Sepp Schellhorn zur Corona-Krise: „Wir rechnen nicht damit, dass vor Mitte Juni irgendetwas geht“
Die Corona-Krise stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Die Tourismusbranche hat es bis jetzt besonders hart getroffen. Um die hohen Umsatzeinbußen einigermaßen zu lindern, beschließt die österreichische Regierung derzeit ein Hilfspaket nach dem anderen. Aber was kommt davon wirklich an? Und was braucht die Branche jetzt dringend?
Wir haben bei Sepp Schellhorn nachgefragt. Als Gastronom, Hotelier und Politiker erlebt er zurzeit beide Seiten der Krise. Seine fünf Betriebe sind, wie alle in Österreich, geschlossen. Als Neos-Wirtschaftssprecher fordert er weniger Bürokratie und schnellere Hilfe.
Sepp Schellhorn im Interview
Herr Schellhorn, seit fast zwei Wochen haben in Österreich alle Betriebe geschlossen. Wie steht die Lage der Nation?
Sepp Schellhorn: Die touristische Lage ist am Boden. Das Fatale an der ganzen Geschichte ist, dass dieser Dominostein Tourismus als Erstes gefallen ist – und wahrscheinlich als Letztes wieder hochkommt. Was jetzt im Moment kommt, ist nicht gar so rosig. Wenn wir allen Statements, auch jenen der Luftfahrtindustrie, Glauben schenken dürfen, dann wird es ein großes Problem werden, dass sich im Sommer alles aufrafft. Das sind besorgniserregende Aussichten. Da müssen wir zuallererst auf unsere Liquidität schauen. Die Rentabilität kommt dann erst später. Aber es ist bestimmt kein einfacher Zugang. Das Gute an der ganz schlechten Geschichte ist: Vielen wird jetzt bewusst sein, welche Bedeutung die Gastronomie, die Hotellerie und die Tourismuswirtschaft in diesem Land haben. Aber das wird relativ dramatisch.
Das Fatale an der ganzen Geschichte ist, dass dieser Dominostein Tourismus als Erstes gefallen ist – und wahrscheinlich als Letztes wieder hochkommt.
Für Sepp Schellhorn sind die Auswirkungen auf die Tourismuswirtschaft besorgniserregend
Momentan beschließt die Regierung fast täglich neue Hilfspakete für die Wirtschaft. Kann man sich als Gastronom oder Hotelier momentan überhaupt einen Durchblick verschaffen?
Schellhorn: Von dem anfänglichen Schulterschluss, dass wir uns alle dazu bekannt haben, dass Gesundheit vorgeht, muss ich sagen: Ja, aber danach geht es um alles. Danach geht es um die Wirtschaft, die Kleinbetriebe und die klein strukturierte Tourismuslandschaft. Das war jetzt 14 Tage lang eher eine Ankündigungspolitik. Und nun findet alles Stakkato-mäßig statt. Gestern wurde der Härtefonds präsentiert, der heute ab 17 Uhr bei der Wirtschaftskammer angesucht werden kann. Da wird es zu dem kommen, was wir immer kritisiert haben: maximale Bürokratie und minimale Sicherheit. Was wir aber brauchen, ist minimale Bürokratie und maximale Sicherheit. Und die ist nicht gegeben. Ein Best-Practice-Beispiel kommt aus der Schweiz. Dort hat der Bundesrat zusammen mit den Banken innerhalb von vier Tagen ein Paket beschlossen, dass völlig ent-bürokratisiert ist und klar darlegt, wie die Richtlinien sind. Nämlich: Dass jedes Unternehmen in der Schweiz einen zinsenlosen Kredit bekommt – mit einer Laufdauer von sieben Jahren und in Höhe von maximal zehn Prozent des Jahreseinkommens. Das ist auch an einer einzigen Stelle abzurufen.
Viele Gastronomen klagen zurzeit aber darüber, dass ein Überbrückungskredit das Problem nur aufschiebt, aber nicht aufhebt. Wie sehen Sie das?
Schellhorn: Hier haben wir schon die Problematik, dass ein Unternehmertum auch ein gewisses Risiko mit sich bringt. Es stimmt schon. Aber das größere Problem ist, dass wir zuerst an Liquidität kommen. Das ist der bürokratische Hürdenlauf, das hat mit den Bankenregularien zu tun. Jetzt muss es heißen, möglichst viele zu retten und möglichst vielen Betrieben Liquidität zukommen zu lassen. Danach brauchen wir längere Fristen, um das, was wir uns ausgeborgt haben, auch wieder zurückzahlen zu können. Wichtig ist, zu sagen, dass Gastronomie und Tourismus größtenteils immer am Rand gearbeitet haben. Das heißt, dass unsere Arbeitskosten immer viel zu hoch waren und wir keine Reserven aufbauen konnten.
