Kochen wie in 1001 Nacht
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: der Duft von Jasmin, die üppige Süße von Granatäpfeln, der zartbittere Geschmack von Felsenkirschen, ziselierte Rosenwasserschälchen im Mondlicht, goldene Trinkgefäße, blütenweiße Steinkacheln, lodernde Fackeln. Genauso, wie es sein soll, in 1001 Nacht. Nur der Sultan fehlt. Stattdessen kommt Küchenchef Jamal persönlich zum Tisch und serviert Täubchenpasteten, Quittenpüree und Nanaminztee. „Die wichtigste Zutat in der arabischen Küche ist die Zeit“, erklärt er huldvoll die lange Wartezeit. „Man braucht sie für die Zubereitung und zum Genießen.“ In seinem Gourmettempel in Marrakesch interpretiert er traditionelle arabische Gerichte auf seine Weise.
Was noch lange nicht heißen mag, dass er sich deshalb den europäischen Maßstäben der Nouvelle Cuisine unterwirft. Technisch gesehen könne man weder Couscous Medfoun
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: der Duft von Jasmin, die üppige Süße von Granatäpfeln, der zartbittere Geschmack von Felsenkirschen, ziselierte Rosenwasserschälchen im Mondlicht, goldene Trinkgefäße, blütenweiße Steinkacheln, lodernde Fackeln. Genauso, wie es sein soll, in 1001 Nacht. Nur der Sultan fehlt. Stattdessen kommt Küchenchef Jamal persönlich zum Tisch und serviert Täubchenpasteten, Quittenpüree und Nanaminztee. „Die wichtigste Zutat in der arabischen Küche ist die Zeit“, erklärt er huldvoll die lange Wartezeit. „Man braucht sie für die Zubereitung und zum Genießen.“ In seinem Gourmettempel in Marrakesch interpretiert er traditionelle arabische Gerichte auf seine Weise.
Was noch lange nicht heißen mag, dass er sich deshalb den europäischen Maßstäben der Nouvelle Cuisine unterwirft. Technisch gesehen könne man weder Couscous Medfoun („Begraben unter Couscous“) noch Slada Batata Halwa (Süßkartoffelsalat) fürs Auge reichen, meint Jamal. Deshalb versucht er es erst gar nicht. Tradition sei schließlich auch etwas Schönes und niemand erwarte in einem arabischen Lokal optische Höchstleistungen. Sein Couscous allerdings ist zum Spitz geformt und auch das Brot hat die übliche Fladenform in Richtung Quadrat verlassen.
Andenken an sein Wanderjahr in Deutschland. „Die arabische Küche ist für alle Sinne gedacht“, sagt er. „Nicht ausschließlich fürs Auge.“ Sie soll „Gaumen, Geschmack und Nase Freude bereiten“, wie es ein arabischer Dichter einmal formulierte. Das bedeutet, dass Schmorgerichte wie Tagine Bil Mashmash, also Lamm-Tajine mit Aprikosen, in genau dem Tontopf serviert werden, in dem sie auch gekocht werden. Und damit basta!
Anfängerglück
Spätestens jetzt können sich Neueinsteiger die Hände reiben. Bei all dem Flair und der Raffinesse der Gerichte: Arabische Küche ist erdig und ehrlich. Niemand erwartet, dass sie wunderschön drapiert auf dem Teller landet. Allein die roten Tupfen von Granatapfelkernen auf weißem Joghurt und grünem Salat durchbrechen das europäische Verständnis für Salat. Auch wenn er wild auf einem Teller aufgetürmt wird. Deshalb braucht arabische Küche einfach eine würdige Bühne. Die Ausstattung des Lokals, Tischkultur und Schälchen, in denen das Essen gereicht wird, sollten deshalb ein wenig prunkvoller geraten. Frei nach dem Motto: Außen hui, innen auch. Der Geschmack arabischer Speisen bleibt ohnehin unvergessen. Ob sie aus dem Iran, dem Libanon, aus Ägypten, dem Jemen oder Marokko stammen. Wenn man beim Flair ein bisschen nachhilft, gelingt auch der Einstieg für Neulinge so leicht wie Muhallabiya (Milchpudding).
Schöngeister
Die Ausstattung eines Lokals orientalisch aufzubrezeln ist leicht, schließlich umweht die arabische Küche eine beispiellose Mystik, geheimnisvoll wie das Wispern der Palmwedel im lauen Wüstenwind. Für einen orientalischen Abend nehme man also weiße Tischtücher, Servietten, Silber- oder Messingbesteck. Goldene Platzteller, große bunte Mosaikkacheln oder schlichte rote Tonfliesen, eine Unmenge Kerzen oder Fackeln in Tongefäßen.
Serviert wird in Tonschalen oder üppig dekorierten Gefäßen, die idealerweise mit Blumenranken verziert sind. Statt der Gläser kann man auch auf Becher aus Ton oder Metall zurückgreifen. Die Ausnahme ist der Wein! Was niemals fehlen darf: Blumen in allen Formen und Farben, vorzugsweise Jasmin, Rosenblüten und Hibiskus. Den letzten Schliff geben ein Diwan und die obligate Wasserpfeife.
