Neue alte heilige Kuh?
Fotos: Helge Kirchberger/Red Bull Hangar-7, Jakob Kiesenhofer/www.jakob-holzmanufaktur.at,
Barbara Hartmann/www.sakurawagyu.de, Shutterstock, Florian Bolk
Am 8. Juli 2014 war es so weit. Rund 80 Menschen, da-runter Journalisten, Handels- und offizielle Vertreter, versammelten sich im ANA Crown Plaza Kobe und begangen eine feierliche Zeremonie zu Ehren des ersten Kobe-Beef-Exports in die EU. Mr. Takashi Uera, Vorsitzender der Kobe Beef Marketing and Distribution Association, freute sich in seiner Ansprache: „Kobe Beef öffnet die Türen zur Welt.“ Nur einen Tag später kamen in Europa rund 2500 Kilogramm des mittlerweile zum Mythos hochstilisierten Luxusfleischs an. Der 9. Juli 2014 – ein Jubeltag?
Auf jeden Fall ist er das für Anhänger von Kobe Beef und diejenigen, die schon lange wissen wollten, welche Fleischspezialität Connaisseurs weltweit seit Jahren in Schnappatmung versetzt. Der Einfuhr geht ein striktes Exportverbot vonseiten der japanischen Regierung voraus. Das – schließlich aufgehoben – in ein zähes Zulassungsverfahren nach EU-Standards mündete. Mit der lang ersehnten Einfuhrbewilligung scheint das als bestes Fleisch der Welt gehandelte Kobe Beef endlich angekommen zu sein, um den europäischen Gaumen zu schmeicheln. Mehr als Grund genug, das Produkt mit seiner unvergleichlichen Fettmarmorierung, dem außergewöhnlichen buttrig-nussigen Geschmack und der zartschmelzende Textur inklusive seiner streng geregelten Importauf-lagen (ja, die gibt es) genauer unter die Lupe zu nehmen.
Verwöhnte japanische Rindsviecher?
Der Mythos, der das außergewöhnliche Fleisch aus Japan umweht, eilte…
Fotos: Helge Kirchberger/Red Bull Hangar-7, Jakob Kiesenhofer/www.jakob-holzmanufaktur.at,
Barbara Hartmann/www.sakurawagyu.de, Shutterstock, Florian Bolk
Am 8. Juli 2014 war es so weit. Rund 80 Menschen, da-runter Journalisten, Handels- und offizielle Vertreter, versammelten sich im ANA Crown Plaza Kobe und begangen eine feierliche Zeremonie zu Ehren des ersten Kobe-Beef-Exports in die EU. Mr. Takashi Uera, Vorsitzender der Kobe Beef Marketing and Distribution Association, freute sich in seiner Ansprache: „Kobe Beef öffnet die Türen zur Welt.“ Nur einen Tag später kamen in Europa rund 2500 Kilogramm des mittlerweile zum Mythos hochstilisierten Luxusfleischs an. Der 9. Juli 2014 – ein Jubeltag?
Auf jeden Fall ist er das für Anhänger von Kobe Beef und diejenigen, die schon lange wissen wollten, welche Fleischspezialität Connaisseurs weltweit seit Jahren in Schnappatmung versetzt. Der Einfuhr geht ein striktes Exportverbot vonseiten der japanischen Regierung voraus. Das – schließlich aufgehoben – in ein zähes Zulassungsverfahren nach EU-Standards mündete. Mit der lang ersehnten Einfuhrbewilligung scheint das als bestes Fleisch der Welt gehandelte Kobe Beef endlich angekommen zu sein, um den europäischen Gaumen zu schmeicheln. Mehr als Grund genug, das Produkt mit seiner unvergleichlichen Fettmarmorierung, dem außergewöhnlichen buttrig-nussigen Geschmack und der zartschmelzende Textur inklusive seiner streng geregelten Importauf-lagen (ja, die gibt es) genauer unter die Lupe zu nehmen.
Verwöhnte japanische Rindsviecher?
