Das waren die Bar.Days 2023
Da kann man ganz laut ,WOW‘ sagen, wenn es schon mit einem der weltbesten Barkeeper losgeht“, sagt Linh Nguyen und strahlt begeistert über die erste Masterclass der Bar.Days auf der diesjährigen Rolling Pin.Convention in Graz. Die Rede ist von Marian Beke. Der steht nämlich gerade wie ein britischer Sir auf der Bühne und die aktuelle „Miss Amarena“ lauscht den Worten des Hohepriesters der „The Gibson Bar“ in London gebannt: „Ich verehre ihn“, sagt Linh noch, ehe sie sich ganz im gehaltvollen Wortteppich ihres Idols verliert.
Wir müssen dem Gast liefern, was er sucht, nicht, was wir mixen wollen!
Der slowakische Mixologie-Professor Stanislav Vadrna gibt eine klare Richtung vor
Gleich wird sie für solche Spontanfortbildungen ohnhin keine Zeit mehr haben: Die Vorjahressiegerin des „European Bartender Cups“ sitzt diesmal selbst in der Jury des Contests und der erste Durchgang für die Finalisten geht gleich los. Aber zum Glück hat es Beke eilig. Er muss nach Berlin, wo kürzlich seine zweite „Gibson Bar“ eröffnete. Also doziert er zügig, aber überzeugend über die „sieben wichtigsten Aromen in der Bar“ und verrät nebenbei, dass heuer noch weitere Gibson-Exklaven in Paris, Barcelona und Mailand aufsperren sollen. Der Mann hat es wahrlich geschafft, nicht nur hinter der Theke, sondern auch davor so richtig aufzutrumpfen. Das beste Beispiel eines Mixologen mit dem Gespür fürs Geschäft.
„Wir werden das Haus heute abbauen! Die Bartender sind da!“ Jetzt ist plötzlich pure Power auf der Stage. Name: Mario Hofferer. Der unverwechselbare Lockenkopf versteht es, das Publikum mit wenigen Worten mitzureißen. Der zweifache World-Champion und Host dieser dritten Bar.Days erwähnt nebenbei, dass die Industrie mittlerweile Schlange stehe, um einen Ausstellungsstand auf der Rolling Pin.Convention zu bekommen – und sei er auch noch so klein.
Auch die Reihen der Besucher sind eng besiedelt, Sitzplätze werden schon gegen Drinks gehandelt, denn die erste Runde des „Rolling Pin European Bartender Cup 2023“ steht an. 16 Rookies und Profis aus Österreich und Deutschland wollen ihn haben. Dementsprechend kreativ und ausgefallen sind die Kreationen der Bewerberinnen und Bewerber. Sie werden dem Motto der diesjährigen Convention wahrlich gerecht: „Breaking Walls“.
Auch die Jury ist mit hochkarätigen Mitgliedern wie Vorjahressiegerin Linh Nguyen, „Josef Bar“-Legende Philipp M. Ernst und „Liquid Diary“-Betreiber Damir Bušić wieder wirklich namhaft besetzt. Aus den Gläsern raucht es, Funken sprühen. Vor den Augen der Jury tun sich elektronische Hightech-Welten auf. Es geht Schlag auf Schlag – noch während über das Gezeigte beraten wird, trommelt Host Hofferer schon den nächsten Speaker auf die Bühne. Die Bühne bebt ohne Unterlass und Pause.
Aperitivo grandioso und grandiose Gewinner
„Salute, Graz!“ Dieser Mann hat den Aperitivo im Blut und gibt dieses Feeling auch gekonnt weiter: Nicola Olianas. So mixt man momentan in Milano. So verwendet man die Zutaten von Fratelli Branca richtig. So entwickelt der legendäre Fernet, für den der vielfach ausgezeichnete Italiener als eleganter Botschafter um die Welt düst, sein bestes Aroma.
Graz war zwei Tage der Bar-Nabel der Welt!
Host und World-Champion Mario Hofferer
Während sich die restlichen Teilnehmer des Bartender-Cups backstage auf den nächsten Wettbewerbsdurchgang vorbereiten, ertönt auf der Stage die erste Fanfare: It’s Award Time! Die Besten der Besten werden gekürt (siehe Seite 94) und plötzlich ertönt „The Game Is Here“.
Die knallharten Gitarrenriffs der US-Heavy-Metaller Skidraw lenken jetzt die geballte Aufmerksamkeit auf die atemberaubende Show der unumstrittenen Nummer eins der weltweiten Flair-Bartender. Der aus Lettland stammende Deniss Trifanovs ist on Fire. „Good to be back here“, ruft er und schon bleibt dem Publikum vor Staunen der Mund offen. Kaum verklingen Rauch und Schall der halbstündigen Show der Superlative, stehen sie fest, die Finalisten für den morgigen Speedmixing-Bewerb und den „European Bartender Cup“.
Michelin-Bar-Sterne und gesunde Cocktails
Unterdessen findet Mario Hofferer selbst ein bisschen Zeit und Luft für Inspirations. „Da kann ich mir auch noch einiges mitnehmen und in Krumpendorf gleich mal experimentieren“, schwärmt er gerade über die außergewöhnlichen Geschmackskombinationen aus der Molekular-Mixology, die Achim Šipl aus Tschechien vor seinen Augen in den Shaker zaubert. „Der ist gelernter Koch, so wie ich, da bekommt die ‚Liquid Kitchen‘ eine völlig neue Bedeutung“, sagt Hofferer in die Runde und auch ein bisschen zu sich selbst.
