Mehr Umsatz mit Bio
Fotos: Shutterstock, Werner Krug
Dies ist kein Bericht für Zaghafte. Und auch keiner für Leute mit einem Gewissen, das so rein ist wie Tiroler Bergkristall. Dies ist ein Bericht für Gastronomen mit Sinn für Geschäft. Eine Anleitung zum Geldverdienen.
5,4 Milliarden Euro schwer wog der Umsatz, den der Biomarkt im vergangenen Jahr allein in Deutschland erwirtschaften konnte. Die Wachstumsprognose für das Jahr 2008 geht in den zweistelligen Prozentbereich. 93 Prozent aller Deutschen wollen künftig Biolebensmittel zu sich nehmen, belegt eine Studie der Strategieagentur „Diffferent“. Der hohe Preis scheint ihnen egal. 78 Prozent sind bereit für „Bio“ mehr zu bezahlen. 38 Prozent nehmen sogar einen Aufschlag jenseits der 10 Prozent hin, geht aus einer Umfrage der Wirtschaftsberatung Ernst & Young hervor. Das Kaufmotiv sei vor allem geprägt durch eine klar höhere Erwartung an die positiven Effekte für die Gesundheit.
Als die Stiftung Warentest jüngst die Qualität von Bioprodukten untersuchte, kam man jedoch zu einem zweischneidigen Ergebnis: gesund ja, weil frei von Chemie, besser schmecken aber nicht unbedingt. 54 Lebensmitteltests von 2002 bis 2007 wurden ausgewertet. Nur 4 Prozent der Bioprodukte erreichten ein „Sehr gut“. Nicht einmal jedes zweite Lebensmittel verdiente sich ein „Gut“. Im gleichen Maße schnitten auch konventionelle Produkte ab. Dass „Bio“ tatsächlich eine positive Auswirkung auf die Gesundheit des Menschen hat, konnte noch keine Studie beweisen.
Am eindrucksvollsten formulierte den Biotrick das österreichische Autorenduo Gernot Loitzl und Markus Groll bei der Präsentation ihres Buchs „Die 50 größten Bio-Lügen“: „Das moralische Ausmaß einer Lüge orientiert sich immer auch an der Erwartungshaltung des Angelogenen. Und die ist im Fall von ,Bio‘ – nicht ohne Zutun – schon babylonisch hoch geworden.“ Martina Hörmer, Geschäftsführerin der österreichischen Handelsmarke „Ja! Natürlich“, stimmte den Buchautoren damals sogar indirekt zu. Nur der Titel passte ihr nicht. „Denn wir lügen nicht. Wir erfüllen die Wünsche unserer Konsumenten.“ Und genau damit lässt sich Geld machen.
Suchen Sie engagierte Mitarbeiter?
Als eines der ersten Häuser im deutschsprachigen Raum sprang Anfang des Jahres das Mercure Hotel Bristol in Stuttgart Sindelfingen auf den „Bio“-Zug auf. Als überhaupt erstes Restaurant einer Hotelkette stellte Chefkoch Eduard Ratajczak seine Küche komplett auf „Bio“ um. Und zwar mit dem „Bio“-Siegel, das nach den strengen Richtlinien der EG-Öko-Verordnung zertifiziert wurde. Hoteldirektor Friedrich Busser: „Wir wollten uns damit von der Masse abheben. Das ist uns auch gelungen. Im Vordergrund steht unsere Philosophie, dass Regionalität und Qualität den Genuss ausmachen. Um das in höchstem Maße zu gewährleisten, haben wir uns zertifizieren lassen.“ Für das Bristol bedeutet das nun konkret, dass alle Zutaten zertifiziert „Bio“ sein müssen. Fisch und Fleisch, ebenso wie Salz und Pfeffer.
„Das erfordert natürlich eine enorme Umstellung“, erklärt Busse. Um den strengen Richtlinien gerecht zu werden, musste man seine Lieferantenliste umordnen, das Lager komplett neu bestücken und auch die Mitarbeiter schulen. „Wenn man ausschließlich mit „Bio“ kocht, ist es auch notwendig, alle Gerichte neu zu überdenken. Denn Salz und Pfeffer zum Beispiel entfalten auf Bioprodukten einen ganz anderen Geschmack“, so Busser.
