Lichtgestalt
Fotos: Helge O. Sommer
Steirereck-Chef Heinz Reitbauer inspiriert Köche national wie international und motiviert kommende Generationen über den Tellerrand hinaus zu denken. Der 2-Sterne-Koch über Vorbildfunktion, Kritikfähigkeit und mut zu Authentizität.
Fühlen Sie sich als Leithammel?
Heinz Reitbauer: Ob ich ein Vorbild bin oder gar inspirierend, kann ich nicht beurteilen. Man kann ohnehin nur den Weg der vor einem liegt beschreiten. Ich habe sehr viel in meinem Leben gesehen und jede freie Sekunde in einem Wirtshaus irgendwo auf diesem Erdball verbracht. Zudem bin ich begeisterungsfähig. So entwickelt man glaube ich seine ganz eigene Persönlichkeit. Wenn man dann noch andere mit seiner Freude am Tun anstecken kann, ist das schon gut.
Wenn Sie an Ihre Ausbildung zurückdenken: Wer oder was war für Sie inspirierend?
Reitbauer: Inspirierend waren für mich viele meiner ehemaligen Chefs, denn jeder hatte seine ganz individuellen Stärken und da konnte ich mir schon einiges abschauen. Ganz besonders wichtig waren für mich aber bestimmt die Obauer-Brüder und Alain Chapel. Bei Karl und Rudi hat mich schon damals die Zielstrebigkeit und Konsequenz fasziniert, mit der die beiden ihre Küche vorangetrieben haben. Bei Chapel in Lyon war es spannend zu erleben, dass jemand dermaßen auf alle Konventionen und Trends verzichtet und trotzdem so erfolgreich ist. Chapel hat sich einfach nichts gepfiffen. Diese Grundeinstellung verfolgt mich bis heute.
Wie wichtig ist ein Mentor in der Karriere?
Reitbauer: Man hört diesen Begriff vor allem in unserer Branche die ganze Zeit, aber…
Fotos: Helge O. Sommer
Steirereck-Chef Heinz Reitbauer inspiriert Köche national wie international und motiviert kommende Generationen über den Tellerrand hinaus zu denken. Der 2-Sterne-Koch über Vorbildfunktion, Kritikfähigkeit und mut zu Authentizität.
Fühlen Sie sich als Leithammel?
Heinz Reitbauer: Ob ich ein Vorbild bin oder gar inspirierend, kann ich nicht beurteilen. Man kann ohnehin nur den Weg der vor einem liegt beschreiten. Ich habe sehr viel in meinem Leben gesehen und jede freie Sekunde in einem Wirtshaus irgendwo auf diesem Erdball verbracht. Zudem bin ich begeisterungsfähig. So entwickelt man glaube ich seine ganz eigene Persönlichkeit. Wenn man dann noch andere mit seiner Freude am Tun anstecken kann, ist das schon gut.
Wenn Sie an Ihre Ausbildung zurückdenken: Wer oder was war für Sie inspirierend?
Reitbauer: Inspirierend waren für mich viele meiner ehemaligen Chefs, denn jeder hatte seine ganz individuellen Stärken und da konnte ich mir schon einiges abschauen. Ganz besonders wichtig waren für mich aber bestimmt die Obauer-Brüder und Alain Chapel. Bei Karl und Rudi hat mich schon damals die Zielstrebigkeit und Konsequenz fasziniert, mit der die beiden ihre Küche vorangetrieben haben. Bei Chapel in Lyon war es spannend zu erleben, dass jemand dermaßen auf alle Konventionen und Trends verzichtet und trotzdem so erfolgreich ist. Chapel hat sich einfach nichts gepfiffen. Diese Grundeinstellung verfolgt mich bis heute.
Wie wichtig ist ein Mentor in der Karriere?
Reitbauer: Man hört diesen Begriff vor allem in unserer Branche die ganze Zeit, aber ehrlich gesagt weiß ich gar nicht was ich damit anfangen soll.
Laut Definition ist ein Mentor eine erfahrene Person, die ihr fachliches Wissen oder ihr Erfahrungswissen an eine noch unerfahrenere Person weitergibt.
Reitbauer: Ich hatte zwar immer eine gute Beziehung zu den mir Vorgesetzten, aber ich könnte nicht sagen, dass mir so etwas wie Mentoring jemals untergekommen ist oder auch wichtig war.
Wichtig ist in Ihrer Karriere aber bestimmt die Familie. Sie sind im Familienbetrieb groß geworden und auch heute noch ist die Familie omnipräsent. Ist das der Schlüssel zum Erfolg?
