Katzenhai bis Hornhecht: Welche früher unterschätzten Fischarten plötzlich hip sind
Mit dem Meer ist es ein bisschen wie mit dem Universum: Vieles darüber wissen wir nicht. Gerade einmal fünf Prozent, so schätzen Experten, sollen wir Menschen von den Weltmeeren bis dato erforscht haben. Das ist um ein Vielfaches weniger als uns über den Mond oder den Planeten Mars bekannt ist.
Und doch: Es reicht offenbar, um unsere Ozeane in Gefahr zu bringen. Und teilweise sogar unwiderruflich zu zerstören. Eine der mächtigsten Ursachen dafür: die Überfischung. Das bedeutet, dass in großen Teilen der Meeresgewässer mehr Fische entnommen werden als nachkommen.
Mit dem Meer ist es ein bisschen wie mit dem Universum: Vieles darüber wissen wir nicht. Gerade einmal fünf Prozent, so schätzen Experten, sollen wir Menschen von den Weltmeeren bis dato erforscht haben. Das ist um ein Vielfaches weniger als uns über den Mond oder den Planeten Mars bekannt ist.
Und doch: Es reicht offenbar, um unsere Ozeane in Gefahr zu bringen. Und teilweise sogar unwiderruflich zu zerstören. Eine der mächtigsten Ursachen dafür: die Überfischung. Das bedeutet, dass in großen Teilen der Meeresgewässer mehr Fische entnommen werden als nachkommen.
Ein Problem für die Ozeane ist das deswegen, weil die Reduktion der biologischen Vielfalt das gesamte Meeressystem schwächt. Sie macht es anfälliger gegenüber allerhand Einflüssen von außen, was sich in Zeiten der allgemeinen Erderwärmung verhängnisvoll auswirkt. Das alles klingt danach, als müssten wir alle am besten morgen damit aufhören, Meeresfische zu essen. Nur so einfach ist es nicht. Zum Glück.
Der Hunger nach Neuem
„Wir essen zu viel von zu wenigen Fischarten“, bringt es Filip Claeys auf den Punkt. Claeys gilt seit Jahren als Koryphäe im Kampf um eine nachhaltigere Fischerei – und zelebriert in seinem Zwei-Sterne-Restaurant De Jonkman im flandrischen Brügge etwas schier Unmögliches: eine Meeresfischküche, die den höchsten ethischen Ansprüchen genügt und dabei auch geschmacklich neue Maßstäbe setzt.
Wie das geht? Indem er auf Fischarten setzt, die noch vor wenigen Jahren nie in einem Sternerestaurant serviert worden wären. Und die von der Nordseeküste stammen, die keine 20 Kilometer von seinem Restaurant entfernt liegt. Was selbstverständlich klingt, war aber vor 15 Jahren noch ein kühner Akt des Widerstands. Denn Fisch aus der Nordsee, das war damals auch in flandrischen Restaurants eher die Ausnahme – und importierter Thunfisch vom anderen Ende der Welt die Regel.
„Als ich aber während eines Japanaufenthaltes erlebt habe, wie dort die Fische der heimischen Gewässer gefeiert werden, wurde mir klar: Auch wir in Flandern müssen umdenken – und unseren heimischen Fischen einen größeren Platz in den Speisekarten einräumen. Erstens, weil es so viele andere Fische als nur die üblichen Verdächtigen wie etwa Seezunge, Scholle oder Kabeljau zu entdecken gibt. Und zweitens, weil wir damit den Fischkonsum auch wirklich nachhaltiger und vielfältiger machen können.“
Mit seinem im Jahr 2011 gegründeten Verein NorthSeaChefs trägt Claeys genau diese Mission nach außen – und inspiriert mit seinem Know-how auch Fine-Dine-Küchenchefs jenseits der Nordsee. Denn der Hunger nach unbekannten Meeresfischen ist groß.
Früher Abfall, heute die Sensation
Ein Schlüsselbegriff in Claeys’ innovativem Ansatz ist der des „Beifangs“. Darunter versteht man jene Fische, die beim Fang eines bestimmten Fisches im Netz landen – aber eigentlich nicht gebraucht werden. Der Großteil davon wird – oft tot oder verletzt – wieder ins Meer zurückgeschüttet, der Rest zu industriellem Fischfutter verarbeitet. „Für ein Kilogramm Seezunge braucht es rund 40 Kilogramm Beifang“, sagt Claeys.
Doch genau in diesen Beifängen finden sich Fische, die es neu – oder zum ersten Mal überhaupt – zu entdecken gilt. „Und die hervorragend schmecken!“, sagt Claeys.
Wie zum Beispiel der Katzenhai. „Er ist ein Paradebeispiel für einen Fisch, für den sich bis vor zehn Jahren noch niemand interessierte, der aber heute seinen fixen Platz auf dem Fischmarkt hat – wo er mittlerweile auch das Vielfache kostet“, so Claeys. „Dass sich früher niemand für ihn interessierte, liegt auch daran, dass er fälschlicherweise als Meeresaal bezeichnet wurde.
Wer sich an ihm versuchte, bereitete den Katzenhai dann wie einen Aal zu, also mit langen Garzeiten, so wie es das fettreiche Aalfleisch ja verlangt. Nur: Der Katzenhai gehört eigentlich zur Familie der Rochen und muss ganz anders zubereitet werden: Eher kurze Garzeiten und immer auf der Gräte. So machen wir ihn – und haben das mit NorthSeaChefs auch stark nach außen kommuniziert.
