Muto-Logy

Im Linzer MUTO schaffen drei Spitzen-Gastronomie-Erprobte den aktuell spannendste Herd der Landeshauptstadt.
Juli 20, 2017 | Text: Stephanie Fuchs | Fotos: Claudio Martinuzzi

Linz, Altstadt Nummer 7. Draußen vor dem Eingang ein riesiger Avcadobaum. Drinnen ein schlauchartiges Gewölbe, zehn Tische, keine Tischtücher, kein Essbesteck, exakt ein Bild an der Wand. Es folgt: ein Durchgang mit Spüle, Spirituosenwagen im Eck, schlichte Speisekarten auf Klemmbrettern, ein altes Wählscheibentelefon, Blümchenmuster-Kaffeetassen vom Edeltrödel. Vorbei am alten Römerbrunnen samt Schnörkelsitzgarnitur im Lichthof hin zur Küche.

Linz, Altstadt

Dort steht Werner Traxler, 32, lächelt, wischt sich die Hände am ins Schürzenband gesteckten Geschirrtuch, fester Händedruck. Hallo erst mal. Dann setzt er eine kleine Pfanne auf die Gasflamme. „Jetzt kommt die Ilse dran“, sagt Traxler, platziert behutsam ein tiefrotes Dry-Aged-Hüferscherzel am Pfannenrand. Ein paar Minuten später hat Ilse, die 13-jährige Milchkuh, auch schon Platz genommen neben Radieschen, Roggen und schwarzem Knoblauch.

Linz, Altstadt Nummer 7. Draußen vor dem Eingang ein riesiger Avcadobaum. Drinnen ein schlauchartiges Gewölbe, zehn Tische, keine Tischtücher, kein Essbesteck, exakt ein Bild an der Wand. Es folgt: ein Durchgang mit Spüle, Spirituosenwagen im Eck, schlichte Speisekarten auf Klemmbrettern, ein altes Wählscheibentelefon, Blümchenmuster-Kaffeetassen vom Edeltrödel. Vorbei am alten Römerbrunnen samt Schnörkelsitzgarnitur im Lichthof hin zur Küche.

Linz, Altstadt

Dort steht Werner Traxler, 32, lächelt, wischt sich die Hände am ins Schürzenband gesteckten Geschirrtuch, fester Händedruck. Hallo erst mal. Dann setzt er eine kleine Pfanne auf die Gasflamme. „Jetzt kommt die Ilse dran“, sagt Traxler, platziert behutsam ein tiefrotes Dry-Aged-Hüferscherzel am Pfannenrand. Ein paar Minuten später hat Ilse, die 13-jährige Milchkuh, auch schon Platz genommen neben Radieschen, Roggen und schwarzem Knoblauch.

So geht also tiefenentspannte, firlefanzbefreite Hochküche mitten in der Linzer Altstadt, denkt man so bei sich, während die halbe Nachbarschaft im Minutentakt auf ein paar freundliche Worte hereinschneit. Man muss nicht die hellste Gourmetkerze auf der Torte sein, um nach fünf Minuten im Haus Altstadt Nummer 7 erkannt zu haben: Hier geht Fine-Dining-Anachronistisches vor sich.

Mut zum Regelbruch

Tatsächlich ist das kleine Lokal in der Linzer Fußgängerzone ein Ort, der explizit dem Pippi-Langstrumpf-Motto „Sei frech und wild und wunderbar“ folgt, seitdem Michael Steininger, der Wirt, der in London seine Sommelierausbildung absolviert hatte und zuletzt Restaurantleiter im by preslmayer in Linz war, und Werner Traxler, der Koch, der zuvor bei Andreas Döllerer in Golling und Rainer Stranzinger in Vorchdorf werkte, hier eingezogen sind. Das war 2015.

Die Grätzelnachbarn, erzählt Steininger, haben sich gefreut über den frischen Wind im alten Gewölbe und bis zur Eröffnung auch mal mit angepackt. Den Kopf haben sie trotzdem geschüttelt, weil: Wie sollte sich denn so ein kleines Lokal auch tragen, das noch dazu nur von Montag bis Mittwoch offen hat? „Anders wäre es aber nicht gegangen, weil wir zwei ja am Anfang Putzfrau, Koch, Abwäscher und Serviceleiter in Personalunion waren“, sagt Michael Steininger. Dass den beiden Neo-Restauranbesitzern die als konservativ und skeptisch verschrienen Linzer von Anfang an die Bude einrannten und mittlerweile wochenends sogar die Wiener Klientel herbeiströmt, darf als Beleg dafür gewertet werden, dass Steininger und Traxl mit ihrem quergebürsteten Konzept die latent an mangelndem Einfallsreichtum leidende Linzer Gastroszene wirklich erfolgreich aufgemischt haben.

