Kleiner Trumpf
Fotos: Fotos: Restaurant la vie
Na endlich!“, ertönt es beim Anruf von ROLLING PIN am anderen Ende der Leitung. Am Apparat: Rene Frank, Chef-Pâtissier im mit drei Michelin-Sternen dekorierten Restaurant la vie in Osnabrück. Der Grund für Franks Ausruf und den Anruf von ROLLING PIN – die Interviewanfrage rund um das Thema Petits Fours. „Petits Fours sind eine immens wichtige Komponente eines jeden Restaurantbesuchs und werden in der Gastronomie viel zu oft vernachlässigt. Ich freue mich sehr, dass sie nun in einem Artikel thematisiert werden“, so Frank, der mit dieser Meinung nicht alleine ist. Ganz im Gegenteil:…
Fotos: Fotos: Restaurant la vie
Na endlich!“, ertönt es beim Anruf von ROLLING PIN am anderen Ende der Leitung. Am Apparat: Rene Frank, Chef-Pâtissier im mit drei Michelin-Sternen dekorierten Restaurant la vie in Osnabrück. Der Grund für Franks Ausruf und den Anruf von ROLLING PIN – die Interviewanfrage rund um das Thema Petits Fours. „Petits Fours sind eine immens wichtige Komponente eines jeden Restaurantbesuchs und werden in der Gastronomie viel zu oft vernachlässigt. Ich freue mich sehr, dass sie nun in einem Artikel thematisiert werden“, so Frank, der mit dieser Meinung nicht alleine ist. Ganz im Gegenteil: Die von ROLLING PIN angeregte Diskussion um die kleinen Backöfen, so viel bedeutet Petits Fours aus dem Französischen übersetzt nämlich, gerät nun erst so richtig ins Rollen. So ist sich auch Dominik Fitz, Pâtissier im Restaurant Ikarus im Hangar-7 in Salzburg und Pâtissier des Jahres der LEADERS OF THE YEAR 2013 sicher: „Petits Fours sollten immer ein schöner Abschluss eines in sich stimmigen Restaurantbesuchs sein. Hier im Niveau abzufallen, ist absolut keine Option.“ Wenn die Petits Fours nun aber so wichtig sind, warum sind sie dann in Restaurants dennoch oft die ungeliebten Stiefkinder der Pâtisserie und oft sogar der ganzen Küche?
Xano Saguer, Gründer und Executive Chef des Espai Sucre, einem reinen Dessertrestaurant in Barcelona und seit 2013 auch in Mexiko, bringt die Problematik auf den Punkt: „Es ist um ein Vielfaches schwieriger, etwas kulinarisch Interessantes in nur einem süßen Bissen zu zeigen, als in einem ganzen Gericht.“ Zudem stünden Petits Fours oft auch in der wirtschaftlichen Kalkulation nicht gerade gut da. Denn manche Gastronomen sehen in den Petits Fours eher ein notwendiges Übel als die Chance, dem Gast nachhaltig in süßer Erinnerung zu bleiben. „Dabei ist ein Restaurantbesuch immer eine ganzheitliche Erfahrung. Nur weil den Petits Fours kein direkter Umsatz zugerechnet werden kann, sind sie nicht weniger wichtig und schon gar nicht umsonst. Ich sehe sie, um es mit einem Beispiel zu sagen, als die eleganten Knöpfe einer hochwertigen Jacke, die ein Outfit abrunden“, so Saguer. Im Espai Sucre gibt es daher für jeden Gast ganze zehn Petits Fours. Diese reichen vom erfrischenden „Grünen-Apfel-Shot mit Lavendel“ über „Lakritz-Crujiente mit Sesam“ bis hin zu „Geräuchertem Tee mit dunkler Schokolade“.
