Großer Zwiebeljunge

Brent Savage ist ein entspannter Charakter. Aussie eben. Sein Essen auch. Aber irgendwie doch nicht. Auf den zweiten Bissen sind da ganz viele unterschiedliche Schichten.
November 13, 2015

Brent Savage zu Besuch beim Hangar 7
Fotos: Helge Krichberger / Red Bull Hangar-7, Shutterstock

Was tun, wenn man Tickets für ein AC/DC-Konzert gekauft hat und einem beim ersten Song auffällt, dass man eigentlich bei Empire of the Sun gelandet ist? Ähnlich geht es Europäern, wenn sie vor dem ersten Gericht von Brent Savage aus Sydney sitzen. Vorab liest sich seine Küche aus dem Bentley Restaurant & Bar in den Berichten der Food-Gazetten so, als wäre der Journaille mit jedem Bissen die volle Breitseite an Intensität ins Gesicht gesprungen. Das schürt Erwartungen. Und die zerbröseln an der ersten Gabel.

Während man darauf wartet, dass es gleich Kamikaze im Mund spielt, passiert etwas ganz anderes. Kein wummernder Hardrock, sondern leiser Elektropop unterlegt mit klassischem Violinkonzert in C-Dur. Dezente Aromen in der Räucheraalmousse, feine Lagen unterschiedlichster Intensitäten von Sellerie im Gelee und im Salz, ein lockeres Spiel der Kombinatorik durch die Algenblättchen und beigefügten Kressen. Und dann – wumms. Ein kurzer Paukenschlag.

Damit hat man jetzt aber wirklich nicht gerechnet, dass…

Brent Savage zu Besuch beim Hangar 7
Fotos: Helge Krichberger / Red Bull Hangar-7, Shutterstock

Was tun, wenn man Tickets für ein AC/DC-Konzert gekauft hat und einem beim ersten Song auffällt, dass man eigentlich bei Empire of the Sun gelandet ist? Ähnlich geht es Europäern, wenn sie vor dem ersten Gericht von Brent Savage aus Sydney sitzen. Vorab liest sich seine Küche aus dem Bentley Restaurant & Bar in den Berichten der Food-Gazetten so, als wäre der Journaille mit jedem Bissen die volle Breitseite an Intensität ins Gesicht gesprungen. Das schürt Erwartungen. Und die zerbröseln an der ersten Gabel.

Während man darauf wartet, dass es gleich Kamikaze im Mund spielt, passiert etwas ganz anderes. Kein wummernder Hardrock, sondern leiser Elektropop unterlegt mit klassischem Violinkonzert in C-Dur. Dezente Aromen in der Räucheraalmousse, feine Lagen unterschiedlichster Intensitäten von Sellerie im Gelee und im Salz, ein lockeres Spiel der Kombinatorik durch die Algenblättchen und beigefügten Kressen. Und dann – wumms. Ein kurzer Paukenschlag.

Damit hat man jetzt aber wirklich nicht gerechnet, dass die weiße Sojasauce so reinhaut – und die zarten Tönchen der anderen Zutaten nicht erschlägt. Danach der „Marinierte Kingfish mit Chiogga-Bete und Buttermilch“. In der ersten Sekunde im Mund zerfließt das hauchdünne Fischfilet auf der Zunge, eine sanfte Welle dezenter Aromen kräuselt sich und dann macht es einen Schnalzer: Die Marinade entfaltet ihre volle Lautstärke. Britzeln auf der Zunge, kurz, intensiv und vorbei. Ungläubig probiert man nochmals. Ja, genau so passiert es wieder.

Und nach drei Gängen kann man sich dann sicher sein: Es sind die pastösen Saucen, die Marinaden und die klaren Essenzen von Brent Savage, die die schreibende Zunft dazu verleitet haben, ihn zum australischen Hardliner der Aromen zu stilisieren. Aber das so stehen zu lassen, wäre zu einfach.

