Gourmet to go
Im April 2014 eröffnete der italienische Spitzenkoch Davide Scabin, über dessen Restaurant Combal.Zero immerhin zwei Michelin-Sterne schweben, in Turin eine unangestrengte, leistbare Trattoria namens Blupum. Für einen modernen Spitzenkoch eine nicht weiter ungewöhnliche Entscheidung. Wäre da nicht ein winziges Detail: Scabin nämlich hat sich dazu entschlossen, einige Speisen des Blupum auch als To-go-Variante anzubieten. Ehemals pfui, ist Sterneküche in Tüten oder auf der Parkbank zum Lunch aktuell ziemlich hui.
Der Fast Food Global Industry-Guide prognostizierte für 2014 ein Wachstum des Fast-Food-Marktes auf 239,7 Milliarden Euro, das entspricht einer Steigerung um 19,2 Prozent seit dem Jahr 2009. Aber mit labbrigen Burgern ist nicht einmal mehr der überzeugteste Junk-Food-Liebhaber hinter dem Ofen hervorzulocken. In den USA und Großbritannien schießen Take-away-Konzepte, die mit einem hochwertigen Speisenangebot zu moderaten Preisen punkten, wie Pilze aus dem Boden. Gourmet-Burger-Ketten wie Shake Shack, Edel-Hotdog-Läden wie Bubbledogs oder MeatLiquor und mexikanische Burrito-Fast-Casual-Konzepte wie Chipotle Mexican Grill sind drauf und dran, traditionellen Fast-Food-Global-Playern den Rang abzulaufen. Aus dem anhaltenden Trend des „Fast Casual“…
Im April 2014 eröffnete der italienische Spitzenkoch Davide Scabin, über dessen Restaurant Combal.Zero immerhin zwei Michelin-Sterne schweben, in Turin eine unangestrengte, leistbare Trattoria namens Blupum. Für einen modernen Spitzenkoch eine nicht weiter ungewöhnliche Entscheidung. Wäre da nicht ein winziges Detail: Scabin nämlich hat sich dazu entschlossen, einige Speisen des Blupum auch als To-go-Variante anzubieten. Ehemals pfui, ist Sterneküche in Tüten oder auf der Parkbank zum Lunch aktuell ziemlich hui.
Der Fast Food Global Industry-Guide prognostizierte für 2014 ein Wachstum des Fast-Food-Marktes auf 239,7 Milliarden Euro, das entspricht einer Steigerung um 19,2 Prozent seit dem Jahr 2009. Aber mit labbrigen Burgern ist nicht einmal mehr der überzeugteste Junk-Food-Liebhaber hinter dem Ofen hervorzulocken. In den USA und Großbritannien schießen Take-away-Konzepte, die mit einem hochwertigen Speisenangebot zu moderaten Preisen punkten, wie Pilze aus dem Boden. Gourmet-Burger-Ketten wie Shake Shack, Edel-Hotdog-Läden wie Bubbledogs oder MeatLiquor und mexikanische Burrito-Fast-Casual-Konzepte wie Chipotle Mexican Grill sind drauf und dran, traditionellen Fast-Food-Global-Playern den Rang abzulaufen. Aus dem anhaltenden Trend des „Fast Casual“ entwickelt sich zusehends „Fast Good“. Und die Zahl jener Spitzenköche, die ihre epikureische Komfortzone gegen Imbissbuden oder Food Trucks eintauschen, steigt mindestens ebenso rasant. Motto: Weg mit dem Porzellan, her mit der Plastiktüte.
Das Ende der elitären Gourmetkompetenz
Wie gut Gourmet to go funktionieren kann, machen unter anderem Mark Jankel und Jun Tanaka in London vor. Tanaka werkte jahrelang in elitären Häusern der Stadt und an der Seite von Michelin-Legende und Haudrauf Marco Pierre White, als er beschloss, ab sofort lieber im Airstreamer auf den Straßen Londons zu brutzeln. Crispy Chicken mit eingelegten roten Zwiebeln, geräuchertem Speck, Croûtons und Winchy-Mayonnaise und Lamm mit eingelegtem Gemüse, Kartoffelstampf und Pesto zum Beispiel. Alles bio, alles 100 Prozent UK. Mittlerweile gibt es Tanakas Street Kitchen drei Mal in London, neben den zwei Airstreamern können Hungrige sich mittlerweile auch in einem angemieteten Straßenlokal Box-Menüs und Burger in den Rachen schieben.
Für Tanaka und Jankel war der Einstieg ins rollende Gourmet-Business auch ein Weg, das finanzielle Risiko der ersten Schritte in die Selbstständigkeit gering zu halten. Für Jungunternehmer bieten gerade Street-food-Konzepte den entscheidenden Vorteil, sich für den Traum vom eigenen Lokal nicht gleich mal vorsorglich an extraterrestrische Kreditraten zu gewöhnen. Rund 80.000 Euro muss man für den Start in einer fixen Location mindestens auf den Tisch legen, die Anschaffung eines Food-Trucks schlägt mit maximal einem Viertel dieser Summe zu Buche.