Reitbauer: Wenn man im Familienbetrieb groß wird, ist das immer prägend und formt einen für das ganze Leben. Man kann aber nicht sagen, dass das der einzig wahre und ultimative Weg ist. Wir sind und waren immer ein Familienbetrieb. Natürlich gibt es eine Geschäftsaufteilung auf dem Papier, aber wir arbeiten übergreifend. Das ist sicher ein Erfolgsgeheimnis unseres Hauses und unserer Familie. Zudem muss man sagen, dass man als Familienmitglied natürlich auch immer das Quäntchen mehr Gas gibt, als vielleicht ein extern engagierter Geschäftsführer oder Küchenchef.
Welche aktuellen Spitzenköche sind für Sie inspirierend?
Reitbauer: Da kann ich eigentlich niemanden nennen. Aktuell lasse ich mich viel eher durch alte Kochbücher inspirieren. Wir haben da ja auch einige ganz tolle Regale mit historischen Kochbüchern im Obergeschoß des Steirerecks. Unser Hauptziel ist es aber sowieso immer gegen den Trend zu denken. Kurz: Alles was die anderen machen, tun wir nicht!
Wie sehr benötigt ein Land einen Koch, der als Gallionsfigur auftritt?
Reitbauer: Natürlich sind Medienstars wie Ferran Adrià oder René Redzepi wichtig, um eine gewisse kulinarische Strömung anzukurbeln und auch eine Industrie zu bedienen. Es besteht aber auch eine gewisse Gefahr darin, sich medial so inszenieren zu lassen. Da kann es schnell gehen und man ist wieder weg vom Fenster. Das wäre natürlich schade für die Stilistik eines Kochs und das Renommee eines Landes. Da wird einem ganz flott der Boden unter den Füßen weggezogen.
Ist das der Grund, warum Sie nicht als Speerspitze der österreichischen Kulinarik ins internationale Fine-Dining-Rampenlicht stoßen?
Reitbauer: Ich finde, dass Österreichs Küche einfach viel breiter aufgestellt werden muss. Das kann man nicht so leicht an der Person Reitbauer alleine festmachen. Vielmehr gehören das Land und seine Produkte in den Vordergund. Das hat auch auf weite Sicht den längeren Atem. Darum glaube ich auch, das Österreich den richtigen Weg beschreitet. Ehrlicherweise muss man aber schon zugeben, das es diesen Essenstourismus wie in Spanien oder Skandinavien in Österreich noch nicht gibt.
Wie sehr darf man sich auf internationale Küchentrends fokussieren?
Reitbauer: Dazu einmal grundsätzlich: Es gibt keinen Allheilsweg. Und wenn man sich durch Restaurantbesuche oder Treffen mit anderen internationalen Köchen weiterbildet, ist das bestimmt nie verkehrt. Nur als Beispiel: Wenn ich als Steirer komplett auf asiatische Küche abfahre und mir da auch durch unzählige Restaurantbesuche und Reisen Inputs hole, ist es doch auch legitim, hier in der Steiermark eine Küche mit asiatischer Prägung zu kochen. Man muss das dann natürlich selbst in ein richtiges Maß setzen und versuchen, authentisch zu bleiben.
Wenn Sie bei den internationalen Events wie der 50-Best-Restaurants-Show in London oder auf der Madrid Fusion sind: wie ist da das Interesse in Bezug auf die österreichische Küche?
Reitbauer: Da stehen wir in der dritten Reihe und blinzeln an den Redzepis und Atalas vorbei. Und spricht man mit Journalisten, kann man froh sein, wenn sie gehört haben, dass in Österreich überhaupt gekocht wird. Doch darum geht es gar nicht. Diese Restaurants, wie auch das Steirereck, kann man durch harte Arbeit innerhalb von fünf bis zehn Jahren erzeugen. Eine nachhaltige Landwirtschaft lässt sich jedoch nicht so mir nix dir nix von einem Jahr aufs andere verändern. Das ist eine gesamtstaatliche Lebenseinstellung die wachsen muss. Eine Person alleine kann da nichts ausrichten, da muss viel mehr die Politik aktiver werden und Rahmenbedingungen schaffen. Genau das ist unser Kapital. Wir haben in Österreich bereits das Fundament, aber das Haus daraufzustellen, das wird noch um einiges schwieriger.
Können Spitzenköche Botschafter für Nachhaltigkeit und Produktqualität sein?
Reitbauer: Man kann auf Dinge hinweisen. Köche können Botschafter der Vielfalt sein und dafür setze ich mich immer gerne ein. Diesbezüglich ist es durchaus legitim die Medien zu benutzen, keinesfalls aber um sein eigenes Image aufzupolieren. Man hat als Koch aber in jedem Fall die Chance den Leuten ins Gewissen zu reden. Köchen glaubt man doch viel eher als einem Verkäufer, der durch geschicktes Marketing sein Produkt verkaufen will. Wir arbeiten tagtäglich mit den verschiedensten Waren und das wissen auch die Konsumenten. Dieses Vertrauen sollte man nicht missbrauchen!
Wie erfinden Sie eigentlich Kreationen wie den in Bienenwachs gegarten Attersee-Saibling?
