Dr. Badass: Wenn Kritik kritisch wird
Abgesehen davon, dass ich für ROLLING PIN eigenwillige Kolumnen schreibe, riskiere ich auch hin und wieder einen Abstecher in die Welt des kritischen Schreibens. Da geht’s um Kochkunst, Weine oder auch Spirituosen. Dabei benutze ich meine Position als Wächter des guten Geschmacks zum Nutzen für all jene, die es auch hören wollen. In der Hoffnung, dass meine lebenslange Leidenschaft zur Gaumenperfektionierung den Leser erziehen kann, ihn zu neuen gastronomischen Abenteuern führt und im besten Fall seine Grenzen erweitert. Obwohl Gourmetkritiker auf der Beliebtheitsskala ja meist als unterste Schublade gerade noch über blutgierigen Anwälten rangieren, ist ihr Zweck doch der, Küchenchefs auf Trab zu halten. Dabei geht es nicht darum als Kritiker Gott zu spielen, sondern es gilt zu verhindern, dass sich die Szene auf ihren Lorbeeren ausruht. Persönlicher Geschmack spielt da natürlich seit jeher eine signifikante Rolle, aber die grundlegenden Qualitäts- und Handwerkskunststandards zu bewahren, ist von außerordentlicher Wichtigkeit. Sich hier auch einmal auf der anderen Seite zu bewegen, ist auf jeden Fall kein Spaziergang. Wenn man Teil des gastronomischen Universums ist, vor allem in den Galaxien des Fine Dinings, dann ist es von Vorteil, wenn man eine dicke Haut wie ein Rhinozeros hat. Es ist eine einzigartige und abscheuliche Geschichte…
Abgesehen davon, dass ich für ROLLING PIN eigenwillige Kolumnen schreibe, riskiere ich auch hin und wieder einen Abstecher in die Welt des kritischen Schreibens. Da geht’s um Kochkunst, Weine oder auch Spirituosen. Dabei benutze ich meine Position als Wächter des guten Geschmacks zum Nutzen für all jene, die es auch hören wollen. In der Hoffnung, dass meine lebenslange Leidenschaft zur Gaumenperfektionierung den Leser erziehen kann, ihn zu neuen gastronomischen Abenteuern führt und im besten Fall seine Grenzen erweitert. Obwohl Gourmetkritiker auf der Beliebtheitsskala ja meist als unterste Schublade gerade noch über blutgierigen Anwälten rangieren, ist ihr Zweck doch der, Küchenchefs auf Trab zu halten. Dabei geht es nicht darum als Kritiker Gott zu spielen, sondern es gilt zu verhindern, dass sich die Szene auf ihren Lorbeeren ausruht. Persönlicher Geschmack spielt da natürlich seit jeher eine signifikante Rolle, aber die grundlegenden Qualitäts- und Handwerkskunststandards zu bewahren, ist von außerordentlicher Wichtigkeit. Sich hier auch einmal auf der anderen Seite zu bewegen, ist auf jeden Fall kein Spaziergang. Wenn man Teil des gastronomischen Universums ist, vor allem in den Galaxien des Fine Dinings, dann ist es von Vorteil, wenn man eine dicke Haut wie ein Rhinozeros hat. Es ist eine einzigartige und abscheuliche Geschichte, die wir da abliefern. Service als Dinner-Theater-Show. Denn in keinem anderen Bereich stehen die Künstler während der ganzen Produktion vor ihren Kritikern. Mit keiner Möglichkeit, irgendwohin zu verschwinden. Aber nicht nur vor Kritikern, meist ist man der gefährlichsten aller Spezies ausgesetzt: normalen Gästen. Jene, die schon irgendwo irgendwann zeit ihres Lebens irgendetwas gegessen haben. Vielleicht auch noch selbst zu Hause kochen, einen Weinkeller ihr Eigen nennen und sich selbstverständlich befähigt genug fühlen, jeden simplen Aspekt eines Dinnerabends zu bewerten. Und das noch dazu mit brutaler Ehrlichkeit. Denn Essen ist ein grundlegender Bestandteil des Lebens und die Essenz aller Gastfreundschaft. Wie schon der legendäre New Yorker Restaurateur Danny Meyer einmal schrieb: „Ein warmes Tuch und etwas zu essen sind die ersten Geschenke, die man als Mensch bekommt.“ Es ist genau dieser lebenswichtige Komfort, den wir alle mit ungeheurer Vehemenz, Stolz und Ehrgeiz verteidigen. Er treibt uns durch unseren 16-Stunden-Tag und zwingt uns dazu, niemals mit dem zweiten Platz zufrieden zu sein. Während ein Autor relaxt „Senden“ auf seinem MacBook drückt und somit den nächsten Bestseller abliefert. Und das womöglich auch noch an einem Traumstrand in der Karibik, wo im gleichen Moment eine Million Euro Honorar auf seinem Konto einlangt. Zwischenzeitlich schreiben sich die Kritiker die Finger wund, aber unser Autor bekommt davon auf seiner Insel wahrscheinlich gar nichts mit. Es ist auch egal. Er ist auf einer Insel und sein Konto voll. Der Rest von uns hingegen verbringt den ganzen Abend damit, sich von allen Kritikern Gang für Gang ein wohlwollendes Nicken abzuringen. Meine Mutter sagte immer: „Sieh es einfach so, Jus: Jeder Tritt in den Arsch ist ein Schubs in die richtige Richtung!“ Ich gebe meiner Mutter ja ungern recht, aber in diesem Fall trifft sie den Nagel auf den Kopf. Ich hasse selbst nichts mehr, als schlechte Kritiken zu lesen. Dennoch sind sie ein wichtiges Element bei dem, was wir tun. Niemand ist perfekt und es gibt immer Möglichkeiten, sich zu verbessern.