Seine Gerichte sind wesentlich komplexer als das, Denn so sympathisch und entspannt Brent Savage auch ist, simpel ist wenig in seiner Küche. Auch wenn er es auf den ersten Blick so aussehen lassen möchte, alles ein bisschen down-gradet in seinem Restaurant, das er gerade in das Radisson Blu Hotel in Sydneys CBD verlegt. Ein wenig gilt Brent Savage auch als Vorreiter der neuen Fun-Diner Australiens.

Auf den Tellern finden sich keine unerklärlichen Dinge, nichts, was vortäuscht, etwas anderes zu sein als es selbst. Und dabei doch optisch richtig was hermacht. „Das Erste, was der Gast sieht, ist die Anrichteweise, je besser das Arrangement gelungen ist, desto positiver wird er das Gericht bewerten. Und warum sollte ich da meinem Essen nicht schon mal einen Bonuspunkt mit auf den Weg geben?“

Das Hangar 7 Team

Doch laissez faire gibt es eben nur für die Gäste. Oder wie er seinen neuen Köchen immer erklärt: „Hier im Bentley kann ich euch nicht viel zahlen, es gibt wenig Platz in der Küche, also nehmt bloß nicht zu. Aber das gelingt sowieso nicht, denn zum Essen bleibt euch wenig Zeit. Bei mir ist alles knapp, nur zwei Dinge nicht: Spaß und Bier nach Feierabend. Aber um acht steht ihr dann nüchtern wieder auf der Matte.“ Man möge sich das nun in breitem australischem Slang vorstellen und mit schelmischem Grinsen.

Und Brent lügt nicht – das ist eine Gemeinsamkeit mit seinen Gerichten. Mag er nicht und wäre ihm zu anstrengend – seine Energie verwendet er lieber für neue Kreationen, auch wenn sich seine Karte nicht täglich ändert, wie in seinen Wanderjahren bei Andrew McConnell im Mrs Jones in Carlton nahe Melbourne. Aber dadurch habe er seinen Horizont gehörig erweitert – in beide Richtungen, also weiß er jetzt ziemlich genau, was ihn ab- und anturnt. Und hat für sich eine Universalweisheit entdeckt: „Warum nicht, wenn es schmeckt?“ Dass sich über Geschmack nicht streiten lässt, sieht Brent genauso.

Aber sein Restaurant, seine Wahl, seine Fehler – wem es nicht schmeckt, der muss ja nicht wiederkommen. Anscheinend trifft er aber doch den Geschmack der Gäste und der Kritiker, Auszeichnungen des Sydney Morning Herald in seinem Good Food Guide mit zwei Hauben – sechs Mal in Folge – und ebenso sechs Mal bekam er zwei Sterne im Australian Gourmet Traveller. Also warum nicht Calamari mit Schweinebacke oder in dem Gericht „Gewürzte Karotten mit Pistazien, Joghurt und schwarzen Oliven“ die Süße der Karotten gemeinsam mit der Bitterkeit der Oliven so weit hinauftreiben, dass es am Gaumenzäpfchen klingelt? Eben. Und das funktioniert ganz prächtig. Seine Stärke, das ist das Herauskitzeln der unterschiedlichsten Geschmacksintensitäten, verpackt in diversen Texturen und Schichten.

Hinter oder besser vor jedem seiner Gerichte stehen akribische Denkarbeit, jede Menge technische Neuerungen und starke Innovationskraft. Meringue ohne Eiweiß, eine lockere und trotzdem knackige Schokoladenriegel-Füllung ausschließlich aus Zucker, Wasser und Natriumhydrogencarbonat? Brent Savage kann, und zwar wie. Was er da mit seinem zwölfköpfigen Team zusammenbraut, nennt er, in Ermangelung an Alternativen, just modern.

