Nippons Garten Eden

Japan ist gleich Sushi und Kobe? Von wegen! Wir holen die wahren (grünen) Stars der japanischen Küche ins Rampenlicht.
November 13, 2015

nippons-garten-eden-headerFotos: Wolfgang Hummer

Landkarte von JapanJapan is(s)t anders. Japan schmeckt vor allen Dingen auch ganz anders und hat sich mit seiner gesunden Küche als absolute Kulinarik-Weltmacht etabliert. Doch Japans Küche kann viel mehr als nur Sushi, Sashimi oder Ramen: Während nämlich in unseren Breitengraden vegetarische Küche lange Zeit Mangelware war und sich erst Schritt für Schritt als Trend festsetzt, ist Gemüse in Nippon seit jeher integraler Hauptbestandteil der Ernährung.

Wo auch immer man in Japan hingeht, fallen einem sofort die Gärten auf. Selbst in ziemlich dicht besiedelten Vororten wird jedes Fleckchen Erde mit Hingabe und Akribie kultiviert. Touristen sind auch immer wieder über die Strenge der Angebote bei Gemüse erstaunt: Wintergemüse, Frühjahrsgemüse, Sommergemüse und Herbstgemüse. Alles strikt nur nach Saison. Die Leidenschaft der Japaner geht sogar so weit, dass selbst Fast Food aus Gemüse besteht: Tsukemono etwa sind japanische Pickles. Sie spielen eine enorm wichtige Rolle in der traditionellen japanischen Küche: Ein Mahl ohne Tsukemono ist kein japanisches Mahl.

Sie werden als Okazu (Beilage zum Reis) serviert, aber auch als gesunder und wertvoller Snack zum Sake oder Bier und sind zusammen mit Reis wie Brot und Käse der westlichen Welt. In der japanischen Küche wird Gemüse grundsätzlich jedoch…

nippons-garten-eden-headerFotos: Wolfgang Hummer

phpHTIBslJapan is(s)t anders. Japan schmeckt vor allen Dingen auch ganz anders und hat sich mit seiner gesunden Küche als absolute Kulinarik-Weltmacht etabliert. Doch Japans Küche kann viel mehr als nur Sushi, Sashimi oder Ramen: Während nämlich in unseren Breitengraden vegetarische Küche lange Zeit Mangelware war und sich erst Schritt für Schritt als Trend festsetzt, ist Gemüse in Nippon seit jeher integraler Hauptbestandteil der Ernährung.

Wo auch immer man in Japan hingeht, fallen einem sofort die Gärten auf. Selbst in ziemlich dicht besiedelten Vororten wird jedes Fleckchen Erde mit Hingabe und Akribie kultiviert. Touristen sind auch immer wieder über die Strenge der Angebote bei Gemüse erstaunt: Wintergemüse, Frühjahrsgemüse, Sommergemüse und Herbstgemüse. Alles strikt nur nach Saison. Die Leidenschaft der Japaner geht sogar so weit, dass selbst Fast Food aus Gemüse besteht: Tsukemono etwa sind japanische Pickles. Sie spielen eine enorm wichtige Rolle in der traditionellen japanischen Küche: Ein Mahl ohne Tsukemono ist kein japanisches Mahl.

Sie werden als Okazu (Beilage zum Reis) serviert, aber auch als gesunder und wertvoller Snack zum Sake oder Bier und sind zusammen mit Reis wie Brot und Käse der westlichen Welt. In der japanischen Küche wird Gemüse grundsätzlich jedoch so frisch wie möglich serviert: Das bedeutet roh oder nur sehr kurz im kochenden Wasser gegart, so bleiben nämlich Farbe und Nährstoffe erhalten.

Japaner glauben, dass man am besten 30 verschiedene Essenskomponenten am Tag verspeisen sollte, das ist ideal, weil der Körper so alle Nährstoffe bekommt, die er braucht. Gerade Fleisch wird, wenn überhaupt, in sehr kleinen Portionen zu sich genommen. Generell gilt bei allen Lebensmitteln, aber insbesondere bei Gemüse: Klasse statt Masse. Die Japaner achten auf Qualität, die Produkte dürfen also auch teurer sein und kommen im Gegenzug einfach seltener auf den Tisch. Welche Exoten unter den Nippon-Gemüsesorten die spannendsten Gaumenerlebnisse bringen, zeigen die Folgeseiten.

phpfvmxewGOYA – 13 EUR/Stk

Kürbisgewächs mit Überraschungseffekt: Die Bittergurke wird noch vor der Reifung im grünen Zustand geerntet. Das Gemüse schmeckt bitter, entfaltet aber dennoch ein sehr angenehmes und schmackhaftes Aroma in der richtigen Kombination mit anderen Beilagen und Gewürzen. Wer vor der Zubereitung die Bitterstoffe der Frucht reduzieren möchte, kann sie grob schälen, in Stücke schneiden, salzen und nach etwa 15 Minuten abspülen.


