Corona-Krise: Wie steht es um die Spargel- und Gemüsebauern?
Jenseits von Toilettenpapier und Fertigsuppen
Erst gestern verkündete der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, was Experten und Virologen schon länger befürchtet haben: Dass die Corona-Krise „sehr, sehr lange dauern“ werde. Dass er damit zweifellos recht hat, steht soweit außer Frage. Was das genau bedeutet, lässt sich momentan in der Lebensmittelbranche erahnen.
Nein, wir sprechen hier weder von Klopapier – von dem man ja glauben möchte, dass Österreicher und Deutsche es im Ernstfall liebend gerne verschlingen würden –, noch von Nudeln oder Fertigsuppen. Sondern von saisonalen Produkten wie Spargel, Erdbeeren – und je nach Land unterschiedlichsten Gemüsesorten. Denn genau die sollten in den kommenden Wochen geerntet werden.
Das Problem? Ähnlich wie in der Pflege sind viele West- und Südeuropäische Staaten auf Billig- bis Billigstarbeitskräfte als Erntehelfer angewiesen. Und diese werden aufgrund der Corona-Krise dieses Jahr wohl in erschreckendem Ausmaß ausbleiben. Was also tun?
Wie schlimm steht es um die italienischen Bauern?
Am dramatischsten scheint die Lage momentan – wenig überraschend – in Italien zu sein. Denn laut dem italienischen Landwirtschaftsverband Coldiretti sagen immer mehr Saisonarbeiter aus Rumänien, Bulgarien und Polen ihren Einsatz für die italienische Erntezeit ab.
Die Absage der Rumänen, die immerhin ein Drittel (!) der Erntehelfer in Italien ausmachen, hat es dabei ordentlich in sich. Denn dass die rumänische Regierung eine zweiwöchige Quarantäne für Rückkehrer aus Norditalien verhängt hat, hat viele rumänische Erntehelfer abgeschreckt.
Wie die Luzerner Zeitung berichtet, leisten die rund 370.000 ausländischen Saisonarbeiter über ein Viertel der erntebedingten Arbeitsstunden – ein enormer Verlust könnte sich also bei der italienischen Ernte abzeichnen.
Stell dir vor, es ist Spargelernte und keiner geht hin
Besonders nervenaufreibend war und ist die Lage in Deutschland, vor allem in den Bundesländern Bayern und Hessen. Dort sollte in einigen Tagen eigentlich die Spargelernte losgehen. Nur: Die meisten Erntehelfer bleiben aus.
„Im Prinzip geht gerade die blanke Panik durch“, sagt Simon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdeerbauern (VSSE) gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Der Grund: Seit Montag ist bekanntlich die ungarische Grenze für den Personenverkehr geschlossen.
Dabei geht es nicht wirklich um die Ungarn, sondern vielmehr um Rumänen, die erstens 80 bis 90 Prozent der Erntehelfer in deutschen Spargel- und Erdbeerbetrieben ausmachen und die zweitens immer die Route über Ungarn nutzen.
Die momentane Lösung dieses Problems ist gelinde gesagt halbgar: Nur aus Deutschlands direkten Nachbarstaaten dürfen Erntehelfer einreisen – Polen und Tschechen wären also eine Option.
Nur: All das darf nur nach Vorlage von diversen Papieren wie Arbeitsverträgen, Auftragsunterlagen und Grenzgängerkarten passieren. Ob unter solchen Bedingungen die rund 280.000 ausländischen Saisonarbeitskräfte für den deutschen Obst-, Gemüse- und Weinbau ersetzt werden können, ist fraglich.
Ex-Gastro-Mitarbeiter als Erntehelfer?
Indes polarisiert jedenfalls der Vorschlag der deutschen Bundesagrarministern Julia Klöckner. So sollen Gastro-Mitarbeiter, von denen eine Vielzahl aufgrund der Restaurantschließungen und Umsatzeinbußen zum Nichtstun verurteilt sind, im wahrsten Sinne des Wortes auf die Felder geschickt werden.
Für VSSE-Sprecher Schumacher keine gute Idee. Denn Gastro-Mitarbeiter hätten durch ihren großen Kontakt zur Bevölkerung auch ein erhöhtes Infektionsrisiko, so Schumacher zum Bayerischen Rundfunk. Der deutsche Obst- und Spargelbauer Ingo Ehrenfeld hingegen kann dem Vorschlag der Landwirtschaftsministerin einiges abgewinnen.
Gegenüber den Stuttgarter Nachrichten gab der Landwirt zu Protokoll: „Unsere Erntehelfer wohnen in zwei Häusern, sind zum Arbeiten in Deutschland und bleiben in ihrer Gruppe.“ Gastro-Mitarbeiter – beziehungsweise ehemalige – würden stattdessen jeden Abend zurück in ihre Heimatorte zu ihren Familien fahren, was hinsichtlich des Infektionsschutzes weniger günstig sei.
Ob die Lösung von Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber auch bundesweit Schule macht, wird sich wohl demnächst weisen. Denn laut Kaniber sollen – Stand heute, Mittwoch – Erntehelfer ungeachtet der aktuellen Einreisebeschränkungen nach Deutschland kommen dürfen, und zwar mithilfe spezieller Formulare, die die Betriebe den gewillten Helfen aushändigen können.
Corona-Krise: Auch eine historische Chance für die Landwirtschaft?
Diese verworrene Gemengelage macht jedenfalls klar: Es müssen rasch, und zwar sehr rasch, Lösungen her. Ansonsten drohen Gemüsebauern existenzielle Einbußen, die nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verhängnisvoll sein könnten.
Andererseits: Die Corona-Krise bietet den Bauern auch eine einmalige Chance, mit der Politik konkrete Lösungen einer vermehrten nationalen Selbstversorgung zu erarbeiten.
Außerdem könnte diese historische Herausforderung auch dazu dienen, Arbeitsbedingungen und Abhängigkeit von ausländischen Erntehelfern zu hinterfragen. Fest steht: Nur so werden die Landwirtschaft und ihre Produzenten an dieser Krise wachsen können.