Warum nicht, wenn es gut schmeckt – das ist die Standardantwort von Brent. Und er hat nicht unrecht damit.
Roland Trettl

Was sehr dehnbar ist und es trotzdem auf den Punkt bringt. Handwerklich ausgereift, feinsinnig in der Zusammensetzung, aber niemals langweilig oder bekannt. Immer gibt es diesen Paukenschlag in dem ansonsten eher leisen Ensemble, diesen eigentlich dissonanten Ton, der die Melodie unverkennbar zu Brents macht. Auch Teil seiner Küche: die australischen Produkte. Wenn Brent das liest, dann kann er sich ein Lachen nicht verkneifen, denn was in Down Under als „lokal“ durchgeht, ist in Europa etwa die Distanz von Lissabon nach Bukarest. Da kann man saisonal im ganzen Jahr gehörig aus dem Potte schöpfen. Die indigenen Gewürze und Kräuter sind allerdings weniger vertreten. „Darüber gibt es gerade eine ungeheure Diskussion bei uns.

Aber deswegen verwende ich sie nicht mehr oder weniger. Wenn es passt, dann ran damit, wenn nein, dann nein.“ Die Macadamia-Nüsse haben es auf die Good-to-Go-Liste geschafft. Als Parfait mit weißer Schokolade und Zitronen-Meringue (ohne Eiweiß) auch in die Küche des Hangar-7. Als zweites Dessert kommt alleine schon beim Anblick leichtes Weihnachtsfeeling auf. Ein Winterwonderland in Weiß – mit dem gewohnt sonoren Grundrauschen und dem Glöckerlläuten an den Ecken. Die Nachfrage bestätigt: „Ja, so soll es sein. Meine Gerichte haben ihre Höhen, Tiefen und Repeats. Immer nur das Maximum an Beats rauszuhauen, das hält man zwei Songs lang aus. Aber nicht die ganze CD über.“ Eben total entspannt, der Brent. Wie sein Essen. Da ist dann gut, wenn sich Erwartungen nicht immer erfüllen.

Lakritze

AUFGEDECKT
Hangar-7-Know-how [Lakritze]

Jetzt wird Süßholz geraspelt
Lakritze wächst langsam – nur einmal im Jahr kann geerntet werden und das auch erst nach drei Jahren. Die Wurzeln und ihre Ausläufer werden dabei bis zu zwei Zentimeter dick und reichen bis zu drei Meter in den Boden. Frisch geerntet sind die Wurzeln noch zu klebrig für eine Verarbeitung und werden daher getrocknet, bis sie nur mehr zehn Prozent Wassergehalt haben. In ein Zentimeter große Stücke gehäckselt und nach der 24 stündigen Extraktion entsteht der Ausgangsstoff zu der uns bekannten schwarzen Lakritze. In den Anbauländern des Orients kommt die getrocknete Schwarzwurzel pulverisiert direkt in den Handel.

Eine Prise ist genug
Brent Savage kennt den Spruch: „Die Dosis macht das Gift.“ Er arbeitet seit Jahren konstant mit dem Pulver der Süßholzwurzel, setzt sie aber nur in homöopathischen Dosen ein, da der australische Gaumen nicht an die Intensität gewohnt ist. So ist Lakritze in seiner Marinade für den Kingfish unerlässlich, jedoch nur Teil der Gewürzmischung und nicht der Hauptgeschmacksträger.

Süßer Schmetterling
Lakritze, im lateinischen Glycyrrhiza glabra, auch Süßholz genannt, ist eine Pflanzenart aus der Unterfamilie Schmetterlingsblütler. Vor allem in der Mittelmeerregion und in Westasien verbreitet, ist sie frostempfindlich und bevorzugt volle Sonne und tiefe, humusreiche, durchlässige Erde. Charakteristisch sind die im Spätsommer erscheinenden bläulich violetten und weißen Schmetterlingsblüten in kurzen, aufrechten Ähren. Als mehrjährige krautige Pflanze kann sie Wuchshöhen von bis zu 100 Zentimetern erreichen.

