Patrick Bittner: Ohne großes Theater
Auf dem Sprung zum zweiten Stern
Was meinst du, sind das zwei Sterne?“ – ein Running Gag zwischen Patrick Bittner und seinem Sous Chef Johannes Goll. Mit ambitioniertem Hintergrund. Beim Konzipieren neuer Gerichte pushen sich die beiden gegenseitig zu neuen kulinarischen Höchstleistungen – immer den zweiten Stern im Blick.
2009 erkochte der Westfale mit dem blonden Zopf als Markenzeichen den ersten Ritterschlag durch den Guide Michelin…
Auf dem Sprung zum zweiten Stern
„Was meinst du, sind das zwei Sterne?“ – ein Running Gag zwischen Patrick Bittner und seinem Sous Chef Johannes Goll.
Mit ambitioniertem Hintergrund. Beim Konzipieren neuer Gerichte pushen sich die beiden gegenseitig zu neuen kulinarischen Höchstleistungen – immer den zweiten Stern im Blick. 2009 erkochte der Westfale mit dem blonden Zopf als Markenzeichen den ersten Ritterschlag durch den Guide Michelin.
„Seit den letzten drei Jahren sind wir in den Startlöchern für den zweiten Stern“, gibt Bittner zu, „Das Talent und den Kopf dazu haben wir, wenn ich nur wüsste, woran es liegt.“ Und so bleibt der Running Gag weiter die treibende Kraft beim Experimentieren. „Jedes Gericht sollte schon eine Punktladung sein. Wenn etwas nur lecker ist, aber nicht mehr, dann landet es in der Schublade.“ Mit Kompromissen gibt sich der knapp 2-Meter-Hüne nicht zufrieden.
Die Luft ist dünner geworden in der Mainmetropole, waren es gerade einmal zwei Sternerestaurants in Frankfurt, als Bittner am Valentinstag im Jahr 2000 im Steigenberger Hotel Frankfurter Hof seinen Einstand feierte, sorgen heute neun Gourmettempel mit insgesamt elf Sternen für „positive Reibung“.
In den letzten 15 Jahren hat sich nicht nur in Frankfurt der Wind gedreht, auch das Restaurant Français hat Patrick Bittner kräftig umgekrempelt. Als er als Küchenchef übernimmt, kommt er aus Häusern wie dem Landhaus Scherrer in Hamburg, dem Hummerstübchen in Düsseldorf und nicht zuletzt dem Restaurant Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach.
Von Ruhm und Glanz des Restaurants Français aus früheren Zeiten ist damals wenig geblieben. Der Stern weg, die Karte mit einem sehr biederen, um nicht zu sagen angestaubtem Touch. Und die Steigenberger Gruppe holte mit Patrick Bittner einen jungen Küchenchef mit gerade einmal Ende 20, der sich mit dem Status quo nicht zufriedengeben wollte. „Ich hatte am Anfang dieses Surferimage, mit langen Haaren und dem Zopf war ich ein Exot.“
Zwei Wochen schaute er sich den laufenden Betrieb an und stellte klar: „Wenn ich das weitermache, dann schneide ich alle Zöpfe ab. wir werden sicher Gäste verprellen. Wenn wir das Ding an die Wand fahren, dann ist auch Feierabend für mich.“ Die Vorgaben des Hauses waren klar: Alles an Veränderung ist erlaubt, wenn sich der Erfolg einstellt.
Nur Edelprodukte haben mich genervt, ich wollte weg davon.
Patrick Bittner über Produkte in der Luxusgastronomie
Doch woher nimmt der Typ diese verdammte Gelassenheit und das Selbstvertrauen, einen Traditionsbetrieb völlig umzukrempeln? Wer Patrick Bittner kennt, der weiß, er liebt die Challenge um Perfektion und höchste Qualität – nicht nur in der Küche. Auch beim Sport.
Womit aber nicht einmal die Woche Muckibude gemeint ist. Wirklich Sport! 25 Kilometer Laufen und vier Kilometer Schwimmen am Tag! Mit der Laufeinheit startet er früh am Morgen, hier hat er die besten Ideen für neue Rezepte, danach geht es ins Restaurant und seine Mittagspause verbringt Bittner im Wasser. „Der Suchtfaktor ist schon sehr hoch, aber es gibt Entspanntheit und Ausgeglichenheit in der Küche, vielleicht weil ich schon ein bisschen müde bin“, scherzt der Spitzenkoch.
