Eine Frage der Ehre
Fotos: Monika Reiter
Es werfe den ersten Stein, wer noch nie eine Gelatine angerührt hat. Niemand? Betretenes Schweigen. Wegen der Scham und Verschwiegenheit der Köche haben Convenience-Produkte immer noch mit ihrem schlechten Ruf zu kämpfen. Wegen des schlechten Rufs schweigen sie. Ein Teufelskreis, der im persönlichen Stolz und der Ehre jeden Kochs begründet liegt. Dabei ist es eigentlich nur der Name, der mit der Negativität zu kämpfen hat. Convenience-Produkte sind nämlich bereits die Lebensmittel, die einen höheren Bearbeitungsgrad als die rohe Ware aufweisen und durch bestimmte Verfahren haltbar gemacht werden. Das fängt lange nicht bei der Dosensuppe an, sondern bereits bei Gelatine, Backpulver, Schokoladenhohlkörpern, Mehl und Co. Es gibt also Unterschiede in der großen Kategorie Convenience, die sich die Industrie zu Recht zum Vorteil macht: Von Stufe eins (küchenfertig wie Tiefkühlgemüse), Stufe zwei (garfertig wie Tiefkühlrahmspinat) über Stufe drei (mischfertig wie Kartoffelpüreepulver) und Stufe vier (regenerierfertig wie Dosenravioli) bis zu Stufe fünf (verzehrfertig wie Salatmischungen) gibt es alles auf dem Markt für Endverbraucher wie auch Gourmetgastronomen oder Großküchen. Dadurch bedient die Industrie einen sehr großen Markt. Gastro-Kunden kaufen besonders gerne aus dem Lebensmitteltrockensortiment: Rund 27 Prozent gehen auf Nudeln, Reis und anderes Trockenes zurück. 16 Prozent Molkereiprodukte wie Milch, Joghurt und Molke werden auch gerne von Gastronomen gekauft – auch alles Convenience-Food.
Ob die Käufer es nun zugeben wollen oder nicht, kann der Industrie egal sein: Die Hersteller von Tiefkühlgemüse, Nudeln, Joghurt und Getränkepulvern lachen sich ins Fäustchen und schreiben ohne Ende schwarze Zahlen. Komisch, wenn scheinbar keiner die Instantsuppe kauft. Dabei muss man sich dafür gar nicht schämen. „Wir liefern die soliden Basisprodukte – eine sinnvolle Unterstütz-ung –, die Köche mit ihrem Wissen und nach den eigenen Vorstellungen verfeinern können. Wir wollen Köche nicht ersetzen“, erklärt Markus Pfarrhofer, Geschäftsführer von Nannerl. Nannerl bietet von Kräutern bis hin zu Müslimischungen oder Kartoffelpüreepulver eigentlich alles an. Letzteres verkauft sich übrigens super – fünf verschiedene Sorten Kartoffelpüreepulver, die allesamt ihre Abnehmer in der Gastronomie und Hotellerie finden. Genauso wie die anderen 800 Produkte. Nimmt man die Küchen und Lagerstätten der Gastronomie genau unter die Lupe, entlarven sich viele Produkte als Convenience-Food. Dieses Küchensystem, in dem Brot aus Backmischungen gebacken wird und Fisch aus dem Tiefkühler kommt, hat sogar schon einen Namen. Es nennt sich Cuisine d’assemblage: Es handelt sich um eine Kombination aus…
Fotos: Monika Reiter
Es werfe den ersten Stein, wer noch nie eine Gelatine angerührt hat. Niemand? Betretenes Schweigen. Wegen der Scham und Verschwiegenheit der Köche haben Convenience-Produkte immer noch mit ihrem schlechten Ruf zu kämpfen. Wegen des schlechten Rufs schweigen sie. Ein Teufelskreis, der im persönlichen Stolz und der Ehre jeden Kochs begründet liegt. Dabei ist es eigentlich nur der Name, der mit der Negativität zu kämpfen hat. Convenience-Produkte sind nämlich bereits die Lebensmittel, die einen höheren Bearbeitungsgrad als die rohe Ware aufweisen und durch bestimmte Verfahren haltbar gemacht werden. Das fängt lange nicht bei der Dosensuppe an, sondern bereits bei Gelatine, Backpulver, Schokoladenhohlkörpern, Mehl und Co. Es gibt also Unterschiede in der großen Kategorie Convenience, die sich die Industrie zu Recht zum Vorteil macht: Von Stufe eins (küchenfertig wie Tiefkühlgemüse), Stufe zwei (garfertig wie Tiefkühlrahmspinat) über Stufe drei (mischfertig wie Kartoffelpüreepulver) und Stufe vier (regenerierfertig wie Dosenravioli) bis zu Stufe fünf (verzehrfertig wie Salatmischungen) gibt es alles auf dem Markt für Endverbraucher wie auch Gourmetgastronomen oder Großküchen. Dadurch bedient die Industrie einen sehr großen Markt. Gastro-Kunden kaufen besonders gerne aus dem Lebensmitteltrockensortiment: Rund 27 Prozent gehen auf Nudeln, Reis und anderes Trockenes zurück. 16 Prozent Molkereiprodukte wie Milch, Joghurt und Molke werden auch gerne von Gastronomen gekauft – auch alles Convenience-Food.
