Schlaflos in Osaka
Es kann an dieser Stelle nur geschätzt werden, aber rein gefühlsmäßig kommt auf jeden vierten Einwohner Osakas eine Karaokebar. Und die drittgrößte Stadt Japans hat immerhin 2,7 Millionen Einwohner. Warum das wichtig ist? Aus einem simplen Grund: Diese kleinen Sing-Bars sind der Kitt des täglichen Arbeitslebens. Zählt man zum unteren oder mittleren Management, trinkt man am (reichlich späten) Feierabend mit den Kollegen dort Reiswein und Bier. Hat man sich bis ins hohe Management hinaufgearbeitet, schließt man in diesen Bars die wahren Geschäfte ab. Manager schlüpfen in Rentier- oder auch Han-Solo-Kostüme, singen und handeln die Deals aus. Danach verbeugt man sich höflich und weiß, dass man sich keine Sorgen machen muss. Denn was abgemacht wurde, hält – die Ehre der Japaner verbietet es, jemanden über den Tisch zu ziehen.
Diese Tatsache ist auf ganz Japan umzulegen, was spricht also für Osaka im Gegensatz zu Tokio, der pulsierenden Metropole Nippons? Osaka ist von jeher das wirtschaftliche Zentrum der Insel und setzt im Moment voll auf die Entwicklung von Robotertechnik. Ein Plan, der aufgeht und so mehr und mehr Business in die Stadt holt. Zudem plant das Japan-Tourismboard, bis 2016 jährlich 30 Millionen Besucher in das Land zu holen – eine Verdreifachung der Vorjahreszahl.
Zieht man diese beiden Tatsachen in Betracht, bedeutet das eine gesteigerte Nachfrage an Fachpersonal in der Hotellerie und Hotelgastronomie. Kei Matsumoto, Personal Manager des Hyatt Regency in Osaka, weiß von der Notwendigkeit europäischer Führungskräfte: „Um dem strukturellen Wandel der Gäste und der steigenden europäischen Klientel gerecht zu werden, braucht es das passende Personal in der leitenden Ebene. Das ist logischerweise aus Europa, zurzeit leiden wir aber an einem gravierenden Mangel.“
So vielversprechend Osakas Arbeitsmarkt nun klingen mag, es ist nicht leicht, einen…
Fotos:
Es kann an dieser Stelle nur geschätzt werden, aber rein gefühlsmäßig kommt auf jeden vierten Einwohner Osakas eine Karaokebar. Und die drittgrößte Stadt Japans hat immerhin 2,7 Millionen Einwohner. Warum das wichtig ist? Aus einem simplen Grund: Diese kleinen Sing-Bars sind der Kitt des täglichen Arbeitslebens. Zählt man zum unteren oder mittleren Management, trinkt man am (reichlich späten) Feierabend mit den Kollegen dort Reiswein und Bier. Hat man sich bis ins hohe Management hinaufgearbeitet, schließt man in diesen Bars die wahren Geschäfte ab. Manager schlüpfen in Rentier- oder auch Han-Solo-Kostüme, singen und handeln die Deals aus. Danach verbeugt man sich höflich und weiß, dass man sich keine Sorgen machen muss. Denn was abgemacht wurde, hält – die Ehre der Japaner verbietet es, jemanden über den Tisch zu ziehen.
Diese Tatsache ist auf ganz Japan umzulegen, was spricht also für Osaka im Gegensatz zu Tokio, der pulsierenden Metropole Nippons? Osaka ist von jeher das wirtschaftliche Zentrum der Insel und setzt im Moment voll auf die Entwicklung von Robotertechnik. Ein Plan, der aufgeht und so mehr und mehr Business in die Stadt holt. Zudem plant das Japan-Tourismboard, bis 2016 jährlich 30 Millionen Besucher in das Land zu holen – eine Verdreifachung der Vorjahreszahl.
Zieht man diese beiden Tatsachen in Betracht, bedeutet das eine gesteigerte Nachfrage an Fachpersonal in der Hotellerie und Hotelgastronomie. Kei Matsumoto, Personal Manager des Hyatt Regency in Osaka, weiß von der Notwendigkeit europäischer Führungskräfte: „Um dem strukturellen Wandel der Gäste und der steigenden europäischen Klientel gerecht zu werden, braucht es das passende Personal in der leitenden Ebene. Das ist logischerweise aus Europa, zurzeit leiden wir aber an einem gravierenden Mangel.“
So vielversprechend Osakas Arbeitsmarkt nun klingen mag, es ist nicht leicht, einen dieser Jobs zu finden. Der europäische Ausländeranteil in Japan beträgt kaum 1 Prozent und in der Hotellerie kommen auf 100 Angestellte maximal zwei Expats. Offene Stellen werden nicht ausgeschrieben, die Visavergabe ist teuer und dauert und wer keine langjährige internationale Erfahrung mitbringt, kommt nicht ins Land. So gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Man lässt sich vom Konzern nach Osaka versetzen oder beauftragt einen Headhunter mit der Suche.