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OKRA – 1,79 EUR/100 g

Okraschoten sind echte Schlankmacher: Gerade einmal 19 Kilokalorien und 0,2 Gramm Fett verbuchen 100 Gramm dieses Gemüses. Für die Gesundheit entscheidender ist allerdings ihr Reichtum an essenziellen Nährstoffen, Flavonoiden und Antioxidantien. Ob roh im Salat, in Suppen und Eintöpfen mitgegart oder in gutem Öl mit Gewürzen geschwenkt: Okra ist ein leicht verdauliches, vielseitig einsetzbares Gemüse.


phpWaIpBGGINKO – 2,50 EUR/100 g

Schon im alten Japan und China war die heilende Kraft der Blätter und Samen des Ginkgobaumes bekannt und noch immer werden sie als Nahrungsmittel und pflanzliche Arznei geschätzt. Erst nachdem der essbare Kern des Ginkgosamens gebacken, gekocht oder geröstet wurde, ist er bereit für den Verzehr. In der asiatischen Küche ist es weit verbreitet, gehackte und geröstete Ginkgosamen als Gewürz einzusetzen.


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GOBO – 6,95 EUR/kg

Japan ist das einzige Land, in dem Gobo kulinarisch verwendet wird, in China nutzt man die Klettenwurzel zu medizinischen Zwecken. Gobo ist sehr reich an Ballaststoffen, die Wurzeln haben einen typischen erdigen Geschmack. Für die Verwendung in der Küche wird Gobo oft in sehr feine Stücke gehobelt, diesen Schnitt nennt man „sasagaki“. Gobo wird etwa als Kinpira-gobo kurz angebraten und mit Shoyu, Mirin und Sake gewürzt.


phpb1WSgAOHBA – 1,88 EUR/100 g

Eines der wenigen bekannteren japanischen Kräuter. Es ist eines der traditionellen Gewürze für Sushi. Ein Ohba-Pesto schmeckt hervorragend und es gibt sogar einen mit Ohba gewürzten Kräutersenf. Mit den Blättern füllt man Fische und gesalzene Samen werden als Snack zum Knabbern angeboten.


phpqbVijuSASAGE – 1,89 EUR/100 g

Von der Augenbohne können mehrere Pflanzenteile verzehrt werden. Junge grüne Blätter werden wie Spinat als Blattgemüse zubereitet. Unreife Hülsen verarbeitet man ebenfalls als Gemüse. Grüne Samen werden gekocht als Frischgemüse genutzt. Die Samen der Augenbohne haben einen nussigen Geschmack und zerfallen im Gegensatz zu vielen anderen Bohnen nicht beim Kochen. Sie eignen sich für Suppen, Eintöpfe und Salate.


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FUSHIMI – 2,89 EUR/100 g

Fushimi ist ein aromatisch-würziger Chili, der vorwiegend in der Kansai-Region und in Kyoto angebaut wird. Eine kräftige Pflanze, die stark an Cayenne erinnert. Die Schoten lassen sich schnell und einfach lufttrocknen. Auch nach dem Trocknen haben sie noch ein sehr starkes und süßes Paprika-aroma. Da die Schärfe eher gering ist, eignen sich die Fushimi gut zur Herstellung von mildem Chilipulver.


phpk7nME5RENKON – 2,10 EUR/100 g

Die Lotuswurzel ist stärkehaltig, hat viele Vitamine und ist reich an Ballaststoffen. In Scheiben geschnitten und kurz gegart hat sie eine angenehm knusprige Konsistenz, wird sie länger gekocht, erinnert der Geschmack ein wenig an stärkehaltige Knollen wie Kartoffeln. Vor der Zubereitung muss die frische Wurzel geschält und in Essigwasser gelegt werden, damit sie sich nicht dunkel färbt.


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WASABI – 35 EUR/100 g

Giftgrün und höllisch scharf: Was wäre Sushi ohne Wasabi? Doch meist bekommt man nur billige Imitate aus einer künstlich gefärbten Meerrettich-Senf-Mischung. Wilder Wasabi wächst nur an Bachufern in flachem, kühlem, mineralstoffreichem fließendem Wasser, sodass die verfügbaren Mengen äußerst beschränkt sind. Das bedingt auch den extrem hohen Preis, der aktuell etwa bei 135 Euro pro Kilogramm liegt.


phpxM3brOSATOMIMO – 2,49 EUR/Stk.

Satoimo-Knollen können die Größe einer Steckrübe erreichen. Die kartoffelähnliche Pflanze ist reich an Provitamin A und Vitamin C. Allerdings enthält Satoimo auch schleimhautreizende Kristalle und ist roh ungenießbar. Deshalb sollte man ihn vor dem Verzehr zwei Mal mit frischem Wasser abkochen. Er lässt sich in Salzwasser kochen und eignet sich anschließend zum Rösten, Frittieren oder Backen. In jedem Fall benötigt er eine lange Garzeit, ist aber auch nahrhafter als die Kartoffel.


