Kampf der Nationen
Fotos: Das weiße Kaninchen, Anna Stöcher, Claes Bech-Poulsen, Werner Krug, Sabine Kress
Alles auf Start. Maximilian Aichinger steht in der Küche des neu renovierten Restaurants Landhaus Appesbach am Wolfgangsee, dessen Gastronomie er diesen Sommer übernehmen wird, und blickt gespannt auf die Stoppuhr. Thomas Dorfer, ehemaliger Sechstplatzierter und damit bester Österreicher des Bocuse d’Or 2005, ist sein Trainer. Es gilt, in insgesamt nur fünfeinhalb Stunden einen warmen Fleischgang auf Platte und einen kalten Fischgang auf Teller – eine Neuerung im Reglement – zu bringen. Im Fall des österreichischen Kandidaten Aichinger sind das „Kräuterferkel im Majoran-Kreuzkümmelbrotmantel mit Erdäpfel-Blutflan, Karotten-Galgant Tarte, Senfgurkenkohlrabi und gefüllter Schweinefuß“ und „Brokkolikoralle, geröstete Cognac-Topinamburcreme, Gemüselandschaft in Zitronengel mariniert und in Vakuum gegart, Miesmuschelpraline, Seelachs in Salzlake eingelegt und mit Kräutern gewürzt, gedämpft und kurz geräuchert, Erdäpfel-Limetten-Krustln sowie Belon-Auster mit gelierter Gurken-Champagner-Mousse im Austernsaft“. Das sind genau die Gerichte, die Aichinger auch in Stockholm servieren wird und deren Hauptkomponenten vorgegeben sind. „Wichtig ist, dass wir die Arbeitsschritte richtig timen, um dann in Stockholm sowohl die Fleischplatte als auch die Fischteller perfekt und genau servieren“, sagt Dorfer und nimmt die Schweinekeule, die im Ganzen vor Aichinger ausgebreitet liegt, unter die Lupe. „Wenn wir das Fleisch nur minimal verschneiden, ist es aus. Wir haben nämlich nur ein Stück und damit einen Versuch. Das heißt, jeder Handgriff muss sitzen.“
Die Vorstufe zum Kocholymp
Der Bocuse d’Or geht heuer bereits zum 24. Mal über die Bühne. Die nationalen Vorausscheidungen sind geschlagen und am 7. und 8. Mai stehen die Europa-Ausscheidungen in der Hauptstadt Schwedens auf dem Plan. In nur zwei Tagen müssen sich 20 Kandidaten aus insgesamt 20 Ländern (Österreich, Belgien,…
Fotos: Das weiße Kaninchen, Anna Stöcher, Claes Bech-Poulsen, Werner Krug, Sabine Kress
Alles auf Start. Maximilian Aichinger steht in der Küche des neu renovierten Restaurants Landhaus Appesbach am Wolfgangsee, dessen Gastronomie er diesen Sommer übernehmen wird, und blickt gespannt auf die Stoppuhr. Thomas Dorfer, ehemaliger Sechstplatzierter und damit bester Österreicher des Bocuse d’Or 2005, ist sein Trainer. Es gilt, in insgesamt nur fünfeinhalb Stunden einen warmen Fleischgang auf Platte und einen kalten Fischgang auf Teller – eine Neuerung im Reglement – zu bringen. Im Fall des österreichischen Kandidaten Aichinger sind das „Kräuterferkel im Majoran-Kreuzkümmelbrotmantel mit Erdäpfel-Blutflan, Karotten-Galgant Tarte, Senfgurkenkohlrabi und gefüllter Schweinefuß“ und „Brokkolikoralle, geröstete Cognac-Topinamburcreme, Gemüselandschaft in Zitronengel mariniert und in Vakuum gegart, Miesmuschelpraline, Seelachs in Salzlake eingelegt und mit Kräutern gewürzt, gedämpft und kurz geräuchert, Erdäpfel-Limetten-Krustln sowie Belon-Auster mit gelierter Gurken-Champagner-Mousse im Austernsaft“. Das sind genau die Gerichte, die Aichinger auch in Stockholm servieren wird und deren Hauptkomponenten vorgegeben sind. „Wichtig ist, dass wir die Arbeitsschritte richtig timen, um dann in Stockholm sowohl die Fleischplatte als auch die Fischteller perfekt und genau servieren“, sagt Dorfer und nimmt die Schweinekeule, die im Ganzen vor Aichinger ausgebreitet liegt, unter die Lupe. „Wenn wir das Fleisch nur minimal verschneiden, ist es aus. Wir haben nämlich nur ein Stück und damit einen Versuch. Das heißt, jeder Handgriff muss sitzen.“