Christian Schweinzer, Geschäftsführer von „Blackrock Recruiting & Careers“: „Das Auswahlverfahren zieht sich bis zu einem halben Jahr und Positionen im Juniorbereich werden niemals an Expats vergeben. Die Wahl wird sehr genau getroffen, weil europäische Expats den Arbeitgeber teuer kommen. Da ist es nur verständlich, dass alles sehr exakt geprüft wird. DiVerträge werden schließlich auf zwei Jahre vergeben.“
Teuer kommt den Arbeitgeber nicht nur die Visaprozedur, sondern vor allem das, was auf dem Lohnzettel steht: In Japan bezieht man in der Branche etwa um 20 Prozent mehr Nettogehalt als in Europa üblich. Doch dieses Plus ist auch hart zu verdienen: Die offizielle Arbeitszeit beträgt 40 Stunden die Woche, wird aber in jedem Fall überschritten, da nicht vor dem Vorgesetzten Schluss gemacht wird. Ist man selbst der Leader, sollte man sich auch nicht an die Stechuhr halten, denn wer wenig oder lustlos arbeitet, verliert den Respekt der Japaner. Daher sollte man sich vorab eindringlichst mit der Business-Etikette des Landes vertraut machen (siehe Kasten links).
Ein weiterer Grund, sich optimal anzupassen, liegt in der Hierarchie der Jobs. Diese sind in Japan langfristig angelegt und schnelle Karrieresprünge oder Wechsel nicht vorgesehen. Sprich: Wer den japanischen Arbeits- und Moralvorstellungen nicht entspricht, auf den kommen schwere Zeiten zu.
Wer hingegen bereit ist, den Feierabend nach hinten zu verlegen und seine Freizeit singenderweise mit den Kollegen zu verbringen, wird merken: Wer es in Osaka schafft, dem liegt in der Zukunft Asien zu Füßen.
Der Karrierecheck
Die wichtigsten Kriterien im Check
Das sollten Sie wissen, bevor Sie zu arbeiten beginnen.
Jobangebot
Klein, aber sehr fein. In Japan werden die hohen Managementpositionen zumeist von Europäern besetzt. Juniorpositionen zu finden, gelingt hingegen kaum.
Karrierechancen
Eine Anstellung in Japan ist meist auf längere Zeit in gleicher Position gedacht. Ein schneller Aufstieg somit eher die Ausnahme.
Arbeitszeiten
Offiziell gilt eine 40-Stunden-Woche. Inoffiziell wird aber so lange gearbeitet, bis alle Vorgesetzten gegangen sind. Außer am „Family Day“ – da machen alle gleichzeitig Feierabend. Der 10- bis 20-tägige Jahresurlaub wird selten zur Gänze in Anspruch genommen.
Arbeitsumfeld
Wer sich für offene Kritik und Diskussionen nicht erwärmen kann, der wird sich im überhöflichen Japan auf Anhieb wohlfühlen. Für den Rest könnte diese Umstellung in der ersten Zeit durchaus eine große Herausforderung darstellen.
Benefits
Die Benefits unterliegen dem persönlichen Verhandlungsgeschick. Oft sind im Package die Krankenversicherung, jährliche Heimatflüge und Logis enthalten.
„150 Prozent geben und dabei lächeln“
Demut, Respekt und Höflichkeit sind die Eckpfeiler einer gastronomischen Karriere in Japan.
Zur Person
Martin Schulz,
Inhaber des Kitsune Izakaya
Der gelernte Koch und Metzger hat schon reichlich japanische Auslandserfahrung gesammelt. In den letzten Jahren war er viermal in Osaka, um dort in einem traditionellen Kaiseki-Restaurant zu arbeiten. Seit etwa einem Jahr betreibt er ein japanisches Izakaya in Hamburg.
Feine Küche, harte Schule
Durch einen Zufall verschlug es Martin Schulz nach Osaka, in die Stadt, die als kulinarische Seele Japans gilt. Dort lernte er in einem traditionellen Familienrestaurant die feinen Nuancen der japanischen Küche kennen und was Respekt wirklich bedeutet.
ROLLING PIN: Tokio wird als die neue Gourmethauptstadt der Welt gehyped, aber landesintern gilt Osaka unumfochten als kulinarisches Mekka. Warum?
Martin Schulz: Umgangssprachlich nennt man Osaka den Magen Japans. Das liegt daran, dass nichts hineinkommt, was schlecht ist. Die Küchenlinie der Region Kansai (Anm.: Osaka und Umgebung) ist eine wesentlich feinere. Sie verwenden leichtere Sojasaucen und schaffen es, den Eigengeschmack der Produkte in einer Intensität hervorzuheben, die sie vervollkommnet. Das steht auch im krassen Gegensatz zu unserer mediterranen Kräuterverliebtheit. Doch muss man auch wissen, dass in Osaka für 2 bis 3 Kilo Thunfisch bis zu 500 Euro im Einkauf bezahlt werden. Der Respekt vor den Produkten wird noch viel mehr gelebt als bei uns, daher sind Menüs um etwa 120 Euro keine Ausnahme, sondern die gern gepflegte Regel.