Der Mythos, der das außergewöhnliche Fleisch aus Japan umweht, eilte seiner tatsächlichen Ankunft in Europa weit vo-raus. Geschürt wurde der Kobe-Hype, der langsam aber stetig an Fahrtwind gewann, durch jahrelange Legendenbildung über die höchst mysteriös anmutenden Zuchtmethoden. Lässt man sich die Highlights dieser Geschichten auf der Zunge zergehen, entsteht das Bild vom Luxusleben im japanischen Wellnessstall: Besänftigt durch klassische Musik, so heißt es immer wieder, genießen die somit hoffentlich glücklichsten Rinder der Welt Massagen zur Entspannung (und Optimierung der Fleischqualität), freuen sich ab und an über ein vollmundiges Bier oder eine erfrischende Abreibung mit Reiswein. Man wagt es kaum anzudeuten, aber ein wenig wohler wird es einem schon ums Herz, wenn man diese Storys als verkaufsfördernde Marketingstrategien und Mechanismen zur Mystifizierung des Produktes entlarvt. Weniger Wohlgefühl verbreitet hingegen die triste Tatsache, dass Kobe deshalb nicht automatisch glückliche Rinderherden bedeutet. Die Zuchtmethoden können zwar je nach Betrieb unterschiedlich ausfallen, zeichnen aber nicht das romantische Bild der divamäßigen Edelkuh, die sich ihres schönen Lebens freut, bis sie wiederum mit ihrem Ableben für die Freude anderer zuständig ist. Dieser Kreis schließt sich kaum.
Das Geschäft mit dem Kobe ist zwar keine klassische Massenproduktion – allein aufgrund des großen Aufwands nicht. Als ethisch einwandfrei ist sie aber in vielen Fällen leider genauso wenig einzustufen. Das Bild vom glücklichen Rind auf der Weide hat in Japan schon deshalb kaum Platz, weil es diesen auf den dicht besiedelten Inseln schlichtweg nicht gibt. Die Folge heißt in der Regel Stallhaltung, bei der die Rinder ihr Dasein zumeist angebunden fristen. Sehr wohl wird aber Sorge getragen, dass der Stress-level niedrig ausfällt. Der beeinträchtigt ja die Qualität des Endproduktes. Aber woher rührt die nun wirklich?
Alte Rasse – neu entdeckt
Kurz und knapp auf den Punkt gebracht: Das Geheimnis ist das intramuskuläre Fett des Wagyus, das dem Kobe Beef genetisch zugrunde liegt und einzigartige Eigenschaften aufweist. Wagyu bedeutet im Übrigen nichts anderes als „Rind“ (Gyu) „von Japan“ (Wa) und bezieht sich konkret auf die Rasse Tajima-ushi, sprich japanisches Schwarzvieh. Seine Domestizierung erfolgte in den Jahren 0 bis 200 n. Chr durch die Koreaner und Chinesen, welche die Rinder wiederum aus Europa eingeführt hatten. Als sie den Weg vom asiatischen Festland auf die japanischen Inseln fanden, wurden die Rinder in erster Linie als Arbeitstiere genutzt, halfen beim Bau von Reisfeldern und Minen und wurden auch als Transportmittel herangezogen.
Verwöhnte japanische Rindsviecher?
Der Mythos, der das außergewöhnliche Fleisch aus Japan umweht, eilte seiner tatsächlichen Ankunft in Europa weit vo-raus. Geschürt wurde der Kobe-Hype, der langsam aber stetig an Fahrtwind gewann, durch jahrelange Legendenbildung über die höchst mysteriös anmutenden Zuchtmethoden. Lässt man sich die Highlights dieser Geschichten auf der Zunge zergehen, entsteht das Bild vom Luxusleben im japanischen Wellnessstall: Besänftigt durch klassische Musik, so heißt es immer wieder, genießen die somit hoffentlich glücklichsten Rinder der Welt Massagen zur Entspannung (und Optimierung der Fleischqualität), freuen sich ab und an über ein vollmundiges Bier oder eine erfrischende Abreibung mit Reiswein. Man wagt es kaum anzudeuten, aber ein wenig wohler wird es einem schon ums Herz, wenn man diese Storys als verkaufsfördernde Marketingstrategien und Mechanismen zur Mystifizierung des Produktes entlarvt.
Weniger Wohlgefühl verbreitet hingegen die triste Tatsache, dass Kobe deshalb nicht automatisch glückliche Rinderherden bedeutet. Die Zuchtmethoden können zwar je nach Betrieb unterschiedlich ausfallen, zeichnen aber nicht das romantische Bild der divamäßigen Edelkuh, die sich ihres schönen Lebens freut, bis sie wiederum mit ihrem Ableben für die Freude anderer zuständig ist. Dieser Kreis schließt sich kaum. Das Geschäft mit dem Kobe ist zwar keine klassische Massenproduktion – allein aufgrund des großen Aufwands nicht. Als ethisch einwandfrei ist sie aber in vielen Fällen leider genauso wenig einzustufen. Das Bild vom glücklichen Rind auf der Weide hat in Japan schon deshalb kaum Platz, weil es diesen auf den dicht besiedelten Inseln schlichtweg nicht gibt. Die Folge heißt in der Regel Stallhaltung, bei der die Rinder ihr Dasein zumeist angebunden fristen. Sehr wohl wird aber Sorge getragen, dass der Stress-level niedrig ausfällt. Der beeinträchtigt ja die Qualität des Endproduktes. Aber woher rührt die nun wirklich?
