On oder off?
Fotos: Wolfgang Hummer, Frank Meyer
Ein Klub, der eigentlich ein Restaurant ist, das eigentlich eine Bar sein möchte, mit einem Chef, der nicht als solcher in Erscheinung tritt – oder zumindest glaubt, dass das gelingen könnte. Diese Schizophrenie eingebettet in einer Location, die bereits einige gastronomische Leichen in ihr Souterrain geholt hat, weitab vom Schuss der hanseatischen Kernpartyzone in Bahrenfeld. Darf man vorstellen: Das ist der neueste Hotspot Hamburgs. Der Off Club – von und ohne Tim Mälzer.
Clever eingefädelt ist das Marketingkonzept, von dem behauptet wird, dass es nicht existiere. Der Off Club ist Mälzers persönliches Wünsch-dir-Was von einem Laden, in dem er selbst gerne Gast wäre. Und der eher aus Verlegenheit als aus Verlangen in seine Hände geriet. Aber Freundschaft verpflichtet und eine durchzechte Nacht im Jahr 2013 später war es an Mälzer, aus den Räumlichkeiten des in die Binsen gegangenen Chezfou von Gastronom Milenko Gavrilovic ein wirtschaftlich rentables Projekt zu lancieren. Was ihn anfangs maßlos frustrierte, weil er nicht wusste, was genau er da auf die Beine stellen sollte. Erinnert wird an die Anfangsphase alleine durch den Namen. „Ich war so angepisst, dass ich das Ganze eigentlich Fuck Off Club nennen wollte. Dafür war ich dann aber zu sehr Schisser, und jetzt heißt es eben nur Off Club.“
Und der ist die 440 Quadratmeter große Verwirklichung der kulinarischen und optischen Villa Kunterbunt für Erwachsene in zwei Teilen und erschaffen mit einem kolportierten Investitionsvolumen von etwa 300.000 Euro…
Fotos: Wolfgang Hummer, Frank Meyer
Ein Klub, der eigentlich ein Restaurant ist, das eigentlich eine Bar sein möchte, mit einem Chef, der nicht als solcher in Erscheinung tritt – oder zumindest glaubt, dass das gelingen könnte. Diese Schizophrenie eingebettet in einer Location, die bereits einige gastronomische Leichen in ihr Souterrain geholt hat, weitab vom Schuss der hanseatischen Kernpartyzone in Bahrenfeld. Darf man vorstellen: Das ist der neueste Hotspot Hamburgs. Der Off Club – von und ohne Tim Mälzer.
Clever eingefädelt ist das Marketingkonzept, von dem behauptet wird, dass es nicht existiere. Der Off Club ist Mälzers persönliches Wünsch-dir-Was von einem Laden, in dem er selbst gerne Gast wäre. Und der eher aus Verlegenheit als aus Verlangen in seine Hände geriet. Aber Freundschaft verpflichtet und eine durchzechte Nacht im Jahr 2013 später war es an Mälzer, aus den Räumlichkeiten des in die Binsen gegangenen Chezfou von Gastronom Milenko Gavrilovic ein wirtschaftlich rentables Projekt zu lancieren. Was ihn anfangs maßlos frustrierte, weil er nicht wusste, was genau er da auf die Beine stellen sollte. Erinnert wird an die Anfangsphase alleine durch den Namen. „Ich war so angepisst, dass ich das Ganze eigentlich Fuck Off Club nennen wollte. Dafür war ich dann aber zu sehr Schisser, und jetzt heißt es eben nur Off Club.“
Und der ist die 440 Quadratmeter große Verwirklichung der kulinarischen und optischen Villa Kunterbunt für Erwachsene in zwei Teilen und erschaffen mit einem kolportierten Investitionsvolumen von etwa 300.000 Euro: Der vordere und nicht reservierbare Barbereich ist ganz stilecht eingerichtet mit Omis Blümchentischwäsche, einem schweren langen Holztisch, weißen Plastikstühlen an der seitlichen Verlängerung hin zum Spielzimmer und, so wie es der moderne, aufgeschlossene Gast von heute erwartet, mit scheinlos bunt zusammengewürfeltem Mobiliar und Wanddekoration vom Flohmarkt und aus der persönlichen Sammlung Mälzers.
Dass da ein Designerkonglomerat auch seine findigen Hände im Spiel hatte, wird löblicherweise nicht unter den Tex-Mex-Tresen gekehrt. Dass dieses aber nicht das letzte Wort bei der Gestaltung hat, weiß man, wenn man Tim Mälzer und seine Bande einmal getroffen hat. Die Treppe hinab ins mälzerische Wunderreich, vorbei an einer überdimensionalen silbernen Affenvisage, ist montags bis freitags ab 12 Uhr mittags frei zugänglich und führt zu einem täglich wechselnden Lunch. Jeweils ein Fleisch-, Fisch- und vegetarisches Gericht sowie eine Suppe oder ein Eintopf um etwa fünf bis elf Euro stehen im Angebot. Daneben gibt es aus der Rubrik „Munchies“ zu wählen.
