Kochen mit Cannabis: The Real High Cuisine
Zum Amuse-Gueule einen Joint und der Koch ist dein Freund. Ganz so sollte beziehungsweise kann man das Thema im deutschsprachigen Raum gar nicht angehen.
Aber mit der Legalisierung der THC-haltigen Cannabispflanze in einigen Bundesstaaten der USA entwickelt sich aus dem heimlichen Rausch eine ernst zu nehmende Küchenlinie, die den Restaurantbesuch zu einem wirklichen Erlebnis macht. Allerdings nur wohldosiert – versteht sich.
Euphorie auf der Zungenspitze
Okay, dass das Zeug in mehr oder weniger leckeren Keksen auch high macht, sollte so ziemlich jedem bekannt sein. Das Ziel der heimischen Keksbäcker war vermutlich auch kein Geschmackserlebnis, sondern das Highwerden.
Chris Sayegh, der kalifornische Herbal-Chef aka Cannabis-Koch, will aber noch etwas ganz anderes erreichen: Laut seinen Studien werden die Sinneswahrnehmungen intensiviert – auch der Geschmackssinn. „Ich stelle ein konzentriertes Öl her, in dem die interessanten Stoffe enthalten sind. Damit versetze ich meine Gerichte. So schmeckt man das erdig-grasige Aroma nicht heraus – außer ich will, dass man es herausschmeckt, weil ich es dementsprechend komponiere.“
Zum Amuse-Gueule einen Joint und der Koch ist dein Freund. Ganz so sollte beziehungsweise kann man das Thema im deutschsprachigen Raum gar nicht angehen.
Aber mit der Legalisierung der THC-haltigen Cannabispflanze in einigen Bundesstaaten der USA entwickelt sich aus dem heimlichen Rausch eine ernst zu nehmende Küchenlinie, die den Restaurantbesuch zu einem wirklichen Erlebnis macht. Allerdings nur wohldosiert – versteht sich.
Euphorie auf der Zungenspitze
Okay, dass das Zeug in mehr oder weniger leckeren Keksen auch high macht, sollte so ziemlich jedem bekannt sein. Das Ziel der heimischen Keksbäcker war vermutlich auch kein Geschmackserlebnis, sondern das Highwerden.
Chris Sayegh, der kalifornische Herbal-Chef aka Cannabis-Koch, will aber noch etwas ganz anderes erreichen: Laut seinen Studien werden die Sinneswahrnehmungen intensiviert – auch der Geschmackssinn. „Ich stelle ein konzentriertes Öl her, in dem die interessanten Stoffe enthalten sind. Damit versetze ich meine Gerichte. So schmeckt man das erdig-grasige Aroma nicht heraus – außer ich will, dass man es herausschmeckt, weil ich es dementsprechend komponiere.“
Das Aroma der Pflanzen ist sehr dominierend, daher verständlich, dass Sayegh versucht, es nicht in den Mittelpunkt zu rücken. So experimentierte Sayegh mit der Dosis, den Inhaltsstoffen, der Extraktion und den Gerichten, bis er genau das Menü entwarf, das seinen Gästen ein besonderes Erlebnis der High Cuisine – mit Geschmacksintensivierung – verschafft.
Allerdings bleibt die Frage offen, ob sich die Geschmacksknospen – so wie der Appetit – nur wegen des berühmt-berüchtigten Tetrahydrocannabinol (besser bekannt als THC) anders anfühlen. Schmeckt high nicht alles besser als nüchtern? Wer einmal einen cannabisinduzierten Fressflash hatte, weiß, wovon die Rede ist.
Hellhound | Indica-dominanter Hybrid
Der Geruch der Pflanze erinnert an sauereingelegte Früchte, Trauben und Erde. Der angemessen hohe THC-Gehalt führt dazu, dass die Wirkung sich langsam im Körper ausbreitet und zu einer relaxten Stimmung beiträgt.
Der Einfluss auf die Sinne ist relativ schnell erklärt: Zwei Rezeptoren (einer im zentralen Nervensystem, der andere auf Immunzellen) binden das THC und führen so zur Wirkung, die als high, drauf, stoned oder breit bekannt ist.
Subjektiv intensiviert sich die Wahrnehmung und nebensächliche Eindrücke, die einem sonst weniger bewusst sind, rücken in den Vordergrund. Die Störung des Kurzzeitgedächtnisses hat Auswirkung auf das Zeitempfinden – sie läuft langsamer und die euphorischen Gefühle sowie die Entspanntheit setzen ein.