Einer der ersten Spitzenköche, den keine Geldsorgen plagen und der sich dennoch an die Herausforderung Abenteuerkantine statt Edelschuppen wagte, war Wolfgang Puck. Österreichs kulinarischer Exportschlager macht schon seit 1991 auf Quick-Service und schickt in seinen Express-Restaurants in den USA italienische Teigfladen, Pasta & Co. zum kleinen Preis über den Tresen. Ein Schelm, wer nun Böses über Puck und die kulinarischen Ansprüche des durchschnittlichen Amerikaners denkt. Selbst der ehrenwerte Paul Bocuse hielt in den 1970ern mit seiner Begeisterung für einen McDonald’s Egg McMuffin mit Fritten nicht hinter dem Berg. „Das sind die besten Fritten, die ich jemals gegessen habe!“, soll er seiner Übersetzerin geflüstert haben. „Ich möchte den Koch kennenlernen.“Diese kulinarische Offenbarung scheint Monsieur Bocuse so nachhaltig geprägt zu haben, dass er 2008 selbst in das Business einstieg und Ouest Express eröffnete. Mittlerweile betreibt Bocuse drei Filialen in Frankreich, statt Trüffelschaumsüppen um 80 Euro setzt Le Grand Chef auf Lachsraviolo um schlanke 9 Euro. Und wer es eilig hat, kann Bocuse zu Hause vor dem Fernseher mümmeln.
Nur mal kurz die Welt retten …
Fast Good ist – so behaupten zumindest viele ihrer glühendsten Fürsprecher – aber nicht bloß Gelddruckmaschine sondern zukunftsweisendes Welternährungskonzept.In einem Interview mit Vanity Fair Anfang des Jahres ließ der Multi-Food-Entrepreneur und einstige Ferran-Adrià-Kompagnon José Andrés mit der Aussage aufhorchen, dass „das Ergebnis unserer Arbeit nach wie vor nur einer privilegierten, kleinen Gruppe an Menschen zugänglich ist. Wir können das ändern, wenn wir unsere Anstrengungen auch in Fast-Food-Konzepte stecken.“ Andrés, der gerade an einem vegetarischen Fast-Good-Konzept arbeitet, lässt keinerlei Kritik an seinen Business-Plänen gelten. „Bei allem gebührenden Respekt gegenüber Mr. McDonald – ist es Ihnen lieber, dass ein Clown Ihr Menü organisiert oder ein echter Koch? Ich glaube, die Antwort liegt auf der Hand.“ Heston Blumenthal, britischer Fine-Dining-Godfather, hat noch nie einen Hehl aus seiner Vorliebe für matschige Pizza gemacht – seine privaten Essgewohnheiten sind aber sicher nicht der einzige Grund, warum Blumenthal in seinem The Perfectionists’ Café Fluggästen des Heathrow Terminal 2 bei der Entdeckung der kulinarischen Schnelligkeit behilflich ist. Auf der Karte: alles, was quengelnde Kinder und halb verhungerte Ryanair-Passagiere glücklich macht, konkret Fish and Chips, Hamburger, English Breakfast, Holzofenpizza & Co. 14 Euro für die Pancetta-Version des neapoletanischen Grundnahrungsmittels ist allerdings kein Schnäppchen – will es aber auch gar nicht sein. Blumenthal verpflichtet.Ducasse auch.
Die 57-jährige Ikone der Haute Cuisine klont sich bekanntlich bereits seit Jahrzehnten erfolgreich rund um den Globus. Und auch Alain Ducasse sieht Good Fast Food als Heilsbringer der Zukunft. „Man kann damit eine Menge Leute satt machen, zu einem sehr geringen Preis“, sagt er. „Nur das viele Salz, den Zucker und das Fett muss man vernünftiger dosieren.“ Ducasse stieg 2002 in das Geschäft mit der zeitsparenden Nahrungsaufnahme ein und gründete BE – ein Hybrid aus Bäckerei und Sandwicherie, Boulangépicier genannt. In seinen zwei Pariser Filialen verköstigt Ducasse laut eigenen Angaben 500 Leute pro Tag für weniger als 8 Euro. Und seit Kurzem macht Ducasse sogar auf Street Food und betreibt gemeinsam mit dem Hohepriester der Brandteiggebäckkunst, Christophe Michalak, einen mobilen Kiosk in der Stadt. Choux d’enfer ist der wohl elitärste Snackstand des Planeten, aber die notorisch gestressten Pariser lassen sich Ducasses Eclairs und Gourmet-Windbeutel mit Karamell- oder Kokosdip gerne etwas kosten. Fast-Good-Konzepte wie diese werden in Zukunft den Druck auf die klassische Fine-Dining-Szene erhöhen, sie aber gleichzeitig auch bereichern. Geht es nach Heston Blumenthal, sind die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft. „Wenn ich eine Prognose treffen müsste, was im Fast-Good-Sektor als Nächstes durch die Decke geht, würde ich sagen: Kebap. Bin schon gespannt, wer diesen Zug als Erster nehmen wird.“