Die Vorstufe zum Kocholymp
Der Bocuse d’Or geht heuer bereits zum 24. Mal über die Bühne. Die nationalen Vorausscheidungen sind geschlagen und am 7. und 8. Mai stehen die Europa-Ausscheidungen in der Hauptstadt Schwedens auf dem Plan. In nur zwei Tagen müssen sich 20 Kandidaten aus insgesamt 20 Ländern (Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Russland, Spanien, Schweden, Schweiz, Türkei und England) vor einer international renommierten Fachjury behaupten. Diese bewertet den jeweiligen Kandidaten aus dem eigenen Land natürlich nicht. Die Punktevergabe basiert auf Präsentation (20 Punkte) und Geschmack (40 Punkte) der beiden Gerichte. Wer in dieser Runde überzeugt, zieht in das Finale des Bocuse d’Or am 27. und 28. Januar 2015 in Lyon ein und kann gutes Geld machen: Der Gewinner darf 20.000 Euro, der Zweitplatzierte 15.000 Euro und derjenige, der es auf das dritte Treppchen schafft, kann 10.000 Euro und hoffentlich eine gute Portion Publicity für sein Land mit nach Hause nehmen. Österreich ist nach vergangenen Querelen, die eine Teilnahme am Bewerb verhinderten, wieder mit im Rennen und man bereitet sich ganz gezielt auf die Internationalität der Jury vor: „Es ist schwierig, so viele verschiedene Geschmäcke zufriedenzustellen und zu treffen, aber wir setzen beispielsweise beim Fischgericht auf Säure. Damit wird es ein leichtes Gericht und bleibt der Jury auf jeden Fall in Erinnerung“, bestätigt Dorfer. Schließlich hat die Jury bis dahin einige Male Fisch, halb rohe lauwarme Austern und Muscheln gegessen. „Wichtig ist, auf jeden Fall positiv aufzufallen und auch beim Schwein denken wir, mit einer Cidre-Reduktion zu arbeiten. Das kennt und schätzt jeder und es ist auch leicht in Österreich erhältlich.“
Dorfer sieht aber Probleme bei einer zu innovativen und einzigartigen Zubereitung. Hier zählt die Devise „Auffallen um jeden Preis“ keineswegs: „Ich kann mich erinnern, dass in einem Jahr ein südamerikanischer Sternekoch eine Frucht verwendet hat, die niemand kannte. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn etwas nicht zu kennen, heißt gleichzeitig, etwas nicht einschätzen zu können.“ Schwer einzuschätzen sind auch die Kosten, die für den Wettbewerb vorab anfallen, wie Aichinger verrät. Das Sponsoring für Österreich übernimmt unter anderem die Havas Media Austria, die nach vermehrten Anfragen seitens der Redaktion allerdings zu keiner konkreten Stellungnahme bereit war. Als Unterstützer gelten unter anderem Nespresso, Lohberger, C+C Pfeiffer und Grilly. Deutschland bereitet sich ebenso auf den Wettbewerb vor: Mit Ludwig Heer, ehemaliger Bocuse-d’Or-Teilnehmer und Trainer von Christian Krüger, dem deutschen Kandidaten, werden die Gerichte gemeinsam entwickelt. „Im Laufe der Jahre konnte ich mir ein gutes Bild davon machen, was die Jury gerne hätte. Konkret werden wir Christians kochtechnische Kompetenz mit meinen Erfahrungswerten koppeln und für den Wettbewerb optimieren“, so Heer. Christian Krüger, Küchenchef im Restaurant Axt in Mannheim, hat während der Ruhetage, Sonntag und Montag, Gelegenheit, für die großen Tage im Mai zu trainieren: „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Platzierung in Stockholm schaffen.“