Ob die Käufer es nun zugeben wollen oder nicht, kann der Industrie egal sein: Die Hersteller von Tiefkühlgemüse, Nudeln, Joghurt und Getränkepulvern lachen sich ins Fäustchen und schreiben ohne Ende schwarze Zahlen. Komisch, wenn scheinbar keiner die Instantsuppe kauft. Dabei muss man sich dafür gar nicht schämen. „Wir liefern die soliden Basisprodukte – eine sinnvolle Unterstütz-ung –, die Köche mit ihrem Wissen und nach den eigenen Vorstellungen verfeinern können. Wir wollen Köche nicht ersetzen“, erklärt Markus Pfarrhofer, Geschäftsführer von Nannerl. Nannerl bietet von Kräutern bis hin zu Müslimischungen oder Kartoffelpüreepulver eigentlich alles an. Letzteres verkauft sich übrigens super – fünf verschiedene Sorten Kartoffelpüreepulver, die allesamt ihre Abnehmer in der Gastronomie und Hotellerie finden. Genauso wie die anderen 800 Produkte. Nimmt man die Küchen und Lagerstätten der Gastronomie genau unter die Lupe, entlarven sich viele Produkte als Convenience-Food. Dieses Küchensystem, in dem Brot aus Backmischungen gebacken wird und Fisch aus dem Tiefkühler kommt, hat sogar schon einen Namen. Es nennt sich Cuisine d’assemblage: Es handelt sich um eine Kombination aus frischen und Convenience-Produkten, die besonders Personal in Großküchen das Leben erleichtern, da das Kochen flexibel und zeitsparend ist.
Frische Vorteile, abgelaufene Nachteile
Natürlich soll kein Koch einfach nur eine gewürzte Gemüsemischung in die Mikrowelle geben und dies seinen Gästen verkaufen. Aber die Vorteile von Convenience-Food von der Stufe eins bis Stufe drei liegen auf der Hand: Bequemlichkeit und damit eine Ersparnis von Zeit, Geld und Handling. Besonders in Stoßzeiten lassen sich so Minuten bis Stunden sparen. Vergleicht ein Geschäftsmann Fachpersonalkosten mit den Preisen von vorgefertigtem Blätterteig oder portioniertem und vorgewürztem Fleisch in Sous-vide-Beuteln, muss er sich zwangsläufig für die Convenience-Produkte entscheiden. Fachpersonal ist teuer. In Zeiten des Fachkräftemangels sind verfeinerte Basisprodukte eine mögliche Alternative. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass Köche ersetzt werden sollen. Jürgen Mann, Gesellschafter von Hampp Texturas, einem Online-Shop, über den Convenience-Produkte – auch aus der Feder von Ferran Adrià – vertrieben werden, erklärt, wie er Convenience-Produkte einschätzt: „Köche aus der Gastronomie und Hotellerie können mit vorgefertigten Produkten Zeit sparen und trotzdem eine sehr gute Qualität anbieten. Besonders unser Caviaroli ist ein gutes Beispiel. Kaviar aus Olivenöl – eine Menge Arbeit, wenn man es selber machen will.“ Pfarrhofer ergänzt: „Die Nutzung von Convenience-Produkten hängt meiner Einschätzung nach stark von der personellen Ausstattung der Küchenbrigade ab und nicht unbedingt von der Zielgruppe.“
