Gastro-Deutschland in Zeiten der Corona-Krise
Auch das Corona-Virus ist Ländersache
Erstaunlich, nein: verstörend lange hat es gebraucht, bis die Corona-Krise auch die deutsche Bundesregierung zum Handeln zwang. Jetzt, nur wenige Tage nach der ersten Panik-Welle, hagelt es quasi im Stundentakt neue Maßnahmen, die in der Form und Dichte wohl noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik erlassen worden sind. Sie zeigen: Deutschland ist auch in gastronomischer Hinsicht im völligen Ausnahmezustand.
Nichts desto trotz: Im Gegensatz zum föderalen Österreich – in dem ansonsten weiß Gott wie viele Bereiche „Ländersache“ sind – fällt der große Nachbar diesmal selbst mit einer auffallend fragmentierten Vorgehensweise auf.
Von Baden-Württemberg über Bremen ist, so scheint es, die konkrete Situation für Gastronomen je nach Bundesland eine jeweils andere. Was ist der – momentane – Stand der Dinge? Und was bedeutet er für die betroffenen Unternehmer?
Was hat es mit den Corona-Hilfskrediten auf sich?
Zunächst einmal: Die Bundespolitik weiß, dass wirtschaftlich Not am Mann ist. Das gilt auch und vor allem für die Gastronomie. Um den wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern, verkündete die Bundesregierung daher heute, dass betroffene Betriebe ab sofort entsprechende Hilfskredite beantragen können.
Die Unterstützung wird über die Hausbanken beantragt, wie die staatliche Förderbank KfW und die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) heute in Frankfurt mitteilten. „Wir übernehmen Verantwortung und tun alles, um Unternehmen in Deutschland zu helfen und sie schnell mit Liquidität zu versorgen“, sagte KfW-Chef Günter Bräunig.
Konkret bedeutet das Folgendes: Die Förderbank bietet den Geschäftsbanken je nach Programm an, bis zu 80 Prozent des Kreditrisikos zu übernehmen. Das soll den Finanzinstituten die Vergabe von Darlehen erleichtern. Die Förderbank erhält dafür staatliche Garantien. Wie relevant diese Maßnahme ist, wird sich in den nächsten Wochen anhand der Anzahl der eingereichten Anträge zeigen.
Kurzarbeit: Macht’s Kurz besser?
Wo der Bund ebenfalls – zumindest Stand jetzt – geschlossen auftritt: Kurzarbeit, bzw. auf gut preußisch: Kurzarbeitergeld. Kein Geringerer als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil forderte, Lohnausfälle durch Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise möglichst gering zu halten.
Was Unternehmer jedoch aufhorchen ließ, war Heils folgender Satz: „Es ist so, dass die Arbeitgeber durchaus auch mehr zahlen können.“ Das sagte der Bundesminister gestern im Morgenmagazin des ARD.
Es werde daher in Gesprächen mit der Wirtschaft auch darum gehen „wie wir Lohnlücken schließen, um Kaufkraft zu sichern, gerade auch für Einkommensschwache.“
Ob das bedeutet, dass Unternehmen mehr Lohnanteile im Rahmen der Kurzarbeit zu bezahlen haben werden, als momentan geregelt, steht derzeit also wohl offen. Fest steht momentan jedenfalls, dass die Kurzarbeitsentlohnung in Deutschland jener Österreichs noch um einiges hinterherhinkt: Arbeitnehmer bekommen in Deutschland derzeit 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns.
Bei Arbeitnehmern mit Kind sind es 67 Prozent. Ausnahmen bilden nur einzelne Tarifverträge – österreichisch: Kollektivverträge –, wie zum Beispiel jener der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie (schon wieder länderspezifisch!), deren Gehälter laut Tarif auf 80,5 bis 97 Prozent des vorherigen Nettolohns aufgestockt werden.
Auch bei Volkswagen gibt es im Fall von Kurzarbeit Zuzahlungen auf 78 bis 95 Prozent. Weitere Bereiche mit Zuzahlungsvereinbarungen sind die Chemie, das bayerische Kfz-Handwerk oder die früheren Staatsbetriebe Deutsche Bahn und Deutsche Telekom. Zum Vergleich: In Österreich bekommen Arbeitnehmer im Rahmen von Kurzarbeit branchenübergreifend vom Staat zwischen 80 und 90 Prozent des Nettolohns.
Arm, aber selbstlos? Berlin verspricht Corona-Millionenprogramm
Ab hier, könnte man sagen, wird’s kompliziert. Denn auch die einzelnen Länder sehen sich natürlich in der Pflicht, das elementare Kulturgut Gastronomie nicht ganz hängen zu lassen. Beispiel Berlin: Dort wurde angesichts der drohenden Einkommensausfälle durch die Corona-Pandemie ein Millionenprogramm zur Sicherung von Unternehmen und Arbeitsplätze angekündigt.
In einem ersten Schritt sollen für den „Schutzschirm“ 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das kündigte gestern die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen an. Danach sollen über den Liquiditätsfond insgesamt bis zu 200 Millionen Euro bereitgestellt werden. Ob das reichen wird?
Gleichzeitig kündigte Pop etwas hieroglyphisch an, dass Steuervorauszahlungen der Lage angepasst werden sollen. Auch sollen zinsfreie Stundungen von Steuerschulden möglich sein. Dies sei mit der Finanzverwaltung abgesprochen.
Länderspezifische Öffnungszeiten: Wer darf wann?
Undurchsichtig, weil in einzelnen Bundesländern unterschiedlich, bleibt auch die gastronomische Lage rund um die Öffnungszeiten: In Baden-Württemberg beispielsweise sind alle Bars geschlossen, während nur Restaurants geöffnet bleiben dürfen, die einen Abstand von 1,5 Metern zwischen den Gästen gewährleisten können.
In den meisten Bundesländern dürfen Restaurants bis 18 Uhr geöffnet haben – in Nordrhein-Westfalen ist allerdings bereits um 15 Uhr Sperrschluss, in Hessen müssen sogar „Kneipen“ – also einfachere Wirtshäuser – vollständig schließen.
Auch in Rheinland-Pfalz ist die Lage dramatisch: Dort wurden Restaurants ebenso wie Kinos und Museen vollständig gesperrt. In Schleswig-Holstein gilt ab heute dasselbe: Alle Restaurants machen dicht und dürfen nur noch außer Haus verkaufen.
Fest steht momentan: Die Bundespolitik hat den Ernst der wirtschaftlichen und damit auch der gastronomischen Lage erkannt. Ob ihre bis dato verkündeten Maßnahmen die Gastronomie in dieser schwierigen Situation einigermaßen werden auffangen können, bleibt abzuwarten.
Mit den derzeit veranschlagten Budgets ist das jedenfalls zu bezweifeln. Außerdem bleibt die Lage für gastronomische Betriebe insofern nicht wirklich absehbar, als dass das jeweilige Bundesland den gegebenen rechtlichen Rahmen schnell nachschärfen kann, vor allem, was die Öffnungszeiten betrifft.
Andere Bundesländer sollten jedenfalls mit gutem Beispiel vorangehen und wie Berlin Ländermittel für Branchen zur Verfügung stellen, die wie die Gastronomie besonders unter der Corona-Krise leiden.