Die üblichen Verdächtigen für die Spitzenpositionen sind laut Heer Skandinavien, Frankreich und die Schweiz. Aber der Erfolg beim international bedeutendsten Kochwettbewerb scheint nicht nur mit Talent und dem Beherrschen des Handwerks zu tun zu haben, wie auch Heer weiß: „Es sind im Wesentlichen zwei Faktoren. Kochen können alle Länder. Aber man braucht vor allem Geld und Wettbewerbserfahrung.“ In der Vergangenheit wurde in Deutschland nicht genug in den Wettbewerb investiert, was sich allerdings in den Jahren unter Patrik Jaros als Präsident wesentlich verbessert hat. „Aber im Vergleich zu den bestens organisierten Ländern wie Skandinavien und Frankreich gibt es da noch Luft nach oben. Der Bocuse d’Or ist ein immerwährender Kreislauf von Erfolg, Medienwirksamkeit und dem daraus entstehenden Sponsoring großer Firmen.“ Als Sponsoringsumme für Deutschland werden knappe 300.000 Euro kolportiert. Clever gehen das die englischen Konkurrenten an: England stellte im Zuge des Bocuse d’Or 2013 für seinen Kandidaten Adam Bennett alleine durch ein Fundraising-Dinner 73.000 Euro auf – beachtlicher, wenn man bedenkt, dass dieser nur an einem Abend lukriert wurde. Die Briten hatten in Folge ihrer diversen Aktivitäen noch einige Zehntausend Pfund übrig, die sie für den diesjährigen Kandidaten bereitstellten. Der olympische Gedanke muss eben bezahlt werden. Um Aufsehen zu erregen, muss eben manchmal viel auf den Tisch gelegt werden. So kostete die Silberplatte vom Gewinner 2009, Geir Skeie, für den Fischgang alleine 15.000 Euro. Für Österreich und Deutschland heute noch undenkbar, aber vielleicht in einigen Jahren möglich, wenn die richtigen Maßnahmen ergriffen werden und das gesamte Land lernt, den Bocuse d’Or wertzuschätzen.
Wohin die beiden Eigenschaften – Geld und Wettbewerbserfahrung – führen können, zeigt das Beispiel Rasmus Kofoed, der sich von 2005 bis 2011 sukzessive in Richtung Gold vorarbeitete: „Kochen können alle, die beim Bocuse d’Or antreten. Die nötige Ausdauer und Zielstrebigkeit bringen aber die allerwenigsten mit.“ Kofoed hat umgerechnet knapp 7000 Euro für sein Training im Finale 2011 aus eigener Tasche bezahlt, aber der Ölmagnat Shell soll unglaubliche 1,1 Millionen Euro als Finanzspritze dazugegeben haben. Rasmus selbst sagt zum Thema Sponsoren: „Ich habe Gäste aus unserem Restaurant Geranium in Kopenhagen angesprochen, ob sie mich unterstützen würden. Und in vielen Fällen hat es auch geklappt.“ Was beweist, dass je populärer der Bocuse d’Or im Land ist, das Aufbringen von finanzieller Unterstützung wesentlich leichter zu bewerkstelligen ist. Der Sieg brachte Dänemark internationales gastronomisches Ansehen und eine beachtliche daraus resultierende Wertschöpfung. Alleine die Nächtigungszahlen stiegen in Kopenhagen knapp nach dem Sieg von Kofoed um das Doppelte. Bis heute sind die Nächtigungszahlen stabil und verzeichnen einen Wert von einem durchschnittlichen Plus von zehn Prozent im Vergleich zu 2010.