Man nehme … Den Geheimnissen der arabischen Küche auf die Spur zu kommen, ist ebenso spannend wie vielschichtig, denn die Araber beeinflussten auf ihren Eroberungszügen die gesamte Küchenkultur des asiatischen und afrikanischen Mittelmeerraumes. Sogar die Küche Andalusiens. Wer also von sich behauptet, noch nie mit arabischen Zutaten gekocht zu haben, irrt. Estragon, Zimt, Aprikosen – alle drei kommen aus dem Arabischen. Muskat, Sultaninen und Sirup ebenso. Ohne die Gewürzhändler Konstantinopels säßen wir heute noch auf Bohnenkraut und Kerbel fest – und selbst die gedeihen ebenso prächtig in den weiten Ebenen Asiens. Die Araber kamen lange vor den Europäern in den Genuss indischer Gewürze. Sie sammelten jahrhundertelang Erfahrungen mit den besten Würzmitteln der Welt und mischten in jedes Rezept eine Prise Eigenständigkeit des jeweiligen Landes mit hinein. Passend zum kleinen Geschichtsunterricht, für den sich Jamal eine längere Küchenpause gönnt, lässt er „Cornes des gazelles“, mit Honigmandeln gefüllte Hörnchen, begleitet von einem „Thé à la Menthe“ servieren. Die Hörnchen erinnern an die Form eines Schokospitzes aus unseren Breiten. „Abgeschaut“, grinst er. Und was können wir uns abschauen?
Zutaten zum Erfolg Granatapfelkerne sind immer ein Highlight. Khiyar-O-Anar ist die orientalische Antwort auf ordinären Gurkensalat. Für dieses simple, aber raffinierte Gericht braucht man vor allem Zeit, denn die Granatapfelkerne auszulösen ist Knochenarbeit. Was aber dabei herauskommt, wenn man eine ordinäre Salatgurke mit einer Zwiebel, Zitronensaft, einem Bund frischer Minze und drei Granatäpfeln verfeinert, ist so lecker, dass man sich gerne über die sperrige Frucht hermacht. Herrlich orientalisch auf dem Teller machen sich auch Feige, Tamarinde, Kirsche und Aprikose zu Fleisch oder Fischgerichten.
Pistazien, Linsen, Auberginen, Sesam, Joghurt, Trauben, Maroni, Bohnen, Datteln, Orangen, Mandeln, Sardinen, Limetten und Reis sind Lebensmittel, mit denen wir täglich hantieren und gleichzeitig ein paar der wichtigsten Basics, mit denen arabisch gekocht wird. Die Mischung macht’s, dann schmecken auch bekannte Zutaten raffiniert orientalisch. Etwa bei Djaj Bil Karmous Wal Joz, Hühnchen mit frischen Feigen und Walnüssen, oder Bata Bil Meshmesh, gebratener Ente mit Aprikosen. Dem europäischen Gaumen unbekannter sind Essenzen aus Harz, Orangenblütenwasser oder Rosensirup. Für Incir Tatlisi etwa, in Rosensirup gebackene Feigen, braucht es am Anfang schon eine Gewöhnungsphase. Der Gaumen nimmt die unbekannten, blumigen Nuancen wahr, als würde er in einem Rosenstrauch baden. Deshalb gilt für Einsteiger wie in jeder Küche: Besser zurückhaltend würzen als zu viel. Manche Gewürze wie Mastix, Kreuzkümmel, Thymian oder Chili brauchen nämlich Hitze und Zeit, um sich voll entfalten zu können. Wieder Zeit. Jamal lächelt. Es ist drei Uhr morgens. In seinem Lokal hat schon so mancher die Zeit vergessen.
>>gewürze:
Wenn Gewürze Farbe bekennen
Grenadine
Das unvergleichliche Rot des Granatapfels bringt Farbe in viele arabische Gerichte. Saure Granatäpfel werden zu Sirup eingekocht und so zu einer dickflüssigen, roten Masse, die mit ihrer süßen Schwere so manchen Dip verfeinert. Wer es weniger süß mag, streckt die Grenadine mit Zitronensaft oder Weinessig.
Safran
Die getrockneten Fäden des Safrankrokus färben jedes Gericht intensiv gelb und sind eine feste Größe in der marokkanischen Küche. Grundsätzlich sollte man zu Safranfäden greifen, weil das Gewürz in Pulverform meist mit anderen Gewürzen verfälscht wird.
Tahin
Die Sesampaste ist besonders im Libanon beliebt. Die festen Bestandteile trennen sich nach dem Rühren vom Öl, das an der Oberfläche einen Film bildet. Um die Würzpaste zu genießen, muss man sie zwischendurch oder knapp vor dem Anrichten durchrühren.
Somagh
Die getrockneten, zerstoßenen Essigbaumbeeren beleben Auberginen, Fisch, Meeresfrüchte, Joghurt oder Gegrilltes. Das Streugewürz harmoniert unter anderem mit rotem Pfeffer, Chili, Granatapfel, Knoblauch, Koriander und Minze.