Wer allerdings zu viel THC zu sich genommen hat, kann körperliche Nebenwirkungen wie Herzrasen, Schwindel, niedrigen Blutdruck, einen trockenen Mund oder Übelkeit erleiden. Psychische Veränderungen wie Denkblockaden, Orientierungslosigkeit oder Panikattacken können einem Konsumenten schon einmal Angst machen.
In einem Menü sind maximal zehn Milligramm THC enthalten, in einem Gericht maximal fünf.
Chris Sayegh über die empfohlene Dosierung
Allerdings bilden sich die Nebenwirkungen meist in wenigen Stunden wieder zurück. Helfen kann da Baldriantee oder etwas Süßes zu essen, weil Cannabis den Blutzuckerspiegel beeinflusst (daher auch der gesteigert Appetit). Oberste Regel: ruhig bleiben! Cannabis ist quasi nicht tödlich (es gibt Hochrechnungen, dass erst 750 Kilogramm Pflanzenmaterial mit rund zehn Prozent THC-Gehalt verzehrt in 15 Minuten den Tod herbeiführen – so viel kann man gar nicht essen und es wäre ganz nebenbei sehr teuer).
Um negative Nebenwirkungen zu vermeiden, steht für Sayegh fest: „In einem Menü sind maximal zehn Milligramm THC enthalten, in einem Gericht maximal fünf.“
OG Kush IX | Indica-Sativa-Hybrid
Der Hybrid aus OG Kush (auch sehr beliebt in Küchen) und OG Kush Incross weist einen sehr hohen THC-Gehalt auf und kann unerfahrene Cannabis-Konsumenten sicher umhauen. Das Limonen-Erdaroma entwickelt sich stark. Medizinisch ist es für Konsumenten mit Schlafstörungen, Schmerzen oder Appetitlosigkeit zu empfehlen.
Auch für Kathrin Gebhardt, Autorin des Buches „Backen mit Hanf“, ist die Vorsicht das Wichtigste im Umgang mit Cannabis: „Wenn Konsumenten ein ganzes berauschendes Menü zubereiten, müssen sie die gesamte Summe aller Speisen und gegebenfalls Getränke vorher zusammenrechnen, damit sie nicht von einem zu stark bewusstseinsverändernden Zustand oder Kreislaufproblemen überrascht werden. Mein Tipp: Da das THC sehr appetitanregend wirkt, sollten Süßigkeiten (ohne THC) oder auch pikante Leckereien bereitstehen.“
Die Autorin ist Berlinerin, gelernte Konditorin, Ernährungsberaterin, vegetarische und vegane Köchin. Seit 2014 ist sie Erlaubnisinhaberin nach § 3 Absatz des Betäubungsmittelgesetzes (das muss hier stehen, damit sie keinen Ärger bekommt). Als selbst betroffene Patientin hat sie sich intensiv mit Selbstmedikamentierung und dem Herstellen von Cannabisprodukten befasst.
Alion | Sativa-dominanter Hybrid
Appetitanregend, stimmungserhellend, euphorisierende Wirkung: Diese Pflanze macht jeden Konsumenten glücklich – zumindest richtig dosiert, denn der THC-Gehalt ist extrem hoch. Das leichte Blaubeer-Aroma sorgt nicht zuletzt dafür, dass der Hybrid gegen Depression hilfreich ist.
Seit den 90er-Jahren kocht und backt Gebhardt mit Cannabis: „Zuerst habe ich nur Medizinal-Blüten und Hanfharze (Haschisch) verwendet, da über die Wirkungsweise der einzelnen Cannabinoide, insbesondere des CBD, nur wenigen Fachleuten etwas bekannt war. Im Jahr 2012 begann man, sich in medizinischen Kreisen immer mehr für das CBD zu interessieren, was mich neugierig machte, und ich bestellte mir die ersten Faserhanfblüten für meine persönliche Küche.“
Berauschende Kräuterkunde
Die „interessanten“ Stoffe, wie Chris Sayegh sie nennt, sind Cannabinoide wie THC und CBD (Cannabidiol) sowie ätherische Öle. Letztere sind für den intensiven Geruch der Pflanze verantwortlich. Bis zu 200 verschiedene ätherische Öle, auch Terpene genannt, wurden in unterschiedlichen Cannabispflanzen nachgewiesen.