Kofoed bekam diesen Hype hautnah mit: „Ich wurde nach meinem Sieg beim Bocuse d’Or zu den Filmfestspielen nach Cannes eingeladen oder ich habe auch für die Prinzessin von Thailand gekocht. Vor ein paar Jahren hat mich sogar die dänische Königsfamilie nach Australien eingeladen, damit ich für sie koche.“ Doch weit schwerer als der persönliche Erfolg wiegt beim Bocuse d’Or das internationale Aufsehen, das er für das gesamte Land mit sich bringt. Darum ist es jetzt wichtig, für Österreich und Deutschland bewusste Unterstützung von der Politik zu bekommen – auch wenn sich diese Investition erst langfristig rentieren wird. Die Anstrengungen Österreichs die nächste Bocuse-d’Or-Ausscheidung in Wien zu veranstalten, zielen damit in die richtige Richtung. Schließlich zeigt das Beispiel Dänemark klar, dass eine Wertschöpfung klar erreicht werden kann, was wiederum Einnahmen für den Staat bringt. Die Frage ist also, warum sich die Sponsorings für Aichinger und Krüger derzeit auf Lebensmittel und das Equipment für den Wettbewerb einzig auf Einzelunternehmen beschränken. Fazit: Der Bocuse d’Or ist die Weltbühne für Köche, die sich das Prestigeobjekt Nummer eins der Branche sichern wollen – die goldene Statue. Trotz der skeptischen Stimmen und des Gerüchts, dass beispielsweise die Top fünf bereits vor dem Finale in Lyon feststehen, ist und bleibt der Bocuse d’Or eine einzigartige Chance für jeden Bewerber, sein eigenes Land zu vertreten. Und nicht nur das. Vielleicht auch in den kulinarischen Olymp aufgenommen zu werden. Die Gelegenheit ist da. Man muss sie nur – von allen Seiten – ergreifen.
Aufmerksamkeit und Zusammenhalt
Wie Rudi Obauer, Präsident des Bocuse d’Or Österreich, die Chancen in Stockholm einschätzt und wir das Zugehörigkeitsgefühl stärken sollten.
Wie hat sich der Wettbewerb verändert?
Rudi Obauer: Der Bocuse d’Or ist zu einer PR-Maschinerie geworden. Abgesehen davon ist das heute ein Wahnsinnsaufwand. Früher war es leichter, da gab es die nationalen Ausscheidungen auch nicht. Da hatte man zwei Jahre Vorbereitungszeit für das Finale.
Ist der Wettbewerb für Sie zu reglementiert?
Obauer: Ein paar Reglements muss es meiner Meinung nach geben und gerade bei solch einem Wettbewerb ist das wichtig.
Wie schätzen Sie die Gewinnchancen für Österreich in Stockholm ein?
Obauer: Man muss hier wirklich realistisch bleiben, aber ich denke, dass wir dank unserer sehr guten Vorbereitung und unseres Kandidaten Maximilian Aichinger eine reale Chance haben, uns für das Finale in Lyon zu qualifizieren.
Ist Maximilian Aichinger für Sie der ideale Kandidat?
Obauer: Maximilian ist jung, charismatisch, er kann was und ist vorzeigbar, also ja.
Wie viele Bewerbungen hatten Sie für den Bocuse d’Or?
Obauer: Insgesamt hatten wir knappe 40 Bewerbungen, davon blieb gut die Hälfte übrig, aus der wir selektiert haben. Wichtige Punkte bei der Auswahl des Kandidaten sind für mich der Lebenslauf, die Einstellung zum Beruf, der Einsatz und die Leidenschaft.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Wettbewerbs?
Obauer: Ich wünsche mir, dass Österreich, vor allem Parteien und Verbände, mehr sensibilisiert werden für die Kulinarik und den familiären Gedanken dabei nicht aus den Augen verlieren. Der Bocuse d’Or ist für uns als Land eine Chance, international noch bekannter zu werden.
www.obauer.com | www.bocusedor.at
Vorbereitung ist alles
Maximilian Aichinger vom Restaurant Appesbach am Wolfgangsee über seine Gewinnchancen und Erwartungen an Stockholm.
Wie bereiten Sie sich auf Stockholm vor?
Maximilian Aichinger: Bis Mitte Mai hat das Restaurant nur am Wochenende geöffnet, somit habe ich die großartige Gelegenheit mich unter der Woche vorzubereiten. Das sollte mir also genug Zeit geben.
Wie sind Ihre Erwartungen an den Wettbewerb?