„Das Pulver der Süßwurzel dient in der Küche des Bentley als Gewürz für Marinaden, Saucen und Dips.“
Brent Savage

Zuckerbombe
Lakritze enthält Glycyrrhizin, ein Gemisch aus Kalium- und Kalziumsalzen der Glycyrrhizin-7-Säure. Dieses Glykosid verleiht der Lakritze ihren so eigen- und einzigartigen Geschmack und ist dafür verantwortlich, dass die Lakritze in etwa die 50-fache Süßkraft von Rohrzucker besitzt. Um das abzuschwächen, werden Wasser, Mehl und Stärke beigemengt, bevor Lakritze zu dem wird, was Europäer gemeinhin als Lakritze, also die schwarzen dunklen Schnecken, bezeichen.

Schwarzes Gold
Aus dem Iran kommt nicht nur Öl, sondern auch das Grundprodukt von Lakritze: die Süßholzwurzel. 95 Prozent der jährlichen Ernte werden in den EU-Raum exportiert. Kalabrien, genauer die Ebene von Sibari, gilt auch als einer der bedeutendsten Produzenten im innereuropäischen Raum.

Lakritze Lachs

Lakritze

Lachs
1 Stk. frisches Lachsfilet ohne Haut (250 g)
100 g Salz
100 g Zucker
15 g Fenchelsamen
1 TL gemahlene Koriandersamen
frisch gemahlener weißer Pfeffer
etwas Lakritzpulver zum Bestäuben

Lakritz-Schnecken
200 g Sauerrahm
1 TL gemahlene Fenchelsamen
3 Bl. Gelatine
Salz
Lakritzpulver zum Bestäuben
8 Silikon-Negativformen (Abbildung
einer echten Lakritz-Schnecke)

Fenchel
1 Stk. Fenchelknolle
1 EL Olivenöl
Salz

Lachs
Das gesäuberte Lachsfilet in eine Form geben. Das Salz, den Zucker, die Fenchelsamen, die gemahlenen Koriandersamen und etwas frisch gemahlenen weißen Pfeffer vermischen. Den Lachs vollständig mit der Gewürzmischung bedecken und zugedeckt 4 Stunden im Kühlschrank beizen lassen. Den gebeizten Lachs unter fließendem kaltem Wasser abwaschen und trocken tupfen. Vor dem Anrichten in ½ Zentimeter dünne Tranchen schneiden und mit etwas Lakritzpulver bestäuben.

Lakritz-Schnecken
Den Sauerrahm cremig aufschlagen. Die fein gehackten Fenchelsamen unterrühren und mit Salz abschmecken. Die in kaltem Wasser eingeweichte und gut ausgedrückte Gelatine in einem kleinen Topf erwärmen. Die flüssige Gelatine zügig unter den aufgeschlagenen Sauerrahm rühren. Den Sauerrahm in Silikon-Negativformen füllen und mindestens 4 Stunden gefrieren lassen. Die „La-kritz-Schnecken“ aus den Formen lösen, mit Lakritzpulver bestäuben und auftauen lassen.

Fenchel
Den Fenchel putzen und längs in ½ Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Das Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und die Fenchelscheiben auf jeder Seite 30 Sekunden scharf anbraten, dann mit Salz würzen.

Anrichten
Je 2 Scheiben gebratenen Fenchel und je 2 „Lakritz-Schnecken“ auf 4 Teller legen. In die Zwischenräume einige Scheiben Lachs drapieren. Mit etwas rohem Fenchel und etwas zartem Fenchelgrün garnieren. Zum Schluss rundherum etwas Lakritz-Olivenöl träufeln.

Klaus Erfort

Next Chef
Wie kann etwas so Reduziertes so viele Aromen versteckt halten? Die Antwort weiß wohl alleine 3-Sterne-Koch Klaus Erfort. Der Meister der puristischen Wesentlichkeit legt im Oktober die Wahrheit auf den Teller! Klaus Erfort | Saarbrücken
www.hangar-7.com
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