In einem Gramm Cannabis sind meist weniger als zehn Gramm Terpene enthalten – darunter häufig Limonen, Myrcen oder Pinen. Limonen wurde eine angstlösende Wirkung nachgewiesen. Myrcen und Pinen hemmen Entzündungen. Letzteres wirkt zudem antibiotisch.
Allerdings muss hier – wie bei der Arbeit mit anderen ätherischen Ölen auch – darauf geachtet werden, dass die Stoffe sich schnell verflüchtigen bei der Trocknung, dem Erhitzen und der Lagerung.
Daher empfiehlt der Koch Sayegh, das extrahierte Öl erst im letzten Schritt zu den Speisen zu geben. Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe ist abhängig von der jeweiligen Pflanze. Denn es gibt nicht nur die eine Cannabispflanze, sondern unzählige. Zum Kochen eignen sich besonders gut die Sativa-Pflanzen, da sie den Konsumenten „Kopf-high“ machen.
Sayegh: „Ich benutze gerne reine Sativa-Pflanzen oder Hybride, in denen Sativa dominanter als Indica ist, weil sie geistig high machen und nicht so müde und träge wie Indica-Pflanzen. Wenn ich ein Menü entwickle, rauche ich gerne selber einen Joint mit Sativa-Cannabis.“
9LB Hammer | Indica-dominanter Hybrid
In diesem Hybrid überwiegt die Kategorie Indica. Sie wachsen breiter als Sativa-Pflanzen und haben einen höheren THC-Gehalt. Sie gelten als Körper-high-machende Pflanzen, da sie entspannend auf den Konsumenten wirken. Das macht sie etwas weniger spannend für die Gastronomie, da hier Sativa-Pflanzen bevorzugt werden. Geschmack- lich erinnert ihr Aroma an Traubensüße mit leichter Erdigkeit.
Die beliebtesten Pflanzen zum Kochen sind beispielsweise Afghan Kush als Indica-Vertreter oder Bruce Banner als Sativa-Beispiel. Allerdings gibt es unzählige Hybride, die je nach Ursprung und THC-Gehalt zum Kochen geeignet sind. Wichtig ist immer, dass bekannt ist, wie viel THC enthalten ist, damit die Dosierung angepasst werden kann.
Nicht umsonst ist Gebhardts Tipp „Start low, go slow“. Sie weiß zudem: „Es schmeckt besser bei niedriger Dosierung und es können größere Mengen von den Leckereien genossen werden.“ THC und CBD sind beides Cannabinoide, allerdings macht THC high und CBD nicht. CBD werden viele medizinische Wirkungen nachgewiesen.
CBD hilft bei Angststörungen, Epilepsie, Depressionen, Schizophrenie, Schmerzen und Entzündungen, Bewegungsstörungen, Übelkeit und Erbrechen. Zudem ist es der Gegenspieler vom THC. Es reguliert die psychische Wirkung. Manche positiven Eigenschaften auf Gesundheit und Geist entwickeln sich erst nach dem Erhitzen.
Es schmeckt besser bei niedriger Dosierung und es können größere Mengen von den Leckereien genossen werden.
Kathrin Gebhardt über den Geschmack von Cannabisprodukten
Nicht erhitzte Cannabinoide (davon gibt es übrigens noch viel mehr in einer Pflanze, aber die wichtigsten Vertreter sind die zwei genannten) aus der grünen Hanfpflanze haben andere Wirkungen als die erhitzten. Beim Rauchen wird das Umwandeln der nicht-erhitzten Cannabinoidsäuren (THC-A und CBD-A – A steht im Englischen für Acid, zu Deutsch: Säure) in THC durch die Glut in wenigen Sekunden bewirkt.
Möchte man das THC oder CBD zum Kochen nutzen, kann man die Umwandlung im Backofen bei 150 bis 160 Grad innerhalb von 15 bis 20 Minuten erreichen.
Die Frage der Perspektive
Legal oder nicht legal – das ist hier die Frage. Befürworter nutzen immer wieder die Argumente Qualität und Kontrollierbarkeit, die zunähmen, wenn der Verkauf über den Staat reguliert würde.
Plus: Nur jeder 20. Konsument wird abhängig und die Auswirkungen auf den Körper seien nicht so schlimm wie die von Zigaretten oder Alkohol.
Gegner argumentieren mit der steigenden Zahl der Cannabiskonsumenten, dem fehlenden Schutz von Jugendlichen und den Gefahren für den Körper. In acht amerikanischen Staaten wie Kalifornien, Nevada und Oregon sind der Konsum, Besitz und Verkauf von Marihuana legal – egal, ob aus medizinischen oder rauschliebenden Gründen.