Dieses Konzept beruht in allererster Linie auf der Idee, mit den gängigen Eckpfeilern eines gehobenen Speise-Etablissements zu brechen. Soll heißen: klassisch französisch angehauchte Küche, standardisiert eingedeckte Tische und Serviceabläufe, Formalitäten eben. „Wir haben ja beide lange in renommierten Häusern gearbeitet“, sagt Steininger. „Da lernst du viel, aber du bist in einem starren strukturellen Rädchen, in dem wenig Platz für Freiheit und Herausforderung ist. Wir wollten mit diesen Konventionen brechen, weil wir beide davon überzeugt sind, dass das Outfit eines Kellners oder ein minimalistisch eingedeckter Tisch nichts über die Qualität der Küche oder des Service aussagen.“

Tatsächlich ist es die Summe vieler kleiner Regelbrüche auf hohem Niveau, die das MUTO so deutlich von anderen Feinspeiselokalen der Umgebung abhebt. So setzt Steininger wenig Österreich und viel Welt auf die Weinkarte, serviert zu Meeresfrüchten lieber einen Albariño aus Spanien als einen Grünen Veltliner aus Niederösterreich. „Weil der Spanier einfach besser passt, aber auch, weil ich vor allem das Linzer Publikum ein bisschen herausfordern, im positivsten Sinn sekkieren möchte.“

Provokation ist Teil der MUTO-DNA. Wenn das jemand nicht versteht – okay!
Michael Steininger, Restaurantleiter und Sommelier des MUTO

Nicht sekkieren, aber – zumindest optisch – provozieren will auch die Küche, wenn sie eine mit einem Messer ans Holzbrett getackerte, mit Geflügelfarce gefüllte Blutwachtel im Ganzen serviert oder ein Rehgericht namens „Traktor“ mit blutroten Saucenspritzern auf dem Teller anrichtet. Steininger, der auch mal in kurzen Hosen Abendservice macht, sagt, dass sei die Art von Provokation, die einfach zum MUTO dazugehöre. Ob derlei Inszenierung nicht auch als Ausdruck fehlender Wertschätzung des Rohprodukts verstanden werden könnte?

Gericht vom Küchen-Duo Traxler/Priestner

„Schon möglich. Aber wer uns kennt, der weiß, dass uns jedes Produkt heilig ist, nur verarbeiten wir es eben ein wenig abseits der Norm, mit Witz und Freude am Spiel. Wenn das jemand nicht versteht – okay.“ Völlig okay ist für Steininger auch, dass die zehn Tische abends nicht gedreht werden. Dieser fast schon zur Ausnahme geratene Zugang zur Bewirtung hat philosophische wie wirtschaftliche Gründe.

Die Gäste sollen sich Zeit nehmen dürfen für die Küche von Werner Traxler und Andreas Priestner, die sich den Küchenchefposten zwar teilen, aber abends jeweils alleine am Herd stehen. „Da kann es schon passieren, dass ein Hauptgericht 20 Minuten dauert“, sagt Steininger. „Wenn es schneller gehen sollte, dann müsste ich mehr Personal bezahlen, und das können wir uns momentan einfach nicht leisten.“

Freispiel auf allen Ebenen

Was sich die MUTO-Jungs sehr wohl leisten, ist allererste Rohproduktqualität – und ein klares Bekenntnis zum globalen Teller. Zwar bleiben die Küchenchefs der Region auch treu, beziehen Bio-Saisongemüse aus Linz-Umgebung, Wollschweine vom Reindl-Hof aus Freistadt oder Wachteln aus Laakirchen, kombinieren diese aber ebenso gekonnt wie ungehemmt mit internationalen Texturen und Aromen. Und so findet eben nicht nur ein Schweinskopf mit Frischkäse, Holler und Airbag auf die Karte, sondern auch Presa vom Ibérico mit grünem Spargel, Mairübe und Doenjang, einer koreanischen Paste aus fermentierten Sojabohnen.

In puncto Feingeist, Aromenspiel und Kreativität könnte sich das Küchen-Duo Traxler/Priestner locker in die Gault-Millau-Hauben-Riege einreihen. Wenn es denn wollte. „Wir haben zwar Anfragen für eine Bewertung bekommen, aber für uns ist das kein Thema“, sagt Michael Steininger. „Zu uns kommen keine typischen Gault-Millau-Esser, sondern neugierige, qualitätsbewusste Gäste. Mit einer Bewertung verändert sich das Publikum automatisch und es entsteht ein Druck, den wir uns alle drei nicht auferlegen wollen.“ Über ihre Falstaff-Bewertung mit 87 Punkten hätten sie sich aber natürlich schon gefreut, ergänzt Steininger. Man nimmt das Lob, wenn man es nicht verhindern kann.

Kreation des Küchen-Duos Traxler/Priestner

Wenn man den Wirt und den Koch fragt, was sie sich für die Zukunft wünschen, dann sagen sie: dass die Gäste nicht aufhören, neugierig auf ihre Küche zu sein. Die Wahrscheinlichkeit ist gering bei einem Trio, das es auch in diesem Punkt mit Pippi Langstrumpf hält. Die wird dank der Zauberpille Krummelus niemals erwachsen, so wie die MUTOs, ganz ohne Pille, ganz sicher niemals langweilig.

www.mutolinz.at

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