Orangenblütenwasser
Der herrliche Duft von Orangen zieht durch die Küche, wenn das destillierte Wasser von Bitterorangenblüten zum Einsatz kommt. Es verleiht Süßspeisen und Sirupe ein belebendes Aroma. Orangenblütenwasser kommt in verschiedenen Konzentrationen auf den Markt, daher immer nur einen Tropfen verwenden und später nachwürzen.
Mastix
Das aromatische Harz wird auch im Straßenbau eingesetzt, umso vorsichtiger sollte es in der Küche Verwendung finden. Die farblosen Stücke werden im Mörser mit Zucker zu einem feinen Pulver zermahlen. Dabei gilt: Mastix immer flächig und sparsam einsetzen und sofort verrühren, sonst verklumpt es wieder.
Mahalebkerne
Das weiche Innere des Kernes der Felsenkirsche schmeckt zunächst aromatisch bitter. Erst später bleibt ein subtiles Aroma am Gaumen, das an Bittermandeln oder Tonkabohnen erinnert.
>> rezept:
Burdsch al-Kataaif-Lachs
mit Auberginen-Spinat-Creme, Muschallal-Käse und Safranöl an knuspriger Grünlippmuschel und Dschallab-Zitronen-Sauce.
Zutaten für 4 Personen
Lachs
- 400 g frische Lachsmedaillons, in 3 Scheiben für jede Person geschnitten
- 40 g Mycryo
- Bitter-orangenessenz (Vorsicht: sehr intensiv! Ersatzweise Orangenblütenwasser)
- Salz, Pfeffer
Kataaif (arab. für Pfannkuchen)
- 100 g Mehl
- 3 g Hefe
- 60 ml Milch
- 1/2 TL Zimt
- Salz, Pfeffer
- Maiskeimöl zum Frittieren
Auberginen-Spinat-Creme
- 200 g frischer Spinat
- 250 g Auberginen
- 50 g saure Sahne
- 2 gehackte Knoblauchzehen
- Saft einer Zitrone
- Salz, Pfeffer
Muschallal-Käse
- 150 g Muschallal-Käse
- 30 g gehackte frische Minze
- 20 ml Olivenöl
Safranöl
- 50 ml Olivenöl
- 1/2 TL Safranfäden
Grünlippenmuscheln
- 4 frische Grünlippenmuscheln (ersatzweise Miesmuscheln), ohne Schale, roh
- Saft einer Zitrone
- Salz, Pfeffer
- 1 TL Kuminsamen
- 1 Ei
- Semmebrösel
- Mehl
Dschallab-Zitronen-Sauce
- 50 ml Dschallab-Saft (Alternativ: roter Traubensaft), reduziert
- 100 ml Wasser
- 1 EL Zitronensaft
Für die Kataaif aus den Zutaten einen Teig herstellen und 1 Std. ruhen lassen. In heißer Pfanne backen und in kleine runde Platten schneiden, angepasst an die Größe der Lachsmedaillons. Muschallal-Käse 1 Std. in Wasser legen, herausnehmen, abtrocknen, Minze untermischen und kurz vor dem Servieren das Öl zufügen. Auberginen im Ofen weich backen, nach dem Abkühlen schälen und das Innere pürieren.
Spinat in Salzwasser blanchieren und abtropfen lassen, mit Knoblauch, saurer Sahne und Zitronensaft mischen, zum Auberginenpüree geben und abschmecken. Für das Safranöl die Safranfäden in das Öl geben und längere Zeit einwirken lassen. Für die Dschallab-Zitronen-Sauce Dschallabsaft, Wasser, Zitronensaft vermischen und zum Servieren erwärmen.
Lachsmedaillons in einer Mischung aus Bitterorangenessenz, Salz, Pfeffer marinieren. Erst kurz vor dem Servieren braten. Sofort nach dem Braten mit dem Bau der 4 Türme beginnen: Jeweils auf die Mitte eines Tellers einen Pfannkuchen legen, darauf ein Lachsmedaillon und etwas von der Auberginen-Spinat-Mischung. Diesen Vorgang noch zweimal wiederholen. Möglichst schnell arbeiten, damit der Lachs warm bleibt. Grünlippenmuscheln in Zitronensaft, Salz und Pfeffer marinieren. Muscheln mit Mehl bestäuben, in Ei dippen und in einer Mischung aus Semmelbröseln und Kumin wenden, in heißem Öl frittieren. Sofort servieren.
Anrichten:
Die oberste Schicht des Turmes mit Muschallal-Käse belegen und mit arabischen Fladenbrotsticks garnieren. Etwas Safranöl auf dem Teller verteilen. Neben den Turm ein Schälchen mit Dschallab-Zitronen-Sauce stellen, gekrönt mit einer Muschel, die auf frittierten Spaghettistangen ruht.
Buchtipp:
„New Arabian Cuisine“, Lutz Jäkel, Umschau-Verlag, 44,00 Euro
Das Standardwerk für die neue arabische Haute Cuisine. Sie führt feinste Zutaten und Geschmäcker des Nahen und Mittleren Ostens mit europäischer Kochkunst zu neuen Höhepunkten.