Food-Blogger

Neue Gastrokritiker-Generation oder präpotente Pseudo-Foodexperten?
November 13, 2015

Fotos: Shutterstock, Wolfgang Hummer
Neue Gastrokritiker-Generation

Wolfram Siebeck ist kein Essengeher, sondern Gastrokritiker. Damit zählt er zu jener kleinen Gruppe von Menschen, die über Wortspender, die thematisch im selben Teich fischen, grundsätzlich erhaben sind. Ausnahmen aber bestätigen die Regel und so sorgte der deutsche Kritikerpapst für mächtig viel Wind im Blätter- und Netzwald, als er sich 2011 in einem Artikel in der „Zeit“ wortreich über Food-Blogger und deren mangelnde fachliche und journalistische Qualifikation ereiferte.

Angesichts der Tatsache, dass sich im Netz eine mittlerweile unüberschaubare Anzahl an Möchtegern-Kritikern herumtreibt, deren gastronomisches Urteilsvermögen sich irgendwo zwischen „So ein Mist!“, „Es gibt nur drei Brotsorten zur Auswahl, bei dem Preis!“ und „Der patzige Chef, wohl der Älteste in diesem Puff“ erschöpft, verzeiht man Siebeck den wenig professionellen Rundumschlag. Dass der harte Kritiker kurz nach der viel diskutierten Schmähschrift mit „Wo is(s)t Siebeck“ selbst unter die Blogger ging, darf wiederum als Indiz gewertet werten, dass auch ein honoriger Gourmet-Feuilletonist durchaus seinen Platz in der Food-Blogosphäre findet.

Küchenchefs Werk…
… und Bloggers Beitrag. Wahr ist: Die Food-Blogger-Szene wächst seit Jahren rasant, kaum ein kulinarisches Thema, das nicht im Internet aufgearbeitet wird. Ein guter Gradmesser für die Popularität…

Fotos: Shutterstock, Wolfgang Hummer
Neue Gastrokritiker-Generation

Wolfram Siebeck ist kein Essengeher, sondern Gastrokritiker. Damit zählt er zu jener kleinen Gruppe von Menschen, die über Wortspender, die thematisch im selben Teich fischen, grundsätzlich erhaben sind. Ausnahmen aber bestätigen die Regel und so sorgte der deutsche Kritikerpapst für mächtig viel Wind im Blätter- und Netzwald, als er sich 2011 in einem Artikel in der „Zeit“ wortreich über Food-Blogger und deren mangelnde fachliche und journalistische Qualifikation ereiferte.

Angesichts der Tatsache, dass sich im Netz eine mittlerweile unüberschaubare Anzahl an Möchtegern-Kritikern herumtreibt, deren gastronomisches Urteilsvermögen sich irgendwo zwischen „So ein Mist!“, „Es gibt nur drei Brotsorten zur Auswahl, bei dem Preis!“ und „Der patzige Chef, wohl der Älteste in diesem Puff“ erschöpft, verzeiht man Siebeck den wenig professionellen Rundumschlag. Dass der harte Kritiker kurz nach der viel diskutierten Schmähschrift mit „Wo is(s)t Siebeck“ selbst unter die Blogger ging, darf wiederum als Indiz gewertet werten, dass auch ein honoriger Gourmet-Feuilletonist durchaus seinen Platz in der Food-Blogosphäre findet.

Küchenchefs Werk…
… und Bloggers Beitrag. Wahr ist: Die Food-Blogger-Szene wächst seit Jahren rasant, kaum ein kulinarisches Thema, das nicht im Internet aufgearbeitet wird. Ein guter Gradmesser für die Popularität von Food-Blogs ist der von „Brigitte“-Ressortleiterin und Bloggerin Stefanie Luxat initiierte Brigitte-Food-Blog-Award: Laut Luxat nahmen daran 2011 satte 394, überwiegend deutschsprachige, Food-Blogs teil. Neben der großen Masse an Rezeptblogs gewinnen vor allem Gastrokritik-Blogs und Bewertungsportale wie Qype, Yelp & Co. immer mehr an Boden. Selbst der honorige Guide Michelin ist mittlerweile auf den Zug aufgesprungen: Er startete kürzlich ein Online-Portal, auf dem auch Normalos ihren Senf zur Sterneküche dazugeben dürfen.