Die Frage um die Abstammung
Mit Kaiser Meiji veränderte sich das japanische Verhältnis zum Beef-Konsum: Im Jahr 1868 hob er das Verzehrverbot auf. Das Wagyu hatte daraufhin seinen ersten Hype unter den japanischen Kriegern, die vom Rindfleisch weit gestärkter ins Feld zogen als mit Fischkost. Auch in das Jahr 1868 fällt Japans Öffnung zum internationalen Handel. Ein reger Austausch begann und mit ihm die Mythenbildung um das legendär köstliche Fleisch der Wagyus. Seit dieser Zeit wurde in der Heimat des Kobe-Rindes, der Präfektur Hyogo, versucht, die genetische Linie der besten Zuchtrinder zu bewahren, was heute noch die gute Qualität der Tiere bestimmt. Eine rückverfolgbare Abstammung ist daher nicht nur für japanische Züchter ein absolutes Verkaufsargument. Nicht zuletzt aufgrund seiner reinen Blutlinie gilt Wagyu in Japan als lebendes Kulturgut. Klar, dass man dahinter war, dies zu bewahren – der Export von Wagyu, Embryonen, Samen und auch Wagyu-Fleisch in den Rest der Welt wurde daher strikt untersagt. Bis heute darf nur in Europa echtes Kobe-Beef verkauft werden. Wobei der Unterschied zum Wagyu hier lediglich in der geschützten geografischen Angabe „Kobe“ festzumachen ist, der Heimat der bekanntesten Wagyu-Linie. Sprich: Nur wenn das Rind aus reinrassiger Zucht stammt, in Kobe geboren und aufgewachsen ist sowie dort geschlachtet wurde, und am Ende ein ausgefuchstes Qualitätsbewertungssystem (Tajima Beef Certification System) mit Höchstnoten durchlaufen hat, dann ist es hochoffiziell ein Kobe Beef. Alles von außerhalb, selbst wenn die Kobeblutlinie gewahrt wurde, darf nur Kobestyle Beef gelabelt werden.
Rinderwahn all over
Das Exportverbot des begehrten Wagyus ist wie jedes andere Verbot auch: Wenn man es unbedingt umgehen möchte, findet sich schon ein Weg. So geschehen mit den Amerikanern, denen dies Mitte der 1990er gelang, als japanische Rinder zu Forschungszwecken in die USA gebracht wurden. Selbstverständlich war es den Japanern ein großes Anliegen, jedes Tier wieder heil zurückzubekommen. Die Legende besagt jedoch, dass die Amerikaner das nicht auf die Spermien und Eizellen der Rinder ummünzten und sie einfach behielten. Nicht verwunderlich ist daher, dass sich die USA, Kanada und Australien heute mit der größen Wagyu-Population außerhalb Japans schmücken dürfen.
In Deutschland und Österreich begann die Zucht erst ab 2006. Lucki Maurer, seines Zeichens Fleischexperte und Gastronom, war damals unter den Ersten, die das exklusive Rasse-Rind auf heimischen Boden brachten. Mit Samenraub und Embryonentransfer aus Fernost hat der Bayer jedoch nichts am Hut: „Unsere erste Kuh war eine acht Monate alte Färse und hat ein stolzes Loch von 12.000 Euro ins Budget geschlagen. Wir sind biozertifiziert und das wird man nicht, indem man Spermien aus Kanada und Eizellen aus Neuseeland holt, um sie hier in ein Fleckvieh einzusetzen.“ Der Erfolg gibt dem engagierten Tierliebhaber recht. Mittlerweile tummeln sich über 60 Wagyus auf saftig grünen bayrischen Wiesen.