Der höhere Preis wird dem Gast weiterverrechnet. Das Feedback sei durchwegs positiv, sagt der Hoteldirektor. „Unser Anspruch war es zwar nicht, es wegen des Geldes zu machen, aber natürlich erwarten wir uns Vorteile auf dem Markt.“ Nun erkannte man auch, dass selbst Sparen mit „Bio“ möglich ist. So benötigt Chefkoch Ratajczak für das 180-Gramm-Putensteak nicht mehr 210 Gramm rohes Fleisch, sondern – weil „Bio“ und höhere Qualität – nur noch knapp unter 200 Gramm Biopute. In der Speisekarte wird in einem Vorwort übrigens detailliert auf die biologische Philosophie des Hauses hingewiesen.
Wer seinen Betrieb auf „Bio“ zertifizieren lässt, muss sich natürlich an die Vorschriften halten. Freilich kann man dem Gast aber auch ohne Siegel Biogerichte schmackhaft machen. Wie zum Beispiel Sternekoch Andreas Döllerer aus Golling: „Ich biete meinen Gästen die besten Produkte aus der Region. Ob da jetzt ein „Bio“-Siegel drauf ist oder nicht, darauf achte ich gar nicht.“ Der Gast aber weiß es und schätzt die Qualität in Döllerer’s Genießerrestaurant. Der Salzburger ist überzeugt von einer Fortsetzung des Biobooms: „Nach den BSE-Skandalen ist man erstmals auf das Thema ,Bio‘ aufmerksam geworden. In den kommenden Jahren wird sich wohl kaum mehr ein Koch davor verschließen können.“
Allerdings ist bei der Ausweisung von Biogerichten Vorsicht geboten. Denn es gelten strenge Regeln, wie man beim deutschen Bundesministerium für Ernährung bestätigt: „Bietet ein Gastronom ,Bio‘ in seiner Karte an, dann ist eine Teilnahme am Kontrollverfahren nach der EG-Öko-Verordnung nötig.“ Die Einhaltung dieser Regelung sei in den vergangenen Jahren zwar kaum überprüft worden. Doch das Biohoch sorgte auch hier für ein Umdenken: Seit kurzem sind im ganzen Land Kontrollore unterwegs.
>> "Bio" ist gesetzlich klar definiert
Als Biolebensmittel werden Lebensmittel aus der ökologischen Landwirtschaft bezeichnet. Der Begriff ist in der EU gesetzlich definiert. Diese Produkte müssen aus ökologisch kontrolliertem Anbau stammen, dürfen nicht gentechnisch verändert sein und werden ohne Einsatz konventioneller Pestizide, Kunstdünger oder Abwasserschlamm angebaut.
Das Fleisch stammt von Tieren, die nicht mit Antibiotika und Wachstumshormonen behandelt wurden. Die Produkte sind nicht ionisierend bestrahlt und enthalten weniger Lebensmittelzusatzstoffe als konventionelle Lebensmittel. Deutschland führte im Jahr 2001 das staatlich kontrollierte „Bio“-Siegel ein.
>> So steigen Sie erfolgreich auf Bio um
. . . mit dem „Bio“-Zertifikat
Wenn Sie Ihr Lokal mit dem „Bio“-Siegel versehen wollen, müssen Sie sich an die Vorschriften der jeweiligen Organisationen halten (www.biosiegel.de oder www.ama.at). Das Tragen des Siegels ist zwar kostenlos, die Umstellung jedoch mit einem nicht zu unterschätzenden Aufwand verbunden: neue Lieferanten, Umbestückung des Lagers, Schulung der Mitarbeiter, neue Speisekarten etc.
. . . ohne „Bio“-Zertifikat
In Deutschland gilt: Wer „Bio“ auf seiner Karte stehen hat, muss am Kontrollverfahren nach der EG-Öko-Verordnung teilnehmen (www.biosiegel.de). Mit „Bio“ kochen können Sie trotzdem. Empfehlen Sie Ihren Gästen zum Beispiel jeden Tag ein anderes Biogericht mündlich. Sie sparen sich damit den Aufwand, der für eine Biozertifizierung notwendig ist.