Stevan Paul, einer der renommiertesten Food-Blogger Deutschlands, begrüßt das Nebeneinander von Print- und Netzkritikern, zumal „hier wie dort die einzig ausschlaggende Währung das Vertrauen der Leser ist und Blogs grundsätzlich eine tolle Ergänzung zu klassischen Food-Publikationen darstellen.“ Die Schattenseiten der demokratischen Restaurantbewertung liegen aber auch für ihn auf der Hand: „Ich bin selbst gelernter Koch und fühle mich Menschen sehr verbunden, die sich mit unqualifizierten Restaurantverrissen, wie denen auf Qype, herumschlagen müssen. Solche Plattformen sind glänzende Negativbeispiele dafür, was passiert, wenn sich jeder dazu berufen fühlt, über Gerichte und Gastronomen zu urteilen.“ Schlechten Texten und unqualifizierten Negativ-Argumenten sagt Paul auf seine Art und Weise den Kampf an: Seine Rezensionen sind ausnahmslos positiv. Zahnlos sei dieses System der Auszeichnung, meinen manche. Seine Antwort: „Was einen weiterbringt, ist das gute Produkt, nicht das schlechte. Ich habe weder Zeit noch Lust, den Müll zu besprechen.“

Die Macht des Mobs?
Wie viel Macht haben die Blogger nun wirklich und wessen Wort – das des Foodies oder das des Gastrokritikers – hat am Ende mehr Gewicht? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort, denn welche Form der Bewertung für die Restaurantbesucher von morgen ausschlaggebend ist, lässt sich an keinem bestimmten Faktor festmachen. Geht es nach Stevan Paul, dann sind Blogger und Kritiker in puncto Seriösität gleichauf, denn „beide sind bestenfalls Laien, wenn auch die eine Gruppe streckenweise über etwas mehr Fachwissen verfügt“. Und was kann man als Gastronom gegen willkürliche Verunglimpfungen im Netz tun?

Rechtlich gesehen sind die Möglichkeiten, sich zu wehren, beschränkt oder münden in langwierigen Gerichtsverfahren. Stefanie Luxat rät deshalb zur Prävention: „Jeder Gast ist ein Multiplikator, positiv wie negativ. Ich kann nur dazu raten, jeden Gast wichtig zu nehmen, eben weil man nicht weiß, wen man vor sich hat.“ Da kann ich nur zustimmen. Ich bin nämlich kein Kritiker und auch kein Blog-Star, aber leidenschaftlicher Essengeher. Am liebsten übrigens bei meiner besten Freundin Eva, die genial kochen kann. Und einen großartigen Food-Blog betreibt.

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Hendrik OttoDie demokratische Misere
2-Sterne-Koch und Küchenchef des Lorenz Adlon Berlin, Hendrik Otto, hat kein facebook-Profil und ist auch sonst wenig sozial medial unterwegs. Mit den Gourmetkritikern 2.0 hat er kein Problem – solange sie seriös arbeiten und urteilen.

Sind Food-Blogger die neuen Kritikerstars?
Hendrik Otto: Das würde ich nicht sagen, obwohl ihr Einfluss nicht wegzuleugnen ist. Blogger haben jedenfalls ihre Berechtigung, aber man muss eine klare Trennlinie zwischen seriösen und unseriösen Blogs und Plattformen ziehen.