Wie würde ein optimales Paket für die Tourismuswirtschaft ausschauen? Und wer sollte das innehaben? Aus Ihren bisherigen Interviews geht ja hervor, dass Sie dagegen sind, dass das die Wirtschaftskammer macht.
Schellhorn: Absolut. Meine Forderung war immer: schnell, kompetent und unbürokratisch. Und das sind jene, mit denen wir am meisten zu tun haben: die Finanzämter. Die kennen unsere Zahlen, unsere Zahlungsflüsse, unsere Umsätze und unsere Lohnkosten. Diese Stelle hätten die Finanzämter. Dort sind auch immerhin 14.000 Beamte angestellt. Bei der Wirtschaftskammer gibt es 3.500 Angestellte. Und die Wirtschaftskammer betreut jetzt einen Härtefonds. Das heißt, dass nach Gutdünken und Wohlwollen entschieden wird.
Wie sieht es momentan in Ihren Betrieben aus?
Schellhorn: Ich habe drei verschiedene Betriebstypen. Ich habe drei Betriebe, die reine Winterbetriebe sind. Dort wollten die Mitarbeiter nach Anordnung der Schließung der Skigebiete so schnell wie möglich nach Hause. Weil sie auch Angst hatten, dass sie nicht mehr nach Deutschland oder nach Ungarn zurück dürfen. Die haben wir abgemeldet. Meinen Stammbetrieb, der Seehof, der hat die Kurzarbeit gemeldet. Genauso wie der Betrieb in Salzburg. Es ist angespannt und ungewiss, ein Blindflug. Keiner kann sagen, wie lange der Lockdown noch aufrecht ist. Wir rechnen nicht damit, dass vor Mitte Juni irgendetwas geht.
Keiner kann sagen, wie lange der Lockdown auch noch aufrecht ist. Wir rechnen nicht damit, dass vor Mitte Juni irgendetwas geht.
Gastronom und Politiker Sepp Schellhorn zweifelt an einem Lockdown-Ende im April
Wie kommen Sie auf Mitte Juni?
Schellhorn: Wenn man Anschober glauben kann, heißt es, dass der Gipfel der Infizierten zwischen 15. April und 15. Mai erreicht ist. Dann gehe ich davon aus, dass der Lockdown da noch aufrecht erhalten wird – und wir erst im Juni wieder aufsperren können. Frühestens. Aber dennoch haben wir unsere Budgets in meinen Unternehmen revidiert. Wir rechnen dieses Jahr mit einem Umsatzrückgang von 50 Prozent bis zum 31.12. Das heißt, wir müssen unsere Mitarbeiter revidieren. Wir müssen schauen, dass wir unsere Kosten im Griff haben. Wenn wir mit 15. Juni aufsperren, haben wir dennoch 50 Prozent Umsatzrückgang. Aber hier schließt sich auch der Kreis mit der Bedeutung des Tourismus. Der investiert nämlich im Jahr 860 Millionen in Renovierung, in Ausbauten, in Wellnessanlagen. Und das Geld wird dann erst in der zweiten Hälfte des Jahres jenen Unternehmen fehlen, wo auch das Handwerk und das Baunebengewerbe dranhängt. Darum ist es mir auch so wichtig, dass ich mich für den Tourismus einsetze. Dass meine politische Arbeit genau auf die Klein- und Mittelbetriebe abzielt. Denn die haben, im Gegensatz zum Finanzminister, ein Minus am Konto. Die wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren oder Mitarbeiter beschäftigen.
Stichwort Mitarbeiter: Kommen wir nochmal auf den Punkt Kurzarbeit zurück. Im Tourismus sind viele Mitarbeiter vom Trinkgeld abhängig. Muss man die Nettoersatzrate daran anpassen?
Schellhorn: Das ist nicht machbar. Das wäre eine utopische Forderung. Man darf nicht vergessen: Der Unternehmer streckt bei der Kurzarbeit 100 Prozent der Lohnkosten vor. Also ich überweise jetzt am Monatsende einen sechstelligen Betrag der Mitarbeiter und bekomme das Geld, das ich ausgelegt habe, frühestens im Mai zurück. Vielleicht Mitte Mai, vielleicht Ende Mai, vielleicht Anfang Mai – wir wissen es nicht. Und auch davon kriege ich nur 80 Prozent wieder, die restlichen 20 Prozent bezahle ich als Unternehmer selber aus. Aber hier kann ich keine Unterschiede machen. Dann müsste ich den Taxler auch mitnehmen, oder Masseure und Friseure. Das ist finanziell nicht stemmbar. Was wir alle tun, ist das Bestmögliche: nämlich in Kurzarbeit zu schicken, damit die Mitarbeiter 100 Prozent ihres Gehalts erhalten.
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