RP: Nicht nur die Küchenstile differieren gegenüber denen Europas, auch das Arbeitsumfeld ist für uns ungewöhnlich.
Schulz: Definitiv. Sich in den Verhaltenscodex einzuleben, erfordert extreme Offenheit für die japanische Kultur. Wer in Osaka in einer Küche arbeiten will, der sollte alles – egal, wie erfahren er ist – vergessen. Die Hierarchien sind wesentlich deutlicher ausgeprägt, doch niemals wird ein hartes Wort fallen. Aus Respekt vor dem Arbeitgeber erscheint man eine halbe Stunde vor Dienstbeginn, verbeugt sich vor dem Chef und nach Dienstschluss entschuldigt man sich, dass man nun gehen wird, und bedankt sich gleichzeitig, dass man heute arbeiten durfte. Die Küchencrew isst ausschließlich in der Küche auf kleinen Hockern, niemals gemeinsam mit dem Servicepersonal und nur dann, wenn der Chef ebenfalls Zeit und Hunger hat.
RP: Unbedingter Respekt vor dem Vorgesetzten hat also oberste Priorität?
Schulz: Ja. Die Tradition hält das Land noch stark umfangen. Japaner schenken jedem Respekt und erwarten das im Gegenzug auch. Wer sich nicht an die jahrtausendealten Rituale hält, wird zwar nicht ausgestoßen, aber auch nicht akzeptiert. Ein Umstand, der hart treffen kann, denn es gibt so gut wie gar keine Europäer in Japan und Freizeit ist spärlich. Wenn man beruflich im Ausland ist, sollte das Verhältnis Job – Freizeit etwa 70 zu 30 Prozent ausmachen. In Japan tendiert man aber eher zu einem Verhältnis 90 zu 10. Der Dienst beginnt frühmorgens und endet nie vor Mitternacht. Einmal habe ich zwei Tage am Stück freigenommen und wurde gefragt, wohin ich in meinem Sommerurlaub fliegen werde.
RP: Sie erwähnten zuvor, dass in der Küche niemals ein hartes Wort fällt, gibt es denn dafür Lob?
Schulz: Nein, mit Emotionen wird sehr sparsam umgegangen. Ab und an wird die Wertschätzung auf eine andere Weise gezeigt als in Europa üblich. Während des Abendservice kam mein Chef auf einmal zu mir und gab mir ein Toro-Sushi, das ich essen sollte. Diese Geste zeigte mir, dass er mit mir und meiner Arbeit zufrieden war.
Kontakt
Kitsune Izakaya
Eppendorfer Weg 62
20259 Hamburg
Tel.: +49 (0) 40/43 91 08 60
Höflichkeit zuerst!
Im Land der aufgehenden Sonne gibt es für Europäer exotisch wirkende Verhaltensregeln. Auch wenn sie eigenartig anmuten, unbedingt beachten, denn sonst droht das berufliche Harakiri!
1 Danke, danke und Entschuldigung
Asiaten sind Meister der Höflichkeit und Japaner sind deren Anführer. Danke ist wohl das meistverwendete Wort der Insel. Zudem entschuldigt man sich lieber einmal zu viel. Diese Einstellung manifestiert sich in verschiedenen Arten der Entschuldigung, dem Shazai und dem Dogeza.
2 Sagen Sie niemals Nein. Niemals!
Das Wort „Nein“ ist das linguistische Stiefkind der Insel. Es wird so gut wie niemals gesagt und sollte auch von Ihnen vermieden werden. Eine negative Antwort äußert sich so: leicht schiefe Kopfhaltung, Hände an den Nacken und die Luft durch geschlossene Zähne ziehen. Üben!
3 Eine Visitenkarte, zwei Hände
Der Visitenkartenverbrauch in Japan ist deutlich höher als hier, denn bei jeder Gelegenheit wird sie ausgetauscht. Wichtig dabei: Mit zwei Händen übergeben und die empfangene wohlwollend betrachten und sich nochmal bedanken.
4 Freude? Trauer? Glück?
Japaner haben dieselben Emotionen wie wir. Doch sehen wird man diese so gut wie nie. Wer sich zu weitreichenden Gesten, lautstarken Äußerungen oder Tränen hinreißen lässt, verliert den Respekt der Inselbewohner und somit den Job.
5 Trinkgeld?
Fehlanzeige! In Japan ist hervorragendes Service Pflicht und nicht die Ausnahme. Trinkgeld ist dort unbekannt und wird auch nicht angenommen. Ein kultureller Fauxpas ist es ebenso, sich selbst aus Flaschen einzuschenken. Das übernimmt das Gegenüber!