Geben Sie uns ein „unseriöses“ Beispiel?
Otto: Wenn jemand etwa versucht, sich einen finanziellen Vorteil bei einem Restaurantbesuch zu verschaffen, nur weil er seine Meinung im Netz oder sonst wo kundtun darf, dann ist das unseriös. Und was mich sehr wütend macht, ist, wenn Restaurantkritiken von Leuten auf Blogs oder in Zeitschriften landen, die gar nie persönlich in diesem Restaurant zu Gast waren. So etwas passiert leider sehr oft.

Wie geht man als Küchenchef mit negativen Kritiken im Netz um?
Otto: Sofern sie sachlich fundiert ist, sollte man jede Kritik ernst nehmen. Im Grunde ist jeder Gast ein Kritiker, um den man kämpfen muss. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand meine Arbeit sachlich kommentiert oder bewertet. Das lässt sich im Internetzeitalter ja ohnedies nicht vermeiden.

Auf der Guide-Michelin-Website ist es nun auch Laien möglich, Sternerestaurants zu bewerten. Was halten Sie davon?
Otto: Wenn ehrliche Erfahrungen geteilt werden und die Betreiber im Auge behalten, was dort passiert, ist das okay. Aber wenn gezielt Stimmung gemacht wird, kann so ein Angebot schon problematisch werden. Aber so oder so: Blogs und Foren werden den klassischen Gourmet-Führer nicht ablösen.

Blog Stars oder Farce

Gut gebrüllt, Löwe!
Blog-Stars oder Blog-Farce? So erkennen Sie die Guten.

Bling-Bling, ade!
Werbebanner-Wahnsinn und Lobeshymnen auf den neuen Olivenölhersteller? Das schreit nach Unseriosität. Sparen Sie sich’s.

Der Gesamteindruck
Ein guter Blog funktioniert wie ein gutes Restaurant: Handwerk, Kreativität, Ambiente und Persönlichkeit zählen.

Maulzerreisser? Hosenscheisser!
Wer nur negative Vibes verbreitet, ist sehr alleine, sehr frustriert oder einfach nur sehr peinlich. Also: nur ausgewogenen Kritiken vertrauen.

Die Mischung macht’s
Makrobiotik? Toll! Aber bitte nicht ausschließlich. Ein interessanter und aktueller Mix an Themen macht einen guten Blog aus.

Profil zeigen
Schreibwütige Nachteulen, die auf ihren Blogs gesichts- und namenlos bleiben? Feig. Finger weg von anonymen Blogs.

Die 3 besten Food-Blogs

nutriculinarywww.nutriculinary.com
Stevan Paul ist Blogger vom Fach: Der gelernte Koch arbeitet als Autor, Foodstylist und freier Journalist für kulinarische Magazine und Tageszeitungen. Auf nutriculinary verzichtet er größtenteils auf Rezepte, bietet seiner Leserschaft dafür einen bunten und breiten Mix rund um das Thema Kulinarik – anspruchsvoll, unterhaltsam und informativ.
Top: breiter Themenmix, tolle Texte

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deliciousdayswww.deliciousdays.com
Nicole Stichs Food-Blog zählt zu den erfolgreichsten und bekanntesten überhaupt – da sie auf Englisch bloggt, übrigens nicht nur im deutschsprachigen Raum. Inspirierende Rezepte, schmackhafte Reisereportagen, Kochbuch-Rezensionen und lebensnahe Geschichten von Erfolgen und Misserfolgen am heimischen Herd.
Top: tolle Food-Fotografie, sehr lebensnah

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sternefresserwww.sternefresser.de
Eine vierköpfige Clique aus Food-Enthusiasten betreibt diese wohl bekannteste und qualitativ hochwertigste Online-Restaurantkritik-Plattform. Anspruchsvoll, ein wenig verrückt, aber sehr professionell. Von vielen, die verstanden haben, was Küche und Kulinarik bedeutet, als neuer ultimativer Gourmet-Guide gefeiert.
Top: gnadenlos ehrlich, gnadenlos gut

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