Aichinger: Es wäre absolut lächerlich, jetzt schon zu behaupten, dass wir gewinnen. Was ich aber weiß, ist, dass wir unbedingt unter die ersten zwölf müssen, um uns für das Finale nächstes Jahr zu qualifizieren. Für Lyon würde ich mir genügend Zeit nehmen, mich vorzubereiten.
Denken Sie, dass Österreich mehr in den Bewerb investieren könnte?
Aichinger: Derzeit denke ich nicht. Ich werde von jedem unterstützt, wir haben ja auch einige Agenturen und Sponsoren, die vom Küchenhersteller zum Lebensmittelunternehmen reichen. Unterstützung gibt es genug, man muss sie nur finden.
Welches Land sehen Sie persönlich als Ihren härtesten Konkurrenten?
Aichinger: Ich möchte zwar niemanden unterschätzen, aber ich denke, dass auch heuer wieder die üblichen Verdächtigen, Frankreich, Dänemark und auch Island, stark vertreten sein werden.
Was würde der Bocuse-d’Or-Gewinn Österreich bringen?
Aichinger: Man darf eines nicht vergessen: dass wir in Österreich bereits gastronomisch top unterwegs sind. Trotzdem würde es keineswegs schaden, wenn Österreich durch einen Sieg oder eine gute Platzierung beim Bocuse d’Or international mehr an Bekanntheit gewinnt. Natürlich muss dafür auch die Werbetrommel gerührt werden. Ich denke aber, dass wir insgesamt gesehen auf einem guten Weg sind und langfristig auch gute Ergebnisse liefern werden.
Die Männer hinter der goldenen Statue
Paul Bocuse ist das Gesicht des nach ihm benannten Wettbewerbes. Aber wer zieht die Fäden im Hintergrund?
Der Bocuse d’Or ist unangefochten der renommierteste Kochwettbewerb weltweit. Den Gewinnern winkt lebenslanger Ruhm. Zwar ist der vielleicht noch nicht so nachhaltig wie jener des Initiators, aber definitiv eine Sache, um die es sich lohnt zu kämpfen. Und da sind wir schon beim springenden Punkt: Paul Bocuse träumte von einem Bewerb mit sportähnlichem Charakter. Gleiche Bedingungen für alle und der Beste möge gewinnen. So zumindest der hehre Gedanke. Doch beim genaueren Hinsehen wird die Frage aufgeworfen, ob sich Bocuses Gedanke auch noch heute realisieren lässt. Denn aus dem Wettbewerb ist längst eine gewinnbringende Maschinerie geworden. Doch für wen? Nur für den Kandidaten? Bei 20.000 Euro Preisgeld (wobei man hier gedanklich getrost die 1000 Euro Nenngeld abziehen kann) vermutlich nicht. Ein Blick auf die Fakten: Der heute 87-jährige Gründer Paul Bocuse stellte von Anfang an seinen Namen für die Kochshow der Superlative zur Verfügung und gilt auch als Gründer und Präsident. Doch der Veranstalter hat den Namen SEPELCOM. Die große Finalshow wird traditionell während der International Hotel Catering and Food Trade Exhibition SIRHA in Lyon abgehalten.
Zudem werden unter anderem die Schweizer und die amerikanische Nationalausscheidung von den GL events Exhibitions veranstaltet, die zu 30 Prozent an SEPEL, der Tochterfirma von SEPELCOM, beteiligt ist. Im ersten Halbjahr 2013 machte GL event einen weltweiten Umsatz von 214,3 Millionen Euro, was im Vergleich zum Vorjahr zwar ein Minus von 7,9 Prozent bedeutet, aber: Der weltweite Veranstalter setzte zur Zeit der International Hotel Catering and Food Trade Exhibition 2013, also während des Jahres der letzten Bocuse-d’Or-Finals, mehr als 93,9 Millionen Euro um. Gewinnbringend sind klarerweise auch die Sponsoringverträge. Unter kolportierten 100.000 Euro bis 130.00 Euro ist man beim Finale nicht dabei. Rechnet man also die 25 angegebenen Partner des Bocuse d’Or hoch, ergibt sich daraus die nicht unklägliche Summe von mehr als drei Millionen Euro. Die drei Hauptsponsoren, die bei den Live-Übertragungen in das französische TV quasi auch in jeder Einstellung zu sehen sind – schließlich brandet man die Kandidaten –, müssen da wohl auch noch ein wenig tiefer in die Tasche greifen. Übrigens: Das Institut Paul Bocuse zählt auch zu den Partnern und wird aus einer im Jahre 2004 gegründeten Stiftung finanziert …
Deutsche Kulinarik-Power
Patrik Jaros, Präsident des Bocuse d’or Deutschland, und Christian Krüger, Kandidat und Küchenchef im Mannheimer Restaurant Axt, im Doppelinterview über Hürden und Chancen des Bocuse d’Or.