Der Hinweis, was das bedeutet, liegt im Titel: „Munchies“ ist das englische Slangwort für Heißhungerattacke nach dem Genuss von bewusstseinserweiternden biologisch anbaubaren Substanzen. Sprich: Man bekommt echtes Essen, viel davon und zwar schnell. „Off/Clubsandwich“, „Monkey’s First Choice“ – ein Beef-Burger in einer eigens dafür kreierten Brioche mit Fritten – oder auch „Chickenwings“.
Passt, ist unkompliziert und eckt nicht weiter an. Ist dafür richtig geil und sauber zubereitet. Wie eben diese Brioche. Die kommt aus den Händen von Frank, einem ehemaligen Tankstellenbesitzer und Kfz-Meister, der mit 50 Jahren sein Metier wechseln wollte, im Off Club dazu die Chance bekam und sich dort das Brotbacken von der Pike auf selbst und mit den Grundrezepten von Mälzer und jenen von einem der Off-Club-Küchenchefs, nämlich Thomas Imbusch, beibrachte. Warum es mehr als einen Küchenchef gibt, dazu später. Jedenfalls werden heute täglich zehn Kilo Mehl von Frank gemeinsam mit Bruno und Benni, den beiden Sauerteigansätzen, verarbeitet. Nur eine Besonderheit im Kellergeschoss des ehemaligen Kraftwerkskomplexes im Grenzgebiet von Altona.
Bei der Bar um die Ecke geschlendert, wartet dann Madame X – die allerdings ihre Kunden mit Vorliebe von Mittwoch bis Samstag ab 17 Uhr abends empfängt – aber da ist sie keine Prinzipienreiterin. Die Madame X ist aber nicht die heimliche Hostess des Off Clubs, sondern der Ort, wo der kulinarische Striptease abgezogen wird. Roter Samt an den tiefen Polstergarnituren mit Platz für 32 gierige Schaulustige, rote Farbe an Wänden und Decke, gedimmtes Licht und ein monatlich wechselndes Menü für 65 Euro in sieben Gängen, die im Endeffekt dann aber doch bis zu zehn werden können. Die Themen dazu reichen von Japan über Handwerk bis hin zu Tscheina Taun (Tipp: Wenn man’s laut ausspricht, hat man es verstanden) und gerade eben ist die Dame in Südamerika angekommen.
Die anfangs noch gedachte Trennung des Barbereichs und der Madame X ist allerdings schon wieder am Wanken. Weil der Gast einfach das machen soll, was gefällt, und wer nicht in der roten Dunkelkammer sitzen möchte, kann sich Gänge des Madame-X-Menüs auch gerne nach draußen servieren lassen. Und sollte gerade Dienstag sein, gibt’s halt eben nur einen Auszug aus der Fine-Dine-Karte. Hat man schon mal bestellt und merkt, dass der Burger des Nachbarn doch ein bisschen schärfer macht oder eben andersherum, dann wird die Menüfolge gebrochen und umgeordert. Darauf ist das Personal sensibilisiert und die Küche eingestellt. Alles locker, alles leger, alles total entspannt. Mach dir die Welt so, wie sie dir gefällt – inklusive einer der besten Weinkarten Hamburgs (gestaltet von Ondre Kovar und Hendrik Thoma) mit Preziosen und ungewöhnlichen Gewächsen zu grandiosen Preisen macht das Ambiente meets Anti-Establishment. Und dabei wird auch noch raffinierte, am Boden gebliebene Küche serviert.
„Fuck Off Club“ heißen sollen.
Aber da war ich zu sehr
schisser für.
Großspurig oder echt groß?
Das klingt ganz prächtig nach Freibeutertum und gastronomischem Stinkefinger für hip-urbane Concept-Stores. Dass es zwischen diesen und dem Off Club einen großen Unterschied gibt, ist schwer zu glauben, auch wenn die Umsetzung schwer beeindruckend rüberkommt. Die ist zwar nicht jedermanns Sache – man beachte die Dichte des bis an die Haarspitzen tätowierten Personals –, aber jedermann muss ja nicht kommen, auch wenn jedermann willkommen ist. Doch während bei den meisten von diesen New-York-Lookalikes die Coolness strikt nach Plan verläuft und die Patina der Vintagemöbel von den glatten Kopiervorlagen abblättert, läuft hier etwas in eine andere Richtung. Der Unterschied: Im Off Club wirkt nichts aufgesetzt oder gezwungen. Weil es das eben nicht ist. Was im Wesentlichen an den Leuten liegt, die das Wunschkonzertkonzept operativ umsetzen. Hat Mälzer doch selbst den Aufruf nach „Leuten mit Kanten, Ecken, Persönlichkeit und Humor, von unterkühlt bis rotzfrech, von charmant bis zuvorkommend, von hier und von da“ gestartet. Er unterschlägt dabei aber die Tatsache, dass die auch extrem fit sind auf ihrem Fachgebiet. Die Crew sind aktuell elf Fix-Angestellte – davon zwei Azubis in der Küche –, vier Aushilfen sowie vier Teilzeitkräfte und konkret festgemacht an den dreien, die momentan das Ruder in der Hand halten: Philipp Jüngling, Thomas Imbusch und Michael Wolf.