Reitbauer: Solche Gerichte entwickeln sich meist aus einer Kombination aus mehreren Dingen. Es entspringt vor allem immer aus der Motivation heraus, einen bestimmten Geschmack einfangen zu wollen und bestimmte Aromastoffe nachzuempfinden. Wir haben beispielsweise fast jedes Produkt versucht in Bienenwachs zu garen. Es funktioniert auch wirklich prima, letztendlich haben wir uns dann aber eben für den Saibling entschieden. Und da wir keine Wiederholungstäter sein wollen, bleibt es dann bei dieser Variante und wir wenden die gleiche Technik nicht noch einmal bei einem anderen Produkt an. Nur für die EXPO Milano 2015 steuern wir die sogenannte „Erdwachsel“ bei. Das sind über 18 Stunden in Bienenwachs gegarte Erdäpfel, die mit einer animierend frischen Kräutermayonnaise serviert und vom Gast aus der duftenden Wachsschicht geschält werden.
Bleibt neben dem Tagesgeschäft und den unzähligen anderen Terminen überhaupt noch viel Zeit um kreativ zu werden?
Reitbauer: Wir versuchen sehr vehement eine 50:50-Aufteilung zu schaffen. Soll heißen, dass die eine Hälfte für das Tagesgeschäft draufgeht und die andere für die kreative Arbeit. Da wir ja ein großes Team sind, ist das möglich. Man muss sich aber schon sehr bewusst Freiräume dafür schaffen.
Kommen Ihnen Ideen für neue Gerichte nur in der Küche oder auch in ganz anderen Alltagssituationen?
Reitbauer: Sehr oft beim Spazierengehen, vor allem aber beim Autofahren. Man durchstreift in beiden Fällen die Natur, spürt den Wechsel der Jahreszeiten und irgendwie scheinen mich die verschiedensten Eindrücke die da an einem vorbeischießen ganz besonders zu inspirieren.
Gibt Ihre Frau auch Inputs in der Küche, oder ist das einzig und alleine Ihre Sache?
Reitbauer: Meine Frau gibt sogar ganz besonders kritische Inputs, da sie beinahe aus der Sicht eines Gasts urteilt. Kritik ist sowieso extrem wichtig, so weh sie auch manchmal tut. Lob ist nicht Motivation genug! Man muss als Koch definitiv an seiner Empfindlichkeit arbeiten. Wir sind da teilweise viel zu sensibel. Im Steirereck versuchen wir immer ein offenes Ohr für Kritik zu haben, vor allem auch innerhalb des Teams. Das ganze jedoch mit höflichem Ton und Respekt vor der Arbeit des anderen.
Denken Sie, das der einjährige Steirereckumbau auch für Ihre Weiterentwicklung wichtig war?
Reitbauer: Bestimmt sogar. Vielmehr für uns, als für die Gäste, genau genommen. Wir sind ja auch diejenigen die da Tag für Tag drin stecken und uns wohlfühlen müssen. Ich muss aber auch gestehen, das uns relativ schnell fad wird und wir neue Projekte benötigen. Daher liebe ich auch unsere Branche. Man kann wirklich sehr schnell neue Ideen umsetzen. Ich sitze manchmal mit unseren Gästen aus der Wirtschaft oder Politik zusammen und mir wird immer ganz schwindlig, wenn ich höre, wie lange es in diesen Sparten dauert, bis Neuerungen durchgeführt werden können.
Das sollte ja auch ein Ansporn für die Jugend sein, um in die Gastronomie zu gehen?
Reitbauer: Davon merke ich nichts. Unsere Facebook-Generation ist zwar online mit ihren Profilen sehr individuell aufgestellt, im realen Wirtschaftsleben werden aber Unternehmenskonforme im Gleichschritt trabende Arbeitnehmer zusammengeschustert. Von Individualität keine Spur. Erfolg haben dann meist jene, die aus den Schranken ausbrechen. Da ist es bei uns im Gastgewerbe ganz anders: Wir lechzen ja geradezu nach echten Typen. Nur will die heutige Generation anscheinend genau jene in strikten Bahnen verlaufenden Jobs haben, wo sie durch Regeln und Normen gesichert durch den Alltag taumeln. Schade.
Wie soll das Steirereck in zehn Jahren dastehen?
Reitbauer: Ich hoffe weiterhin wirtschaftlich gesund. Es wäre auch schön, wenn wir unsere Leidenschaft für den Beruf nicht verlieren und es irgendwie schaffen, dieses goldene Zeitalter zu halten.
Und der dritte Stern ist kein Thema?
Reitbauer: Ich lebe nun bereits seit 35 Jahren mit den unterschiedlichsten Bewertungen. Das waren nicht immer nur rosige Zeiten. Wir haben doch ohnehin jeden Tag Feedback der unterschiedlichsten Art, da macht es keinen Sinn sich auch noch darüber den Kopf zu zerbrechen. Man muss es sowieso nehmen wie es kommt.