Der Herr des Dry Age
Alle kennen es, alle lieben es. Oder zumindest fast alle. Wovon die Rede ist? Vom Dry Aged Beef, vom trockengereiften Rindfleisch also, das zu Beginn der 2000er-Jahre aus den USA kommend seinen Siegeszug in Europa angetreten hatte und aus geschmacklich gutem Grund schon bald in vieler Genießer Munde war.
Alle kennen es, alle lieben es. Oder zumindest fast alle. Wovon die Rede ist? Vom Dry Aged Beef, vom trockengereiften Rindfleisch also, das zu Beginn der 2000er-Jahre aus den USA kommend seinen Siegeszug in Europa angetreten hatte und aus geschmacklich gutem Grund schon bald in vieler Genießer Munde war.
Gut, neu war die Idee ja nicht, Rindfleisch nach dem Eintreten der Totenstarre kontrolliert abhängen zu lassen, damit es wieder zart wird, denn ehe in den späten 1960ern erste Vakuumiergeräte auf den Markt kamen, gab’s ja kaum andere Möglichkeiten, Fleisch fit für den Verzehr zu machen. Zwar ist es auch heute noch so, dass die nasse Reifung im Vakuumbeutel die deutlich weiterverbreitete und auch billigere Methode ist, aber das dem Plastik geschuldete bisweilen leicht säuerlich- metallische Aroma mag dann halt doch nicht jeder.
Wenn du alles richtig machst, muss der Begriff „Frischer Fisch“ überdacht werden.
Christian Landig, Mister Dry Age
Weltweit die Nummer Eins
All das brachte zwei Brüder im oberschwäbischen Bad Saulgau 2010 auf eine Idee: Sie wollten den ultimativen Reifeschrank erfinden, der selbst für den privaten Gebrauch geeignet ist. Und Christian und Aaron Landig wollten es nicht nur, sie taten es auch. „Und heute ist unser Familienunternehmen in Sachen Qualität und Technologie die weltweite Nummer eins und die jährlich produzierte Stückzahl nähert sich den 10.000“, sagt der 41-jährige Christian, dessen vier Jahre jüngerer Bruder Aaron, ein Kälte- und Klimatechniker, den Dry Ager quasi im Alleingang entwickelte.
„Bis 2014 hat es gedauert, ehe wir dieses Gerät erstmals präsentieren konnten, bis 2015, ehe die ersten Geräte ausgeliefert wurden“, erinnert sich Christian, gelernter Kaufmann und zuständig in erster Linie für die Vermarktung der Landig-Produkte, zu denen auch der von Vater Manfred, Kälteanlagenbauer und begeisterter Jäger, schon lange zuvor entwickelte Wildkühlschrank gehört. „Die Veredelung von Fleisch war also immer schon eines unserer Steckenpferde. Nicht zuletzt, weil wir es selbst so gerne essen“, sagt Christian und Aaron ergänzt, „dass wir beim Dry Ager aber wirklich bei null starten mussten, weil wir ja nicht wussten, was beim Dry Aging wirklich vor sich geht.“
Hygienisch einwandfrei
Aaron entwickelte also einen Prototyp, der die Werte von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftzirkulation konstant hielt, dann hängte er Fleisch hinein und die Brüder lernten Schritt für Schritt, was bei der Reifung tatsächlich passiert. Dem immer wieder verbesserten Prototyp folgte schließlich jenes Gerät, das 2014 präsentiert wurde, danach in Serie ging, vom Platz her in nahezu jede Küche passt, steckerfertig ist, keinen externen Wasseranschluss benötigt und sich heute vom damaligen kaum unterscheidet. „Vom Design her in Wahrheit gar nicht, bloß im Inneren gab’s im Lauf der Jahre ein paar kleine Adaptionen“, sagt Aaron. Eines aber war von Anfang an von allergrößter Bedeutung: Schon der Prototyp, in dem in der finalen Phase rund 50 Rinderrücken probereiften, musste hygienisch einwandfrei arbeiten, die Anzahl von Keimen und Bakterien auf ein absolutes Minimum reduziert werden.