Die Produkte haben ihre Vorteile, die man auch, egal, wie schlecht der Ruf sein mag, nicht verschweigen kann. Besonders, wenn die Produkte mit Sinn für Geschmack hergestellt werden: Auf die Übeltäter wie chemische Konservierungsmittel oder künstliche Farbstoffe oder Geschmacksverstärker – der absolute Buhmann in den Zutatenlisten – können und wollen viele Hersteller schon verzichten. Ehrlich gesagt, sind das aber die Ausnahmen. Aber ebendieses gute Convenience, in dem gute Ausgangsprodukte stecken, kann die Küchenabläufe im Catering oder in Großkantinen vereinfachen. Trotzdem muss der Koch noch ran, um aus den einheitlichen Convenience-Produkten ein individuelles, verfeinertes Gericht zu machen. Convenience-Food beschreibt nämlich nicht nur Linsensuppe aus der Dose oder Mikrowellen-Fraß und gehört nicht grundsätzlich auf die Abschussliste von Gastronomen. Noch dazu sind die meisten Produkte sehr lange haltbar, auch ohne chemische Stoffe ist die Trocknung von Nudeln oder Dosen-Thunfisch eine Art Konservierung. Jürgen Mann hebt besonders die Qualität von eingelegtem Gemüse hervor: „Tomaten auf ihrem Geschmackszenit gepflückt – so eine Qualität bekommt man in Mitteleuropa nur schwer. Warum dann nicht in bestes Olivenöl eingelegt im Glas?“ Dosen oder Konserven haben in Spanien keinen schlechten Ruf, erklärt Mann. „Wirklich gute Sardinen bekommt man nur in der Konserve. Das ist auch eine Mentalitätsgeschichte.“
Zusätzlicher Vorteil, der vielleicht erst wie ein Nachteil aussieht: Die Produkte schmecken immer gleich. Das hat besonders bei würzigen oder eingelegten Lebensmitteln Vorteile: Wenn ein Caterer oder Koch sich bei seinen Kunden beliebt und bekannt machen möchte, dann müssen die Rezepturen immer gleich und immer gleich gut sein. Dahinter stecken unzählige Experimente und versalzene Suppen, bis tatsächlich die beste Mischung aus Petersilie, Senf und Salz gefunden ist. Damit es also immer gleich gut schmeckt, muss entweder immer der gleiche Koch anwesend sein oder er gibt seine Rezepte weiter. Ob aber der nächste Koch unter einer Prise oder einer Messerspitze das Gleiche versteht, ist fraglich. Küchenchef und Eventcaterer Oliver Scheiblauer hat diese unzähligen Experimente in der Küche gemacht und sich mit jedem Stück Fleisch, das er finden konnte, auseinandergesetzt, um die perfekte Würze zu finden. Und die stellt er nun der Allgemeinheit zur Verfügung. Das ist ebenso Convenience – von Köchen für Köche. Im direkten Kontakt mit Köchen findet auch Pfarrhofer die Schwierigkeiten der Einzelnen heraus und versucht, diese zu vereinfachen. Hinter Convenience-Produkten stehen Menschen, die das Leben auf gute Weise erleichtern wollen, und nicht nur rauchende Industrieschornsteine und Tonnen voll mit Müll wie Mononatriumglutamat.
Verräterische Zahlen
Wenn angeblich keiner kauft, woher kommen dann die hohen Verkaufszahlen? „20.000 bis 25.000 Tonnen Lebensmittel verkaufen wir schon im Monat.
Tendenz steigend“, verrät Pfarrhofer. Mann bestätigt den steigenden Verkauf: „Wir haben den Umsatz unserer Caviaroli im letzten Jahr verdreifacht.“ Eingelegte Algen, Meeresspaghettisalat oder Gewürzmischungen gehören zum Sortiment von Hampp Texturas. Und diese werden immer mehr verkauft. Das Sortiment passt sich bei beiden Unternehmens-beispielen an die Konsumenten an: Was wird gebraucht? Wie kann die Nachfrage bedient werden? Denn die Nachfrage steigt – damit auch die Umsätze. Schon wieder komisch, weil es doch angeblich keiner kauft.