Modelling of Excellence
Fotos: Hering Berlin, Kahla Porzellan, Zieher
Wer kennt sie nicht, die erfolgsverwöhnten und dauerbeklatschten Gastronomen, die auf die Frage nach dem Geheimnis ihres Ruhms die eigene Großartigkeit mit Sätzen wie „Wir haben nie ein bestimmtes Konzept verfolgt, sondern einfach gemacht, was uns Spaß macht“ oder „Wir waren eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ unterstreichen? Das klingt zwar verdammt schick, ist aber in etwa so glaubwürdig wie Unschuldsbekundungen diverser Doktortitel-Erschleicher. Denn auch der schlaueste Fuchs ist nicht von Geburt an Innenarchitekt, Logodesigner, Sternekoch und Concept-Art-Künstler in Personalunion und stampft in gefühlten drei Minuten ein aufregendes, neues und vor allem stimmiges Konzept aus dem Boden. Fakt ist: Innovationen mögen ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Gastronomie sein, das Rad wird aber nun mal nicht jeden Tag neu erfunden – und das muss es auch gar nicht.
Wer Teile bereits bestehender Ideen und Konzepte gekonnt für das eigene Restaurant, die eigene Bar oder das eigene Hotel zu nutzen weiß, ist nämlich…
Fotos: Hering Berlin, Kahla Porzellan, Zieher
Wer kennt sie nicht, die erfolgsverwöhnten und dauerbeklatschten Gastronomen, die auf die Frage nach dem Geheimnis ihres Ruhms die eigene Großartigkeit mit Sätzen wie „Wir haben nie ein bestimmtes Konzept verfolgt, sondern einfach gemacht, was uns Spaß macht“ oder „Wir waren eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ unterstreichen? Das klingt zwar verdammt schick, ist aber in etwa so glaubwürdig wie Unschuldsbekundungen diverser Doktortitel-Erschleicher. Denn auch der schlaueste Fuchs ist nicht von Geburt an Innenarchitekt, Logodesigner, Sternekoch und Concept-Art-Künstler in Personalunion und stampft in gefühlten drei Minuten ein aufregendes, neues und vor allem stimmiges Konzept aus dem Boden. Fakt ist: Innovationen mögen ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Gastronomie sein, das Rad wird aber nun mal nicht jeden Tag neu erfunden – und das muss es auch gar nicht.
Wer Teile bereits bestehender Ideen und Konzepte gekonnt für das eigene Restaurant, die eigene Bar oder das eigene Hotel zu nutzen weiß, ist nämlich oftmals sogar erfolgreicher als das Original. Das vielleicht berühmteste Beispiel in der Geschichte des gekonnten Abkupferns liefert übrigens ein Unternehmen, das mit einem lustigen Clown, Kinderspielplätzen und extrasüßen Burger-Buns die Welt eroberte: McDonald’s. Erfinder des kostengünstigen Hamburger-für-alle-Systems war nämlich ein gewisser Mister Walter Anderson, der 1921 in seinem White-Castle-Restaurant die Massen mit quadratischen Fleischlaibchen zu Einheitspreisen begeisterte. McDonald’s pickte sich bei der Konzeption seiner Restaurants die wesentlichsten Innovationen Andersons – darunter unter anderem die Form und Zubereitung der Hamburger-Pattys sowie die in allen Filialen standardisierten Abläufe – heraus und übertrumpfte das Original innerhalb kürzester Zeit. Im Mittelwesten Amerikas gibt es heute noch etwa 400 White Castle Filialen, bei Mc Donald’s kann man weltweit etwa 32.000 Mal einkehren.
Im Fachjargon nennt man dieses Prinzip des erfolgreichen Nachahmens Modelling of Excellence oder auch Benchmarking. Benchmarking-Beispiele in der Gastronomie gibt es zwar zuhauf, nicht alle fallen allerdings in die Kategorie Erfolgsgeschichte. Denn schnödes Abkupfern alleine führt maximal dazu, sich mit dem (mehr oder weniger) eigenen Konzept von der Bedeutungslosigkeit ins Mittelmaß zu katapultieren – ganz sicher aber nicht an die Spitze. Und wer sich gar ohne jeden Plan wahllos bei den Ideen des Mitbewerbs bedient und in einem bayerischen Dorf ein Take-away-Asia-Restaurant mit Edel-Proll-Charme aufmacht, hat jedenfalls verloren. Die Kunst des Modelling of Excellence liegt darin, Erfolgsfaktoren der anderen zu identifizieren und unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten – etwa Standort, Klientel, Personalkapazität und natürlich Küchenlinie – die dicksten Fische aus dem Teich zu holen. Eine andere Idee 1:1 über das eigene Haus stülpen zu wollen, ist nicht nur wenig ehrenhaft, sondern auch pure Geld- und Zeitverschwendung.