Und seither können unsere Gäste nicht genug davon bekommen, und auch Endkunden verlangen bei vielen Fischhändlern explizit danach“, erklärt Claeys. Und wartet auch gleich mit wertvollen Tipps auf.
Grün und gut
„Wichtig beim Katzenhai ist, immer die Haut abzuziehen, weil die sehr dick und ledrig ist, und ich empfehle auch, ihn nicht roh zu essen, weil er sein ganzes Aroma in gegartem Zustand entfaltet. Ich konfiere ihn gern, arbeite auch gern mit Raucharomen, oder mache ein Mus daraus“, verrät der Fisch-Experte.
Ein weiterer Fisch, den Claeys zurück ins kollektive Bewusstsein bringt, ist der Hornhecht. „Der ist ein gutes Beispiel für einen saisonalen Fisch – denn auch das macht einen achtsamen und nachhaltigen Umgang mit Meeresfischen aus: Dass man Rücksicht auf die Saisonen nimmt, was immer noch nicht selbstverständlich ist“, so Claeys. „Der Hornhecht darf gerade mal von April bis Ende Mai gefangen und gekauft werden. Ich würde ihn geschmacklich und texturell zwischen die Makrele und den Hering ansiedeln, er hat also ein intensiv aromatisches Fleisch – nur ist er weniger fett.“ Claeys serviert ihn gern puristisch: leicht mariniert in Olivenöl, Zitronensaft und Salz.
Interessant: Die Gräten des Hornhechtes sind typischerweise grünlich. Das liegt am Farbpigment namens Biliverdin, das beim Hornhecht offenbar beim Abbauen des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin entsteht.
Doch zurück zur geschmacklichen Fischkunde – und damit zum Sepia, sprich: dem Kuttelfisch. Auch für den schwärmt Claeys: „Was ihn so spannend macht ist, dass er durch den Klimawandel die Gewässer wechselt, das führt zu einer völlig neuen Situation, die aber bei Konsumenten und Köchen noch nicht wirklich angekommen ist“, so Claeys. Aber der Reihe nach.
Ciao Kabeljau!
Die eigentlich im Mittelmeer heimischen Sepien wandern aufgrund der flächendeckenden Meereserwärmung verstärkt gen Norden – und sind daher immer öfter in der Nordsee heimisch.
„Sein Kilopreis betrug früher 10 Cent. Heute liegt er bei 5 Euro!“
Filip Claeys über den kometenhaften Aufstieg des unbekannten Franzosendorsches
„Das führt zu skurrilen Lieferketten, weil viele Leute in den südlichen Mittelmeerländern weiterhin Sepia essen wollen – und Köche sie daher auch servieren müssen. Also werden sie dort, wo sie nicht mehr heimisch sind, mittlerweile von uns an der Nordsee geliefert, das ist ziemlich absurd.“
In der Nordsee sind die Sepien-Bestände durch den Klimawandel jedenfalls überaus stabil – „es gibt wirklich sehr, sehr viel davon“, versichert Claeys. Das macht sie zu einem idealen Ausgangsprodukt für den versierten Fischkoch.
„Das Fleisch ist dick, aber zart“, schwärmt er. „Ich friere Sepien gern zuerst ein, um sie dann hauchdünn aufzuschneiden. Man kann sie roh essen, aber ich brate sie gerne auch ganz kurz an, keine 15 Sekunden, und kann daraus eine Vielzahl an Gerichten machen. Ich serviere sie gern als Vorspeisen, weil sie leicht, mager und bekömmlich sind.“
Ein weiterer Fisch, den Claeys als Paradebeispiel für seine Arbeit nennt, ist der sogenannte Franzosendorsch, in Flandern auch Steenbolk genannt. „Er ähnelt geschmacklich seinem Artverwandten, dem Kabeljau, ist aber die vergangenen Jahrzehnte im Gegensatz zu ihm in Vergessenheit geraten – und erlebt jetzt dank unserer Bemühungen ein glorioses Comeback“, so Claeys.
Noch im Jahr 2010 wurde ein Drittel der Steenbolk-Fänge zu Fischmehl verarbeitet, heute sind es gerade einmal 0,3 Prozent. „Sein Kilopreis hat sich seither von zehn Cent auf unglaubliche fünf Euro gesteigert“, so Claeys.
Und sagt: „Er schmeckt einfach besser, weil zarter und eine Spur süßlicher als der Kabeljau, der bei uns ohnehin überfischt ist. Ich empfehle dringend, das Filet glasig zu garen, zehn Minuten bei 120 Grad reichen völlig aus. Wer den Steenbolk einmal gegessen hat, will keinen Kabeljau mehr!
„Ich bin überzeugt: Die Zukunft unseres Fischkonsums ist auf dem besten Weg, vielfältiger, nachhaltiger – und einfach auch schmackhafter zu werden. Aber es braucht eben engagierte Köche, die mit gutem Beispiel vorangehen.“
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Filip Claeys
1974 in Brügge geboren, arbeitete Claeys unter anderem in Sergio Hermans legendärem Fisch-Restaurant Oud Sluis. 2006 machte er sich mit seinem eigenen Restaurant selbstständig – und hat das De Jonkman seither zu einem der profiliertesten Gourmettempel Europas etabliert. Dort bringt Claeys unbekannte Fische aus der Nordsee auf die Teller und beweist, dass es nicht immer Seezunge und Steinbutt sein muss. Seine 2011 gegründete Organisation North Sea Chefs setzt sich passend dazu für nachhaltigen Fischfang und -konsum ein.