Die Veredelung von Fleisch war immer schon unser Steckenpferd.
Christian Landig, Dry-Age-Experte
„Das ist gelungen“, sagt Christian. „Wir haben immer wieder Proben ans Veterinäramt geschickt und konnten uns stets die Unbedenklichkeit unseres Fleisches bestätigen lassen. Als wir am Ende auch die Labortests mit allen Proben des Luftkeimsammlers bestanden hatten und sogar für zwölf Wochen gereiftes Fleisch eine ,Verkehrsfähigkeitsbescheinigung‘ bekommen hatten, gaben wir endgültig grünes Licht für die letzten Schritte der Entwicklung.“
Fisch als Königsdisziplin
Heute, gut acht Jahre nach Auslieferung der ersten Geräte, verkaufen die Landigs weltweit in über 60 Länder. „Aber es ist schon klar, Dry Aging wird ein kleiner, sehr feiner Nischenmarkt für Fleisch von erster Güte bleiben“, sagt Christian. Aber nicht nur für Rind. Denn als das schwäbische Erfolgsgespann mit dem Rind in all seinen Aging-Facetten gleichsam durch war, starteten die beiden auch Versuche mit Schwein, Lamm, Wild und Geflügel. „Und siehe da, auch das hat funktioniert“, frohlockt Aaron. Dem nicht genug, kamen schließlich auch noch Herz und Zunge vom Rind sowie Fisch dazu.
„Fisch ist die Königsdisziplin“, sagt Christian, „denn nirgendwo sonst ist der Grat zwischen Verderben und Veredeln ein derart schmaler. Aber wenn du alles richtig machst, verbessert Dry Aging bei Lachs oder Thunfisch Geschmack und Textur derart, dass der Begriff ,frischer Fisch‘ neu überdacht werden muss. Wichtig ist aber immer eines: Das Basisprodukt muss von allerhöchster Qualität sein, denn man kann nur Gutes auch besser machen.“ Was natürlich auch für Käse gilt, denn auch vor dem schreckt der Dry Ager nicht zurück. „Das Gerät erzeugt perfekte Klimabedingungen, wie sie sonst nur speziell konstruierte Affinage-Keller mit aufwendiger Ziegelbauweise bieten“, sagt Aaron. Zusammenfassend lässt sich also eines sagen: Egal ob Rind, Innereien oder Fisch, Trockengereiftes schmeckt mitunter so richtig gottvoll. Vielleicht haben Christian und Aaron ihr 2021 erschienenes Buch zum Thema deswegen auch „Die Dry-Aging- Bibel“ genannt.
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SO REIFT FLEISCH RICHTIG
Beim Dry Aging wird frisches Fleisch so mit Luft in Kontakt gebracht, dass austretende Flüssigkeit verdampfen kann. Auf diese Weise reift das Fleisch trocken. Der Grund, warum es dabei nicht schlecht wird, liegt vor allem daran, dass der Prozess in eigenen Schränken in einem konstanten und kühlen Raumklima stattfindet. So bildet sich rund um das gute Stück eine trockene Schicht, die das Muskelfleisch einerseits schützt und andererseits die Aromen, um die es schließlich geht, intensiviert. Doch damit nicht genug, auch die Konsistenz verbessert sich. Das Fleisch wird mürbe, das Steak somit zarter.Außerdem bildet sich bei der Trockenreifung der Farbstoff Myoglobin, der es ansprechend dunkelrot färbt. Der Nachteil der Trockenreifung ist der Gewichtsverlust. Bis zu 30 Prozent entstehen durch die Entweichung der Feuchtigkeit und den Abschnitt der äußeren Kruste. Das macht das Dry Aged Fleisch unter anderem so kostspielig.