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French Connection
Der gebürtige Korse Lionel Beccat war vier Jahre lang Sous chef im restaurant maison troisgros, bevor er 2006 in michel Troisgros’ Tokioter Restaurant Küchenchef wurde. Seit 2012 betreibt er sein eigenes restaurant esquisse, mit dem er zwei Sterne hält. Der franzose über das beinahe religiöse Verhältnis der Japaner zu ihrem gemüse und wie er selbst zum gläubigen wurde.

Sie leben nun bereits seit einigen Jahren im kulinarikverliebten Japan: Was hat Sie zu Beginn am meisten überrascht?
Lionel Beccat:
Dass Japaner eine so alte und starke Beziehung zu Gemüse haben. Es stammt aus dem Shintoismus, wo die Beziehung zwischen Mensch und Natur an allererster Stelle steht. Sie versuchen stets, sich ausgewogen zu ernähren, um dadurch auch einen gesunden Geist zu erlangen. Wenn man eine Zeit lang hier lebt, bemerkt man beim Essen eine gewisse Zufriedenheit. Nicht nur durch Geschmack, sondern dadurch, wie der Körper auf das, was man isst, reagiert. Während man hier den einfachen und puren Geschmack von nur einem Gemüse genießen kann, benötigen wir Barbaren in Europa viel mehr Aromen, Saucen und Zubereitungsarten.

Verarbeiten japanische Küchenchefs ihr Gemüse tatsächlich grundlegend anders als europäische?
Beccat:
Ja. Wir verwenden Gemüse doch meistens als Beilage und vermischen es dazu noch mit mehreren anderen Sorten, um einen anderen Geschmack zu erzeugen. Man muss dazu nur mal kurz in ein französisches Kochbuch reinblättern. In Japan hingegen läuft das komplett andersrum: Küchenchefs fokussieren sich nur auf eine Gemüsesorte und finden dadurch einen Weg, mit perfekter Technik, Einfühlungsvermögen und einer gewissen Philosophie den ultimativen Geschmack des Produkts herauszubekommen. Das führt oft dazu, dass wenig geschmacksversierte Europäer den Eindruck erhalten, japanisches Essen schmecke zu mild und zu fad. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wir haben es teilweise leider nur verlernt.

Welches Gemüse, das es in Europa nicht gibt, finden Sie extrem spannend?
Beccat:
Ohne Zweifel Gobo. Alleine dieses Gemüse ist schon ein Flugticket wert. Eigentlich kaum mit Worten zu beschreiben, aber diese Klettenwurzel hat einen tollen erdigen Geruch, eine knackige Textur und schmeckt nach Lakritze, Anis, Holz und Rüben. Absolut fantastisch.

Haben Sie auch neue Techniken der Gemüsezubereitung erlernt?
Beccat:
Dafür reicht mein Leben nicht aus, um alle verschiedenen Zubereitungsarten der Japaner zu erlernen. Aber nehmen wir das Beispiel Aubergine, bei der es viele Hürden zu überwinden gilt: Die Haut ist hart und schmeckt nicht wirklich, das Fleisch ist voller Flüssigkeit und Samen. Alleine für dieses Gemüse gibt es hier Hunderte Zubereitungsvarianten, aber die tollste habe ich vor sieben Jahren gelernt. Ich ging damals immer wieder in die Küche eines japanischen Kollegen, um mir einiges abzuschauen und eines Tages bekam er frische Auberginen. Er legte sie auf sein Schneidebrett und stand zehn Minuten regungslos davor. Wahrscheinlich versuchte er, die für dieses spezielle Stück beste Art der Zubereitung zu erfühlen. Dann legte er sie plötzlich auf Holzkohle und schabte zum Schluss die verbrannte Haut herunter. Er marinierte sie mit einer Dashi-Bouillon, Zitrusfrucht, Miso und japanischem Pfeffer. Ich habe sie nach sechs Stunden probiert und war sprachlos. Das hat meine persönliche Herangehensweise vollständig verändert.

Japaner scheinen Gemüse kaum zu würzen. Wie schafft man es, trotzdem einen grandiosen Geschmack zu erzeugen?
Beccat:
Sie würzen schon, aber kaum mit Salz, wie das bei uns in den meisten Fällen passiert. Sie glauben, dass Salz schrecklich für die Gesundheit ist und den tatsächlichen Geschmack zu stark verändert. Sie suchen nach weicheren Varianten des Würzens, um den Geschmack nicht zu stark zu verfälschen. Etwa mit Sojasauce, Miso, Meeralgen oder getrocknetem Fisch. Das sind alles Zutaten, die einen natürlichen Salzgehalt bereits in sich tragen. Das Ergebnis nach der Zubereitung schmeckt dann meist salzlos oder mild, aber perfekt ausbalanciert. Wenn ich nach längerer Zeit nach Frankreich zurückkehre, schmeckt mir alles viel zu salzig.


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Der Tokioter 2-Sterne-Koch Lionel Beccat
über das gemüsefanatische Japan.

Lionel Beccat
Der Troisgros-Schüler serviert in seinem Esquisse
grandiosen Japan-French-Fusionstyle.

www.esquissetokyo.com

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