Fisch & Hühnerhaut, geschüttelt nicht gerührt
Trinke lieber ungewöhnlich
Es gibt in Berlin, obwohl schon von Hause aus sehr schrill und bunt, dann hie und da noch versteckte Ecken, die noch um ein Vielfaches verrückter sind als die Torstraße in ihren Underground-Anfängen.
Tatsächlich gibt es die Kultstätte des Trinkens bereits seit 1991, eröffnet von Tom Zyankali. Die hat er eröffnet, weil es einfach keine guten Bars gegeben hat und Hotelbars waren auch nicht gerade ansprechend. Das Konzept dahinter ist so einfach erklärt, wie seine Drinks komplex sind: wissenschaftlich begründete Getränke in Reagenzgläsern. Vor knapp 30 Jahren revolutionär, heute noch in.
Was Tom Zyankali angeht, hatte er bis zur Eröffnung relativ wenig Ahnung von der Bartenderei. Dafür umso mehr von Extraktionstechniken. Das machte der Chemotechniker nämlich beruflich – und wie weit ist der Schritt schon von der Spurenanalyse auf Umweltgifte hin zu der Extraktion von Aromen. Für alle weit – eben nur nicht für Tom.
Ausschweifendes auf der Karte
Heute umfasst die Karte mehr als 120 Drinks. Einige davon sind sogar flaschenweise abzugeben. Das sind diejenigen, die nach monatelangen Reifeprozessen zu unglaublich weichen und komplexen Cocktails werden und mindestens ein Monat in der Flasche zugebracht haben. Weiteres Special die fassgereiften Cocktails oder die mit Butter extrahierten Aromen der Fatwashed Drinks.
Bekannt ist die Bar-Kultfigur Tom aber dadurch, dass auch mal Hühnerhaut, fermentierter Fisch oder Knoblauch-Schokolade im Glas landet. Perfektes und gleichzeitig ungewöhnliches Flavour-Pairing. Aber Mokka, Schokolade und Knoblauch bilden eben ein Triumvirat der Geschmackslust. Warum also nicht … Wie man das Ganze dann Flüssig bekommt, ist dann nur der nächste logische Gedankenschritt. Filtration ist hier der Schlüssel zum geräucherten Lamm im Drink. Ab und an ist es dann aber auch Blauschimmelkäse.
Im Moment ist es aber die Klarfiltration, die hoch im Kurs steht. Pflanzliche Gelantine setzt sich vor allem bei Säften und Kräutern ab, was ein optisch unhübsches Ergebnis liefert. Enzyme fressen bei Tom die Gelatine auf, dann folgen weitere klärende Arbeitsschritte mit Kaffeefilter & Co. und voila: Klare Drinks mit intensiveren Aromen. Bäm … Theken-Chemie die schmeckt.
Wer auf der umfangreichen Karte nichts passendes findet, der erzählt einfach über seine Lieblingsserie und Haustier und dann experimentiert Tom solange, bis er den passenden Cocktail im Shaker hat. Das einzige, was nicht gut kommt, ist die Frage nach Wein oder Bier. Das läuft in der Zyankali Bar nämlich unter alkoholischer Pädophilie – da fehle die Destillation und die ist wesentlich.
Übrigens: Wer den Barkeeper im Zyankali volllabern möchte, der zahlt 1,15 Euro pro Minute.
www.zyankali.de