Ersterer ist Mälzers selbst ernannter Stuntman, sprich, der Mann für die Openingphasen seiner Projekte. Da diese ja prächtig geklappt hat, ist Jüngling gerade dabei seine Agenden weiterzugeben, nämlich an Alexander Wöhrl, den Restaurantleiter des Off Clubs. Zweiterer, Thomas Imbusch, das ist der Küchenchef des Off Clubs. Oder eigentlich einer der anfangs drei. Mittlerweile hat sich Pâtissier Christian Andres wieder zur Gänze in die Bullerei zurückgezogen und Imbusch bildet nun mit Bullerei-Küchenchef Michael Wolf die kulinarische Volksfront des Off Clubs. Warum es nicht nur mit einem Küchenchef getan ist, das obliegt der mälzerischen Entscheidungsfreudigkeit und eventuell auch dem angewandten Dieter-Bohlen-Prinzip „Nur die Harten kommen in den Garten“.
Imbusch und Wolf sind beide umsatzbeteiligt und auch für die monatlich wechselnde Garderobe von Madame X verantwortlich. Dass Mälzer dabei auch mitredet, versteht sich von selbst. Ist ja dann doch sein Laden. Der Wareneinsatz für die bezaubernde Dame schwankt dabei zwischen ‚voll o. k.‘ und ‚gut, dass es nur einen Monat dauert‘. So schlug das Motto „Japan“ mit 45 Prozent definitiv am einschneidendsten zu Buche. Rechnet man allerdings den gesamten Off Club auf, macht das im monatlichen Schnitt seit der Eröffnung im November 2013 einen Wareneinsatz von 33 bis 35 Prozent bei einem Durchschnittsbon von 32 Euro für das Gesamtlokal.
Imbusch, 26 Jahre und einer der versiertesten Köche Deutschlands in Sachen Food-Know-how, steht dabei an der Off-Club-Küchenfront, managt den täglichen Ansturm und Wolf behält den Überblick von außerhalb. Gemeinsam mit dem Team wird ausbaldowert, was auf das Madame-X-Menü kommen könnte. Drei Wochen dauert es von der Ideenfindung über die Gerichtkonzeption bis hin zur Auswahl und finalen Abnahme durch Mälzer. „Tim ist einfach gut in dem, der hat eine super Zunge und weiß, wie man den Gast emotionalisiert. Der verkopft sich nicht.“
Dass dabei nicht 1:1 die authentische Länderküche gekocht wird, sondern immer eine eigenständige Interpretation, obliegt der Natur des Off Clubs – ist ja nicht der Hangar-7 hier. Das ist auch nicht das Ziel. Bei Südamerika denken die meisten an Limettenöl, Chili und braunen Zucker. Imbusch und Konsorten an Cevice. Aber anstatt Olivenöl machen die Lardo dran. Also Schweineschmalz gemeinsam mit dem säuregebeizten Fisch. „In dem auslaufenden Menü ‚Tscheina Taun‘ hatten wir ein Gericht mit Rotbarsch. Da war die Besonderheit die Garung des Fisches mit den Schuppen auf der Haut. Dabei wurde die Haut frittiert, um sie aufzustellen und kross zu machen. Durch die Kombination aus der tief konzentrierten Entenfuß-Brühe und der krossen Textur des Fisches halfen wir der Aromatik zu punkten. Oder einfach gesagt: Fling Ping Surf Turf.“
Was alle Gerichte trotz monatlicher Mottoparty auf dem Teller eint, ist der absolute Fokus auf das Produkt. Da lässt Imbusch, der in Sternehäusern wie bei Christian Bau sein Handwerk perfektionierte und sich in den Folgejahren die Weisheit, dass in der Einfachheit die Komplexität liegt, von Mälzer reinprügeln ließ, auch nicht mit sich reden. Da der Off Club auch über keine großartigen Lagerräumlichkeiten verfügt, gibt es weder Kartonware noch läuft die Bestellung mit oder über die Bullerei – was in Anbetracht der doppelten Chefetage ja möglich wäre. Doch da die Bullerei in Dimensionen wie 900 Kilogramm Ibérico einkauft und der Off Club davon maximal zwei Rags für sich verwenden könnte, überstiege der administrative Aufwand die Effizienz einer gemeinsamen Einkaufsliste. Imbusch hält es da mit seinen kleinen Produzenten, wie etwa der Schlachterei Hans Wagner oder Rico Schlegl. Von dem hat er etwa die neun Monate alten Jungbullen. Exklusiv. Denn davon stehen keine mehr auf der Weide.
Und weil die Rede gerade von Bullen ist – Mälzer hat es gemeinsam mit seiner Peter-Pan-Bande geschafft, im dann doch ein wenig biederen Hamburg ein neues Konzept für Anti-Gourmet-Helden mit Geschmack zu etablieren. Und das wird hoffentlich bald Schule machen.