In die gleiche Kerbe schlägt wenig später Filippo Sisti aus Mailand. In seiner Masterclass „Liquid Cuisine Brainmade“ will der Superstar aus Italien gar gleich „die Seelen der Gäste mit Geschmäckern aus der Küche einfangen“. Wie gut ihm das generell gelingt, beweist der Mann täglich in seiner „Bar Talea e Vivarium“ in Mailand: Sie findet als einzige Bar der Welt im Guide Michelin Erwähnung. „Er ist ein Star, vor dem hab ich höchste Ehrfurcht und Bewunderung!“
Plötzlich hält Hofferer bedächtig inne. Kochlegende Wolfgang Puck macht spontan Halt bei den Bar.Days. „Ich bin ja neugierig, was es hier Neues gibt“, sagt er schmunzelnd. Und Hofferer lässt es sich nicht nehmen: „Schön, noch ein Kärntner, ganz aus meiner Nachbarschaft“, sagt er stolz.
Eine Lokalmatadorin und Cocktail-Queen aus Graz hat mittlerweile ihr Equipment auf der Bühne aufgebaut. Mit der Frage „Low and No ABV — wieso, weshalb, warum?“ startet Stephanie Sieber ihre Masterclass über alkoholfreie Cocktails, die gesunde Anwendung von Alkohol und erklärt ihr Prinzip der neuen „Genussheit“.
Unverzichtbar für jede ihrer Mixturen ist der „Qinta-Sirup aus dem Saftsack“, ebenfalls eine Erfindung aus der Murmetropole. „Es gibt keine bessere Methode, frische und naturbelassene Elixiere möglichst lange frisch zu halten.“ An Siebers Seite auch noch Ernährungsapostel Iain Bell aus Edinburgh, der mit seinen vielfältigen Micro Greens die Cocktails noch gesünder macht — egal ob mit oder ohne Alkohol.
Zen-Mixologie und ein Gewinner aus Graz
„Jetzt steigt sie schön langsam, die Nervosität!“ Daniel Süle von der „Sunny Bar“ in Bad Loipersdorf ist der jüngste der Finalisten, die um den begehrten Europa-Cup rittern. Doch noch ist die Entscheidung zwischen ihm, dem Lokalmatador Dominik Wolf und Sebastian Lachinger von der „Accanto Bar“ in Freistadt nicht aktenkundig. Jury-Präsident Marcus Siebert erlaubt sich einen kleinen Scherz am Rande: „Der Gewinner kommt diesmal aus Österreich!“
Bei rein österreichischen Akteuren keine große Kunst. Dann herrscht Stille im Auditorium, Stille auch deswegen, weil gerade der finale Speaker der Bar.Days die Bühne erklimmt. „Das ist eine Weltpremiere! Wir haben ein halbes Jahr mit ihm verhandelt, bis er endlich zugesagt hat“, macht es Hofferer mit der Routine eines US-Box-Moderators spannend. Langer Rübezahlbart. Wallendes grau-meliertes Haar. Verhaltene Stimme.
„Macht noch schnell ein paar Fotos und dann packt eure Handys gefälligst weg! Ich will meditativ interagieren!“ Mahnende Worte des Slowaken, der eher einem Alt-Hippie gleicht als einem anerkannten Barkeeper: Stanislav Vadrna. Seit seinem Nahtoderlebnis, ausgelöst durch einen Herzinfakt im Jahr 2006, lebt er privat und beruflich nach dem japanischen „Ichi go Ichi e“-Prinzip. Dieses beschreibt das kulturelle Konzept, die unwiederholbare Natur eines Augenblicks bewusst zu schätzen. „Es geht doch nur darum, den Moment zu schätzen“, setzt Vadrna jetzt an.
Seit meinem Nahtod-Erlebnis lebe ich ganz nach dem Ichi-go Ichi-e-Prinzip!
Der slowakische Mixologe Stanislav Vadrna bei seinem spektakulären Auftritt
Heißt für ihn auf die Bar umgelegt: „Wichtig ist, dem Gast zuzuhören, ihm das zu geben, was er will und nicht das, was der Bartender gerne mixen würde!“ Mehr mythologische, spirituelle Zen-Mixologie als Mixen mit harten Sprituosen. „Unglaublich, was man von Stan lernen kann. Ruhe und Gelassenheit im turbulenten Baralltag“, zeigt sich Hofferer beeindruckt.
Doch schon ist es wieder vorbei mit der Ruhe und dem Philosophieren. Das allerletzte Highlight steht an: „And the Winner is: Dominik Wolf!“ Mit seinem Siegercocktail „All in Green“ wird der Grazer just in seiner Heimatstadt als Sieger des „Rolling Pin European Bartender Cup 2023“ lautstark gefeiert.
Und Hofferer verabschiedet sich demütig: „Ich habe keine Ahnung, wie wir all diese Bar.Day-Highlights im nächsten Jahr noch toppen können. Wir werden uns bemühen!“ Freudentränen. Jubel. Und jetzt gibt’s auch für den Host einen Drink, den er genießen kann – und nicht analysieren muss.
DIE BAR.DAYS 2023
um dritten Mal fanden im Rahmen der Rolling Pin.Convention die von Mastermind und zweifachem Cocktail-Weltmeister Mario Hofferer gehosteten Bar.Days statt. Die besten, kreativsten Barkeeper aus dem In- und Ausland gaben sich die Shaker in die Hand: Marian Beke, Achim Šipl, Filippo Sisti oder Stanislav Vadrna präsentierten neuesteTrends und Techniken. Ausgezeichnet wurden zudem die 50 Best Bars, die besten Barkeeper, das beste Konzept und auch der „Rolling Pin European Bartender Cup 2023“ wurde vergeben. Der strahlende Gewinner nach dem knappen Finale: Dominik Wolf!
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