Es ist vielmehr von höchster Notwendigkeit, sich mit Kritiken konstruktiv zu beschäftigen, als sie persönlich zu nehmen. Und das führt mich auch schon zum nächsten Punkt. Ich schrieb kürzlich für eine bekannte Zeitung einen ganzseitigen Artikel über Gin. Dabei verglich ich mehrere beliebte Ginsorten und deren Trinkbarkeit als eigenständiger Drink. Also ohne Tonics, Früchte, Gemüse oder was auch immer. Da gab es ein paar der üblichen Verdächtigen, die das Wort Gin auf ihrem Label gar nicht verdienen. Damit würde ich nicht einmal meine Spüle daheim auswaschen. Und dann war da auch der Fall eines Herstellers, dessen Name hier aufgrund seines hart arbeitenden Master-Destillateurs nicht genannt werden soll. Als aufrichtiger Schreiber, der ich nun mal bin, konnte ich mich mit diesem Produkt nicht so wirklich anfreunden und verwendete Begriffe wie „extrem flach“, „wässrig mit Gummibärenaroma“ und „das Gegenteil von komplex“. Brutal? Ja. Ich weiß. Aber dieses Produkt stieß mir einfach sauer auf, nicht nur am Gaumen. Die Lebendigkeit dieses Gins gedeiht viel mehr auf einem gewissen Lokalpatriotismus denn auf seinen geschmacklichen Eigenschaften. Was ja eigentlich der Sinn des Artikels war, denn hätte ich die Marketingstrategie bewertet, wäre der Gin viel besser davongekommen. Aber der eigentliche Punkt ist: wie man auf Kritik reagiert, wenn sie auf einen trifft. Negativ zu reagieren, indem man es zulässt, dass durch spitze Schreibweise jegliche Diplomatie unterbunden wird, ist das schlechteste Szenario. Persönliche Beleidigungen zurückzuwerfen, ist ganz einfach unprofessionell und wirkt unreif. Den Gastautor, also mich, als „ungerechtfertigt“ und „selbstherrlich“ zu bezeichnen, ist auch nicht der Pfad der Erlösung. Vor allem nicht, wenn der Brief an jeden geschickt wird, außer an den Verantwortlichen. Mich. Nachdem auch meine „Sachkenntnis“ als unakzeptabel diskreditiert wurde und die Herrschaften selbst sich als Pioniere ihrer Branche bezeichneten, möchte ich hiermit eines klarstellen: Eine neue Wodka- oder Ginmarke zu kreieren, ist nicht „visionärer“, als ein Ferienhaus am Comer See zu besitzen. Unabhängig davon, ob wir jetzt von einem verärgerten Destillateur oder aufgebrachten Gast sprechen: Wie soll man darauf reagieren? Reaktionen aus dem Bauchgefühl heraus sind meist zu intensiv und führen zu schlechten Entscheidungen. Ich sage: Lies den Brief alleine in einem geschlossenen Raum. Irgendwo, wo du schreien, fluchen, lachen und weinen kannst. Dann hol tief Luft und fahr mit deinem Tag fort, als wäre nichts geschehen. Mit der Kritik kannst du dich auch noch zu einem späteren Zeitpunkt auseinandersetzen. Und wenn du dich mit den Gästen, die dich kritisierten, auseinandersetzt, sorge dafür, dass sie zu Fans werden und zu den treuesten Stammkunden. Zeig ihnen ganz einfach, für wie wichtig du ihre Meinung hältst und wie wichtig im Gegenzug dir deine gastronomische Familie ist. Gib ihnen die Chance, ihre Meinung zu ändern. Und wenn sie selbst eine geschulte Stimme haben, hör zu und lerne. Vielleicht haben sie ja sogar gute Ansätze, um dein Produkt zu verbessern? Kritikern verärgert einfach die Türe zuzuschlagen, sorgt nur dafür, dass diese sich in ihrer Meinung bestätigt fühlen und man so auch eine Handvoll potenzieller zukünftiger Fans verliert. Und das ist ein Spiel, bei dem niemand als Gewinner aussteigt.