Zwischen Innovation und Imitation
Ob ein Restaurantkonzept von den Gästen als gelungen oder erzwungen wahrgenommen wird, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Die viel zitierte perfekte Harmonie ergibt sich aus dem, was der Gast sieht, spürt und schmeckt. Abgesehen vom Essen selbst beurteilen viele Gäste ihre unmittelbare Umgebung und das Gesamtbild, das sich ihnen bietet, am kritischsten. Großes Stolpersteinpotenzial bietet hier vor allem der Tisch, denn hier verbringt der Gast die meiste Zeit. Wäre der Gastraum eine Bühne, ist der Tisch das wichtigste Bühnenelement. Hier muss absoluter Einklang mit dem Basiskonzept des Hauses herrschen, egal wie dieses auch aussehen mag. So mögen Universalgläser momentan zwar im Trend liegen, in einem klassischen gehobenen Wirtshaus würde Bier, das in einem Glas ähnlich dem klassischer Weißweingläser ausgeschenkt wird, allerdings für Irritationen sorgen. In einem minimalistisch angehauchten Gourmettempel wie jenem von Juan Amador in Mannheim folgt der Tabletop klar der modernistischen Küchenlinie – schnörkellos. Würde man in dieser puristischen Umgebung an einem klassisch gedeckten Tisch wie etwa jenem von Heinz Winkler in Aschau Platz nehmen, Amadors Küche wäre entzaubert.
Es gibt keine guten und keine schlechten Konzepte, nur gute und weniger gute Umsetzungen. Wer sich von jedem Land, das er bereist, und jedem Kollegen, den er bewundert, ein Stückchen abschaut und lernt, diese Anregungen auf das eigene Konzept zu übertragen, hat gute Karten. Und um Ihnen die Suche nach ein paar Inspirationen für das eigene Projekt zu erleichtern, stellen wir Ihnen hier drei unterschiedliche Restaurants vor, die mit der perfekten Kombination aus Küche, Service, Tabletop und Interieur zu punkten verstehen.
Klassik
Residenz Heinz Winkler: Opulenz auf ganzer Linie
Design-Konzept: Der Name Residenz verrät es schon: In Heinz Winklers Sternerestaurant in Aschau isst man nicht, man tafelt. Die Räumlichkeiten und das Interieur der spätmittelalterlichen Anlage bieten italienisch-barocke Opulenz mit einem Hauch französischer Klassik. Elegante Stoffe und Muster in Pastelltönen, Marmor, dunkles Holz, Silber und Gold dominieren, trotzdem wirkt das Gesamtbild nicht überladen.
Tabletop: rechteckiger Beistelltisch, bodenlange weiße Damast-Tischtücher, Damast-Servietten, Silbergedeck für Vorpeise und Hauptgang, Dessertlöffel, Porzellan-Brotteller, Brotmesser, gläserner Platzteller, Weißwein-, Rotwein- und Wasserglas klassisch eingestellt, saisonales Blumendekor.
food-konzept: Mit der Cuisine Vital hat sich der Grandseigneur der deutschen Sterneküche neu erfunden: ausgeprägter Nouvelle-Cuisine-Touch, allerdings in einer modernen und leichten Version.
Servicekonzept: Der Gast ist König, und wird auch so behandelt. Zum entschleunigenden Champagner-Aperitif wird man an die Bar geführt, erst dann an den Tisch. Champagner- und Weinwagen gehören ganz selbstverständlich dazu, Fisch und spezielle Fleischspeisen werden am Tisch filetiert beziehungsweise flambiert. Die Pâtisserie-Auswahl zum Abschluss des Menüs kommt auf einem kleinen silbernen Wagen zum Gast. Eine Selektion hausgemachter Pralinen gibt’s als Abschiedsgeschenk.
Bodenständig
Steirereck am Pogusch: mit Schirm, Charme und Authentizität
Design-Konzept: Das Haus stammt aus 1616 und passend zur Bergkulisse präsentiert die Familie Reitbauer sich im Steirereck am Pogusch bäuerlich-urig mit einem Touch Eleganz: schwere Holztische, Leinenkissen, alte Truhen, teilweise weiße Sesselhussen, dominierende Farben sind Braun und Weiß.
Tabletop: besticktes Leinen-Tischtuch, weiße Porzellan-Menage, Brotkorb, saisonale Blumendeko, handgeschriebene Schiefertafeln bei Spezialmenüs, Brotteller, Brotmesser, bestickte Leinenservietten, Wassergläser, Silber-Gedeck für Hauptgang.
Food-Konzept: haubengekrönte klassische Wirtshausküche mit stark regionalem Bezug. Von den Gästen besonders geschätztes Highlight: Wurzelspeck zum Selbstaufschneiden als Amuse Gueule, dazu Bauernbrot und -butter. Selbst gebrautes Bier und Wasser aus der hauseigenen Quelle als Draufgabe.