17 Punkte nach sechs Monaten
Im Restaurant Français im Steigenberger-Flaggschiff Frankfurter Hof startete Bittner vor 15 Jahren einen extremen Entschlackungskurs – schafft Smoking mit Schwalbenschwanz und weiße Handschuhe im Service ab, tauscht einen Teil des Teams aus und sorgt damit richtig für Unruhe.
Wichtige Schritte, um mehr Traffic zu generieren und ein anderes, jüngeres Publikum anzusprechen. „So blöd es klingt, die sterben uns auch weg“, sieht Bittner es pragmatisch.
Von wegen an die Wand fahren. Nach sechs Monaten kann sich das Français mit 17 Gault-Millau-Punkten schmücken. Patrick Bittners Kurs geht auf. Der Vertrauensvorschuss der Anfangszeit ist bis heute geblieben und so kann der Küchenchef quasi selbständig schalten und walten.
„Ich weiß, was ich hier habe, wenn ich sehe, wie hochklassige Kollegen wie Juan Amador am Kämpfen sind. Wenn der Laden nicht voll ist, bringt mir das keine schlaflose Nacht.“ Mit der weichen Polsterung eines 5-Sterne-Hauses wie dem Steigenberger genießt der Sternekoch fast unendliche Freiheiten bei der Gestaltung der Karte und beim Einkauf der edelsten Produkte. „Ich habe im Jahr fürs ganze Haus 40 Kilo Kaviar eingekauft. Der Kaviarhändler kratzt jeden Tag an der Tür, für die ist das bares Geld.“ Doch immer nur Steinbutt, Seezunge und Kaviar nervte Patrick Bittner.
„Ich wollte weg von den Edelprodukten, ich konnte das nicht mehr sehen. Da bricht man gerne mal aus und kocht eine bretonische Makrele oder eine Dorade. Viele Leute freut das.“ Wieder ein Bittner-Schritt mehr – weg vom typischen Bild eines Luxusrestaurants. Der reduzierte Wareneinsatz ist da ein nettes Beiwerk, das er gerne mitnimmt.
Ein Maul voll Geschmack auf einem Löffel. Bei uns ist das ohne viel Chichi.
Patrick Bittner über die typische Stilistik eines Tellers
Ein Maul voll Geschmack
Regional-frankophil mit verschiedenen Akzenten charakterisiert der Français-Chef seine Küche, auch einmal mit asiatischen Nuancen. „Jemand hat mir mal gesagt, ich hätte einen kalifornischen Stil, weil ich viel mit Frucht und Krustentieren arbeite. Man lernt ja nie aus“, lacht der 44-Jährige.
Schlicht und eingängig, das ist seine Handschrift. Gerichte, die geschmacklich eine Einheit bilden. Gerne setzt Bittner Akzente, dabei liebt er ein gewisses Säure-Spiel, wie auch bei seinem Signature der Gänsestopfleber. Sie darf im Vorspeisen-Repertoire des Restaurants nicht fehlen.
Die Schwere nimmt er dem Klassiker gerne mit „was Kaltem, was Fruchtigem und was Säurehaltigem“, wie aktuell bei der „Elsässer Gänseleber“ mit Aprikosenvariation, geschmortem Chinakohl und Erdnuss. Zwei, drei oder vier Komponenten – that’s it.
Für den Français-Küchenchef besteht die Kunst darin, dass man nichts mehr weglassen kann. „Das ist das Optimum. Ein typischer Patrick-Bittner-Gang ist, wenn wir so schlotzig kochen. Man hat einen tiefen Teller – Püree, Fisch drauf, Gemüse – und sticht mit dem Löffel durch und hat so ein Maul voll.
Alles auf einem Löffel ohne viel Chichi.“ Harmonisch muss es sein und Spaß machen. Provozieren und polarisieren überlässt Patrick Bittner anderen.
Zum Rezept geht’s hier: „Elsässer Gänseleber, Aprikosenvariation, geschmorter Chinakohl, Erdnuss“