Der nach Lenôtre und Co. als nächster Pâtisserie-Papst gehandelte Xano Saguer stellt aber sofort klar: „Wir sind ein reines Dessertrestaurant. Daher variieren wir auch bei den Petits Fours natürlich mehr. Doch auch die Petits Fours müssen immer der gastronomischen Realität entsprechen, in der man lebt.“ Gemeint ist damit, dass Petits Fours nicht zwingend in zehnfacher Variation und so aufwendig präsentiert werden müssen, dass man dafür gleich eine ganze Person abstellen könnte. „Auch ein selbstgemachter Keks zum Kaffee nach einem 10-Euro-Menü ist ein Petit Fours, das die gesamte Restauranterfahrung aufwertet“, so der Spanier. „Doch schon indem man die Zeit und den Wareneinsatz, der für Petits Fours aufgewandt wird, an Normen festmacht, schmälert man ihren Stellenwert.“ Eine Aussage, die auch Simon Taxacher, Executive Chef im Relais und Châteaux Rosengarten, und seine Pâtissière Julia Leitner unterschreiben können: „Bei den Petits Fours kann man sein ganzes Können nochmals zeigen. Der Gast muss sich bis zu den Petits Fours an das Restaurant Simon Taxacher erinnern. Da stehen Zeit und Wareneinsatz an zweiter Stelle.“
Sweet Dreams are made of …
Wenn man Granden wie Frank, Fitz, Saguer und Co. nun ihre kreativen Grenzen ausnutzen lässt, dann staubt es gleich nur so vor zuckrigen Ideen. Bei Simon Taxacher und Julia Leitner werden beispielsweise mit Kaugummi, Apfelringen und Zuckerwatte Kindheitserinnerungen auf höchstem kulinarischen Niveau geboten. Rene Frank deckt im Restaurant la vie mit selbst gebrautem Ginger-Beer und einer Fluffy-Duck-Cocktail-Interpretation die erfrischenden Komponenten seiner Petits-Fours-Variation ab. Quietschvergnügt geht es nach der Ente aus Bombay Saphire Gin, Triple Sec, Pêcher Mignon, Orangensaft und weißem Pfirsich aus einer eigens hergestellten Silikonform weiter mit einem Automaten, der Nüsse spuckt. „Dazu haben wir einen klassischen Kaugummiautomaten zum Schoko-Nuss-Automaten umfunktioniert“, so Frank, der lachend zugibt, dass er schon fast nicht mehr daran glaubte, dass je eine der piemonteser Haselnüsse umhüllt mit gewürzter Sauerkirsche und Schokolade oder die mit getrocknetem Yuzu aromatisierte weiße Schokolade, im Ganzen aus dem Kaugummi-Automaten kommen würde. Bei Dominik Fitz gibt es im Hangar-7 gleich doppelt Erfreuliches für die Damenwelt: Seine Petits Fours von den „Schoko-Marshmallows mit flüssigem Olivenöl“ über das „Heublumen-Makaron mit Bergamott-Tee“ und den „Corny mit Preiselbeeren“ werden in einer adretten Schmuckschatulle präsentiert. Wer sich also ein paar der sieben süßen Schmuckstücke für zuhause aufheben möchte, bekommt gleich eine ansprechende Verpackung dazu.
Think outside the Box
Womit ein weiterer wesentlicher und oft vergessener Pluspunkt der Petits Fours auf den Plan kommt: Nämlich der, dass selbige nicht nur im Restaurant die Stimmung versüßen, sondern auch als Give-away im Gedächtnis der Gäste und im Idealfall sogar von deren Bekannten, denen vom Restaurant-Besuch berichtet wird, kleben bleiben. Mit Kontaktdaten und Co. versehen, eignen sich die Verpackungen nämlich hervorragend als süße Visitenkarten und sind gleichzeitig Werbeträger für das Restaurant. Schafft man beispielsweise im Espai Sucre in Barcelona nicht mehr alle der zehn süßen Grüße aus der Küche, von der Kardamom-Wolke mit Kakao bis hin zum Keks mit Salz, werden diese ganz einfach eingetütet und begleiten den Gast als nettes Give-away nachhause. „Wobei einem natürlich durch fettige und schwere Schokobomben nicht von vornherein die Chance genommen werden soll, auch alle Petits Fours noch im Restaurant zu genießen“, ergänzt Frank. Das ist die große Kunst der Petits Fours: zum einen dem Menü noch einmal den letzten Kick zu verpassen, zum anderen die Gäste aber nicht zu überfordern, und zum Kaffee sollten sie teilweise natürlich auch passen. Dann helfen die kleinen Öfen als wichtige Komponente eines gelungenen Abends auch bestimmt, das Geschäft anzuheizen, sodass man gleich gar nicht in den sauren Apfel aus Auslastungsproblemen oder Umsatzminus beißen muss.