Servicekonzept: In der Speisekarte wird österreichisch gesprochen und geschrieben, regionale Spezialitäten werden auch in Mundart ausgeschrieben. Zusatzgedecke je nach Speisenwahl, Weingläser werden gangweise eingestellt. Nachhaltig beeindruckendes und sehr geselliges Extra beim Käsegang: Ein mit Holzkohle befeuerter Tischofen sorgt für echtes Savoyarde-Fondue-Feeling.
Trend
Speisesaal Graz: Amerika meets Altbau
Design-Konzept: Klar auf ein junges, urbanes Publikum ausgelegt ist das Design-Konzept des Speisesaals gänzlich auf die unkonventionelle Symbiose aus Alt und Neu ausgerichtet: Kleine Diner-Tische, ein bunter Mix aus unterschiedlichsten Stühlen, Kronleuchter, Wandfresken, edle Vorhänge, freigelegte Abflussrohre und ein DJ-Pult im Bereich der Bar verschmelzen zum schicken Ganzen.
Tabeletop: mit Informationen über das Lokal und die Speisekarte in unterschiedlichen Typografien bedruckte Tischläufer aus Papier, Speisekarte, klassische Pfeffer- und Salzstreuer, Diner-Servietten. Als Platzteller, auf denen auch serviert wird, dienen teilweise Kaffehaustabletts, die mit Zeitungspapier ausgelegt sind. Die Teller sind aus Porzellan, das Beilagen-Geschirr ist teilweise aus buntem Plastik oder anderen Materialien wie Messing.
Food-Konzept: ebenso bunt wie das Interieur: Burger neben Spaghetti Carbonara, Döner neben Lamb Stew, Fischcurry neben steirischen Klassikern wie G’setzter Henn. Sehr internationale Getränkekarte.
Servicekonzept: Eingedeckt wird erst nach der Bestellung, zu jedem Gang kommen passende Gewürze und Saucen auf den Tisch. Kein Extra-Service wie À-la-minute-Zubereitung am Platz.
Leitfaden für den Porzellan-Kauf
Die Vielfalt ist groß, die Kombinationsmöglichkeiten sind unbegrenzt und egal, welches Konzept man auch verfolgt: Porzellan muss einfach auf den Tisch. Damit Sie beim Kauf niemand über selbigen zieht, gibt’s hier ein paar schlaue Tipps rund ums weiße Gold.
Der feine Unterschied
Kleine Materialkunde zur Einstimmung: Porzellan ist die feine Variante von Keramik und besteht aus den Rohstoffen Kaolin (Porzellanerde), Quarz und Feldspat. Um herauszufinden, ob es sich um echtes Porzellan handelt, prüfen Sie zuerst die Lichtdurchlässigkeit. Transparenz ist ein eindeutiges Merkmal für echtes Porzellan. Außerdem muss bei leichter Berührung ein heller Klang den Raum erfüllen.
Hart im Nehmen
Porzellan lässt sich in Hart- und Weichporzellan unterteilen. Das in der Gastronomie hauptsächlich verwendete Hartporzellan weist einen höheren Kaolinanteil (50 Prozent) auf, wird bei sehr hohen Temperaturen von über 1400 °C gebrannt, ist extrem kratzfest und lässt sich durch Zusetzung von Metalloxiden leicht einfärben. So entstehen etwa Elfenbeinporzellan, Rosaporzellan, blau glasiertes Kobaltporzellan oder schwarzes Porzellan.
Chinesisch für Anfänger
In China wird zwar hauptsächlich das weniger widerstandsfähige Weichporzellan hergestellt, wenn man aber von „Bone China Porzellan“ spricht, hat das mit China rein gar nichts zu tun. Porzellan heißt auf Englisch nämlich China. Bone China ist ein Weichporzellan und wird auch Knochenporzellan genannt, enthält 50 bis 60 Prozent Knochenasche und wird bei 1240 bis 1280 °C gebrannt. Bone China ist strahlend weiß und extrem lichtdurchlässig.
Qualität im Handumdrehen
Handarbeit kann nun mal durch nichts ersetzt werden. Wenn Sie sich fragen, warum etwa Biskuitporzellan – unglasiertes Porzellan mit einer leicht rauen, samtenen Oberfläche, das sehr zart aussieht aber extrem stabil ist – so verdammt teuer ist, dann sei Ihnen verraten, dass diese Stücke frei gedreht sind, also als Einzelstücke auf der Töpferscheibe gestaltet und von Hand verschwämmelt, also von Gießnähten und Unebenheiten befreit werden
Süßer die Kassen nie klingeln
Nicht nur guter Rat, auch gutes Porzellan ist teuer. Die Preise reichen von etwa zwölf Euro für einen soliden und stylishen Hartporzellanteller von deutschen Qualitätsherstellern bis zu weit über 100 Euro für Stücke aus Biskuitporzellan. Wer auf Langlebigkeit Wert legt, sollte jedenfalls nicht beim Porzellan mit dem Sparen anfangen. Und wer nichts Passendes findet, der kann es ja wie Heiko Antoniewicz machen und seine eigene Linie designen lassen.