In Deutschland ist der Konsum an sich nicht strafbar, alles andere wie Anbau, Kauf oder Verkauf schon – wobei es hier Ausnahmeregelungen gibt. Der Kauf von geringen Mengen unter zehn Gramm wird meist nicht strafrechtlich verfolgt – außer man lässt sich nicht zum ersten Mal erwischen.
Nach langem Hin und Her gibt es seit März 2017 die Möglichkeit, Cannabis legal in der Apotheke zu kaufen – allerdings nur, wenn ein Arzt das Rauschmittel aufgrund einer üblen Krankheit wie der Nervenkrankheit multiple Sklerose verschreibt. Legal hingegen sind Produkte ohne THC (beziehungsweise mit lediglich 0,2 Prozent).
Bluniverse | Indica-Sativa-Hybrid
Dieser Hybrid aus Sativa- und Indica-Pflanzen hat zuerst eine starke Kopf-high-Wirkung, die in Fachkreisen als erhellend oder euphorisch beschrieben wird. Darauf folgt die sedative Wirkung, die besonders bei Schlaflosigkeit oder Angstzuständen helfen kann. Ihr Geschmack ist beerig, blumig mit einem Hauch Vanille und Karamell.
Erhältlich sind Hanfsamen oder THC-freie ätherische Hanfblütenextrakte. Die Verwendung von CBD-reichen Faserhanfblüten ist in Deutschland seit der Gesetzesänderung 10/2016 stark eingeschränkt worden – obwohl es keine psychische Wirkung hat.
In Österreich sieht das Ganze ein bisschen anders aus: Nach dem Gesetz ist zu bestrafen, wer Cannabis erwirbt, besitzt, erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen überlässt oder verschafft. Nicht strafbar ist der Konsum, der grundsätzlich auch ohne Besitz möglich wäre. In der Praxis wird aber auch der Konsum kriminalisiert, weil er fast immer mit dem Besitz einhergeht.
In der Schweiz ist es ähnlich: Hier fällt Cannabis unter das Betäubungsmittelgesetz und ist illegal. 2008 gab es aber eine Volksabstimmung, die vom Volk mit 63 Prozent der abgegebenen Stimmen und von allen Ständen abgelehnt wurde.
Die halbe Million Kiffer des Landes finden das wohl nicht so toll – und die Köche unter ihnen noch viel weniger. Denn das Kochen mit Cannabis macht mehr Spaß, als man das von schlecht schmeckenden Spacecookies kennt.
Slow-Butter mit Wumms
Solltet ihr irgendwann mal auf legale Weise an Cannabis kommen, probiert doch mal die Cannabis-Butter aus. Damit kann man normale Butter in Rezepten ersetzen – aber bitte immer berechnen, wie viel THC enthalten ist und sich an die Dosierungsempfehlungen halten!
1+2 Das frische Cannabis bei 105 Grad zehn bis 15 Minuten erhitzen. 500 Gramm Butter erhitzen bis sie flüssig ist, und mit 0,25 Liter stillem Wasser sowie dem Pflanzenmaterial vermischen und im Schongarer für acht Stunden bei 103 Grad dreimal durchkochen lassen. Die Hanfbutter auskühlen lassen und durch ein feines Sieb geben.
3+4 Die Pflanzenteile aus dem Sieb auf ein Leinentuch platzieren und ausdrücken.
5 Die Hanfbutter mindestens sechs Stunden kühlen. Dann setzt sich das Wasser ab und die harte Butter kann vorsichtig herausgenommen werden. Noch einmal auf kleiner Flamme verflüssigen und umrühren, damit sich die Harze verteilen.
6 In Gläser portionieren und im Kühlschrank aufbewahren.
Achtung: Richtig dosieren!
Eine Dosierungsempfehlung in Tabellenform sowie die Zubereitung verschiedener Rezepte findet man beispielsweise im Buch „Backen mit Hanf“ von Kathrin Gebhardt, erschienen im Nachtschattenverlag.
Dosierungsbeispiel: Für eine Person mit 70 Kilogramm Körpergewicht sollten zwischen 0,18 und 0,27 Gramm Marihuana (mit einem THC-Gehalt von 8 Prozent) ausreichen, um eine leichte Wirkung zu erzielen (0,2 bis 0,3 Milligramm THC pro Kilogramm Körpergewicht).