Wie sind Ihre Erwartungen an den diesjährigen Bocuse d’Or?
Patrik Jaros: Die Europaausscheidung ist jedes Mal auch ein kleiner Ausblick auf das Finale in Lyon. Historisch gesehen sind die Länder, die in Europa auf den ersten paar Rängen sind, auch im Finale weit vorne. Das heißt, wir wollen unter die ersten elf kommen und haben, denke ich, einen klaren Vorteil. Der Warenkorb für Stockholm enthält Schweinekeule, Schweinefüße, Seelachs und Austern, alles Komponenten der deutschen Küche.
Wie wird Deutschland in Stockholm abschneiden, Herr Krüger?
Christian Krüger: Wie Patrik schon gesagt hat, wäre es wichtig, sich für das Finale zu qualifizieren. Das Sprungbrett für Lyon in Stockholm werden wir sicherlich schaffen.
Wie schätzen Sie die Gewinnchancen für Deutschland ein?
Krüger: Generell bin ich mal froh, dass ich nicht für Frankreich antreten muss. Da steht so eine Erwartungshaltung dahinter, das würde mir die Teilnahme erschweren. Ich finde, dass wir uns teilweise nur schwer weiterentwickeln und uns selbst eine Hürde dadurch schaffen. Wir sollten mehr Inspirationen aus dem Ausland oder auch von heimischen Kollegen holen und den Wettbewerb als Ganzes betrachten. Derzeit wäre es unrealistisch zu sagen, dass Deutschland gewinnen wird.
Jaros: Da hat Christian nicht ganz unrecht. Wir sollten mal zeigen, wie auch das Training für den Wettbewerb abläuft, einen Spannungsbogen zeichnen, damit die Menschen da draußen besser Bescheid wissen und dadurch mehr Interesse geweckt wird. Auch finde ich, dass sich Deutschland und Österreich mehr austauschen sollten, denn nur wir können uns gegenseitig befruchten und Ideen haben. Es ist auch wichtig zu zeigen, dass der Bocuse d’Or nicht in Deutschland aufhört, sondern internationale Wellen schlägt. Der Wettbewerb muss über Lyon hinaus weiterleben, denn erst wenn man darüber spricht, entsteht Interesse.
Das heißt, Sie wollen die PR-Trommel für den Bocuse d’Or in Zukunft kräftig rühren?
Jaros: Das ist sogar sehr wichtig, um die Gesellschaft und Politik mit der Thematik vertrauter zu machen. Wir wollen eine kleine Akademie etablieren, im Rahmen derer man sich mit der Industrie und Kollegen ein paar Mal im Jahr, außerhalb des Wettbewerbs, trifft und austauscht. Wichtig wäre es, alles zu hinterfragen und vor allem zu schauen, wie man Dinge verbessern kann.
Was könnte Deutschland noch tun?
Krüger: Wir müssten auf jeden Fall versuchen, den Staat zu motivieren, in den Wettbwerb zu investieren. Ähnlich wie in Skandinavien, dort zahlt der Staat Unsummen für Werbekampagnen und das lockt wiederum Touristen aus der ganzen Welt an. Der Einsatz würde sich auf jeden Fall auszahlen.
Was denken Sie, Herr Jaros?
Jaros: Wichtig wären PR- und Werbekampagnen, die den Wettbewerb in Deutschland auf die nächste Stufe heben. Ich denke aber, dass der Bocuse d’Or 2014 erwachsen geworden ist und es nun wichtig wäre, auch außerhalb des Wettbewerbs im Gespräch zu bleiben.