Maurer hat sich mit anderen Wagyu-Züchtern Deutschlands, darunter auch Barbara Hartmann aus Hessen mit ihren als reinrassig gehandelten Rindern, zum Wagyu-Verband Deutschland zusammengeschlossen. Hartmann: „Dadurch, dass es keine Klassifizierung für Wagyu gibt, liegt es bei uns selbst, die Seriösität aufrechtzuerhalten.“ Was sie damit meint, erklärt sich so: Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Züchter und kreuzen Ihre Resi mit Wagyu-Genen. Das Ergebnis nennt man in der Genetik F1, was ein 50 zu 50 Verhältnis des Genmaterials beider Elterntiere beschreibt. Ab diesem Zeitpunkt darf das Kalb als Wagyu bezeichnet werden. Führt man das muntere Kreuzen weiter, indem als Ausgangsform stets das Ergebnis der letzten Kreuzungsstufe herangezogen wird, so gilt das Tier ab der Kreuzungsstufe F4 als Pure Breed. Der Vollständigkeit halber: Nur ein hundertprozentiges Wagyu darf Full-blood genannt werden. Denn ein Pure Breed wird immer einen minimalen Prozentsatz fremden Genguts mitbringen.
Heimisches Wagyu vs. Kobe Beef?
Auch in Österreich haben sich die Wagyu-Züchter in einem Verband zusammengeschlossen. Was sie mit den deutschen Kollegen verbindet, ist der Fokus auf artgerechte Haltung im Weideverband. Die wird von Züchtern wie Jakob Kiesenhofer aus dem oberösterreichischen Prandegg dem schnellen Geld vorgezogen, das durch das größere Bewusstsein für die außerordentliche Qualität von Wagyu Beef heute locker drin ist. Auch Lucki Maurer betont: „Meine Philosophie ist es, eine ethisch korrekte Zucht zu betreiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass japanisches Fleisch mit einem enorm hochgezüchteten Fettanteil dem entspricht.“
Eine Konkurrenz zwischen heimischen, australischen oder amerikanischen Wagyu-Züchtungen und dem Original aus Kobe zeichnet sich am Horizont nicht ab. Lucki Maurer: „Fast jeder weiß mittlerweile, dass Kobe Beef nicht billig ist und eine herausragende Qualität hat. Das kommt durch die Aufzucht, die fast doppelt so lange dauert wie bei anderen Hausrindern, die besondere Ernährung, den Verzicht auf Antibiotika und vieles mehr. All diese Faktoren gilt es, zu berücksichtigen, und da hilft es uns sogar, wenn die Leute von sich aus darauf kommen, dass sie mit Wagyu eine großartige, heimische Alternative zum Kult-Kobe haben.“
Akkreditierung zum ultimativen Genuss
Der nun mögliche Import von Kobe bringt aber nicht nur für die Züchter den einen oder anderen Vorteil. Die Begeisterung, mit dem fernöstlichen Luxusprodukt europäische Gaumen zu kitzeln, hat auch High-End-Lieferanten wie Albers Food, Otto Gourmet und Wiesbauer Gourmet erfasst. Alle drei zählen zu den akkreditierten Händlern, die das Aufnahmeverfahren durch die Kobe Beef Marketing and Distribution Promotion Association durchlaufen haben. „Vor 13 Jahren haben wir das erste Mal Wagyu aus Australien importiert“, erklärt Frank Albers von Albers Food. „Wir wollten daher auch die Ersten sein, die das Original aus Kobe anbieten.“ Ein Freibrief für die Gastronomen, die das Kobe auf ihre Karten holen möchten, bedeutet diese Akkreditierung der Händler jedoch nicht. „Alles muss über die Association laufen“, so Albers, „über den Händler tritt man mit den Vertretern in Kontakt und wird dann geprüft.“ Das sieht so aus: Der Betrieb muss eine Abnahmemenge von 360 Kilo im Jahr garantieren, das Kobe durchgehend auf der Speisekarte anbieten und darüber hinaus einen Schwur ablegen, mit dem man sich dazu verpflichtet, die Marke ehrenvoll zu vertreten. Zusätzlich wird eine Eintrittsgebühr von 400.000 Yen fällig (rund 3000 Euro). Die Strenge rührt daher, dass jedes Kobe Beef vom Teller bis zum Zuchtbetrieb per Zertifikat rückverfolgbar ist.
In Deutschland erfüllt diese Auflagen bisher das Restaurant Grill Royal in Berlin. Dort stimmen Frequenz und Anspruch mit den Anforderungen überein. Die Kunden sind begeistert – sie geben der Entscheidung zum Kobe recht. Aber auch Herr Takashi Uera, Vorsitzender der Kobe Beef Marketing and Distribution Association, dürfte über die neuen Wege, die sein kulturgewordenes Fleischgut geht, eine nachhaltige Freude haben.