Deutschland, sondern auch ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Dafür wurde er vor Kurzem sogar mit dem DEHOGA Umweltcheck in Gold ausgezeichnet.
Als Ansporn nimmt Kovac das seit Covid beträchtlich jünger gewordene Publikum: „Wir haben von Anfang an auf die geänderten Bedürfnisse der mittlerweile sehr, sehr jungen Kundschaft geachtet – das Durchschnittsalter liegt jetzt bei Anfang 30, nicht mehr Mitte 50.“ Seine Gäste legen großen Wert auf Nachhaltigkeit, erwarten vegane Speisen, achten auf Umweltschutz. Der HS Lifestyle Club nutzt Totholz aus benachbarten Wäldern zur Beheizung, die Kondome sind vegan und auf Plastik wird weitgehend verzichtet, um nur einige der Maßnahmen zu nennen, die Kovac seit der Übernahme des Clubs umgesetzt hat.
Weiter geht es beim Buffet: Was übrig bleibt, wird an Bedürftige gespendet. Wurden früher etwa drei Tonnen an Essensresten pro Woche entsorgt, landen heute nur mehr Kartoffelschalen oder sonstige Abfälle im Müll, was essbar ist, wird von foodsharing.de abgeholt. Positiver Nebeneffekt: „Weil die Gäste wissen, dass übriggebliebenes Essen nicht verschwendet wird, holen sie sich die Teller nicht so voll!“ Und ob sich die Investition in Nachhaltigkeit auszahlt? Mehr als das: „Unterm Strich sparen wir mit unseren Maßnahmen sogar Geld.“
Besser als die Hochzeit?
Nicht für alle Club-Besucher spielt das Essen eine vorrangige Rolle. Doch oft ist es ein Anknüpfungspunkt, ein Mittel, um die Hemmschwelle abzubauen, sagt Langer: „Der gemeinsame Genuss stimuliert ja auch schon auf eine Art und Weise.“ Genau wie das eine oder andere Glas Alkohol. Der Life-Club in Gescher, geführt seit zehn Jahren von Markus Jansen und Christian Seek, setzt deshalb neben einem vielfältigen Buffetangebot aus der hauseigenen Küche auch auf Markengetränke und Cocktails. Ob es da nicht zu gefährlichen Ausschweifungen kommt? „Wir haben überhaupt keine Probleme damit, dass Gäste voll alkoholisiert sind, weil sie wollen ja im Erotikbereich auch noch etwas erleben“, sagt Jansen.
Zusätzlich zum Buffet gibt es in seinem Club eine Grillstation mit Pizzaofen im Außenbereich, sogar ein eigener Foodtruck kommt regelmäßig zum Einsatz. „Wir bekommen für unser Essen sehr gutes Feedback in den Bewertungen auf Joyclub“, freut sich der Chef. „Einmal hörten wir von Gästen, unser Buffet sei besser gewesen als jenes bei ihrer Hochzeit! Das ist natürlich ein tolles Kompliment.“
Schmutzige Fantasien; sauberes Business
Joyclub fungiert nicht nur als Bewertungsplattform, sondern vergibt auch Clubsiegel mit bis zu fünf Herzen. Mitarbeiter besuchen Clubs unangekündigt und bewerten sie nach einer Liste von Kriterien, vom Gesamtambiente bis eben zum kulinarischen Angebot – der Gault&Millau der Erotikszene sozusagen.
Einer der Betriebe, die die Höchstwertung erhalten haben, ist das Schloss Milkersdorf, einen Steinwurf von Cottbus entfernt. Vor gut 20 Jahren machten Sabine und René Geisler aus einem denkmalgeschützten Gutshaus einen Swingerclub. Ein Unterfangen, das glückte, weil das einheimische Unternehmerpaar, das auch ein bekanntes Küchenstudio besitzt, einen guten Draht zur Dorfgemeinschaft bewahrte und die Location unter der Woche von Bewohnern für Events genutzt werden kann.
Und hier kommt der eingangs erwähnte Tim Sillack ins Spiel: Der talentierte Koch sammelte Erfahrungen in Spitzenrestaurants von Australien bis Vancouver, bevor er von Steffen Henssler nach Deutschland „zurückgeholt“ wurde. Nach zwei Jahren als Küchenchef in Hensslers Kochschule wollte sich Sillack mit seiner Frau selbstständig machen. Und eröffnete das heute mit zwei Hauben gekürte Lou im Cavalierhaus – ausgerechnet pünktlich zur Corona-Pandemie.
Eine Kollaboration mit Geislers Kochstudio kam hier wie gerufen. Nach mehreren erfolgreichen gemeinsamen Omakase-Events kam das Gespräch auf das Schloss Milkersdorf. „René hat gesagt: ,Kannst du mit deinem Team kommen und ein Buffet aufbauen?‘“, erzählt Sillack. Bedenken hatte er keine: „Der Club ist hier kein Tabuthema. Man kennt sich in so einer Stadt, und jeder weiß, es ist ein klares, sauberes Business.“
„Jeder will mal in so einem Club gewesen sein.“
Als von 90 Tickets die Rede war, witterte der Chefkoch jedoch noch nicht die Herausforderung, die auf ihn zukommen würde. Denn 90 Tickets, das sind in der Swingerwelt natürlich 180 Gäste. „Da wurde mir plötzlich klar, ach du Schreck, jetzt habe ich schon zugesagt und das Budget halbiert sich gerade!“ Zudem vom Paarpreis von rund 180 Euro nur ein kleiner Teil für das Essen kalkuliert wird.
Trotzdem blieb der Koch bei den hohen Qualitätsansprüchen an sich selbst: „Ich habe von Anfang an gesagt, wenn ich das mache, kann ich keine Pommes in den Chafer packen. Jetzt sind wir an einem Punkt, wo die Qualität sehr gut ist, aber gleichzeitig steigen die Lieferantenkosten extrem. Das ist einfach ein Kampf.“ Geisler: „Ein Kampf, an dem wir wachsen. Und gewinnen.“
Gewonnen hat Geisler auch mit seiner Bestrebung, sein Schloss Milkersdorf als gehobene Eventlocation zu positionieren, die über Landesgrenzen hinaus bekannt ist. „Jeder will mal in so einem Club gewesen sein. Und es ist auch nicht mehr so, dass jeder, der kommt, auch vögelt. Sondern man isst gut, trinkt gut, lernt nette Leute kennen, man geht erotisch aus.“
Doch eines muss Sillack festhalten: „Wenn es noch mehr essen gehen und weniger Sex wird, dann müssen wir die Kalkulation anpassen, dann wird’s teurer. Die müssen auch eine Weile nackt sein.“ Geisler stimmt augenzwinkernd zu: „Also es muss schon trotzdem noch gesexelt werden.“
Doch auch wenn die körperlichen Gelüste im Mittelpunkt stehen, die Wahrheit einer Redewendung hat sich durch diese Recherche bewiesen. Diesen Satz kannst du selbst vervollständigen: Liebe geht durch den …!