Aller guten Dinge
Fotos: El Celler de Can Roca
Was bitteschön fragt man den besten Koch der Welt, was er nicht schon unzähligen Journalisten zuvor erzählt hat? „Wie geht’s?“ – Großartig. Wie originell. In Gedanken laufen Flüche der nicht-jugendfreien Art.
Doch Joan Roca, mit 49 Jahren der älteste der drei berühmten Roca-Brüder und als Executive Chef die Mente salada, also die salzig-pikante Seele des Triumvirats, antwortet freundlich und mit einer beruhigenden Stimme, die dem stillen Hyperventilieren am anderen Ende der Leitung schnell ein Ende bereitet: „Sehr gut, danke. Nach vielen Jahren harter Arbeit ist das einer der süßesten Momente unserer Karriere, den wir in vollen Zügen genießen. Und dir?“ Auch das ein Phänomen: Mit dem laut S.Pellegrino-50-Best-Restaurants-Award besten Koch der Welt per Du? „Ja, wenn du mich siezt, bin ich beleidigt“, scherzt Joan Roca. O. k. Also dann mit einem Schlag unsagbar entspannt, weiter im Kontext.
Denn dass die Roca-Brüder Joan, Josep und Jordi gemeinsam ein Restaurant geschaffen haben, das weltweit gleich aus einer Vielzahl von Gründen für Furore sorgt, sehen die drei noch lange nicht als Grund an, sich…
Fotos: El Celler de Can Roca
Was bitteschön fragt man den besten Koch der Welt, was er nicht schon unzähligen Journalisten zuvor erzählt hat? „Wie geht’s?“ – Großartig. Wie originell. In Gedanken laufen Flüche der nicht-jugendfreien Art.
Doch Joan Roca, mit 49 Jahren der älteste der drei berühmten Roca-Brüder und als Executive Chef die Mente salada, also die salzig-pikante Seele des Triumvirats, antwortet freundlich und mit einer beruhigenden Stimme, die dem stillen Hyperventilieren am anderen Ende der Leitung schnell ein Ende bereitet: „Sehr gut, danke. Nach vielen Jahren harter Arbeit ist das einer der süßesten Momente unserer Karriere, den wir in vollen Zügen genießen. Und dir?“ Auch das ein Phänomen: Mit dem laut S.Pellegrino-50-Best-Restaurants-Award besten Koch der Welt per Du? „Ja, wenn du mich siezt, bin ich beleidigt“, scherzt Joan Roca. O. k. Also dann mit einem Schlag unsagbar entspannt, weiter im Kontext.
Denn dass die Roca-Brüder Joan, Josep und Jordi gemeinsam ein Restaurant geschaffen haben, das weltweit gleich aus einer Vielzahl von Gründen für Furore sorgt, sehen die drei noch lange nicht als Grund an, sich ihrer Roca’schen aufrichtigen Freundlichkeit zu entledigen oder sich gar auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Auch wenn sie es könnten: Denn 1986 vom erst 22-jährigen Joan als Chefkoch und dem 20-jährigen Josep als Sommelier gegründet, liest sich die Geschichte des Restaurants schon fast wie ein Realität gewordener Traum. Der 1978 geborene Jordi steigt erst 1997 als Pâtissier mit ein. Wobei die Roca-Brüder das mit dem Träumen tatsächlich auf professioneller Ebene betreiben – doch dazu später.
Joan und Josep, der von allen nur Pitu genannt wird, verwandelten die kulinarische Wüste Gironas nahe Barcelona dank dem Restaurant El Celler de Can Roca nämlich innerhalb weniger Jahre zur mit drei Sternen dekorierten Pilgerstätte für Gourmets und Köche aus aller Welt. Und das hat gleich mehrere Gründe: Sei es der Mut zu neuen Techniken, wie in den 90er-Jahren zum Sous-vide-Garen, in dem die Rocas als Wegbereiter gelten, ihre Pionierarbeit in der Destillation von Aromen, die oft als unerreicht bezeichnete Harmonie von Speisen und Wein oder das fulminante Finale, bei dem Pâtissier Jordi Roca seinen Gästen mit Desserts wie „Calvin Klein Eternity“ oder „Nuvóll de Limona“ (die es übrigens auch als echte Parfums zu kaufen gibt) Gerüche zum Anbeißen serviert.
„Unser höchstes Ziel ist es, unseren Gästen ein ganzheitliches Sinneserlebnis zu bieten. Gerüche sind am engsten an unsere Erinnerungen gekoppelt und helfen uns dabei, positive Erinnerungen der Gäste zu kreieren oder auch wach zu rufen“, so Joan Roca. Die Optik spielt dabei natürlich auch eine Rolle. So kommen die Gerichte der Rocas, wie die Kirschsuppe mit Holunderbeeren-Infusion oder das Lamm vom Grill mit Melanzani und Süßholz-Rauch leichtfüßig und derart komplex daher, dass sie zuerst das Auge und darauf den Gaumen in Staunen versetzen. Und doch spielt der authentische Geschmack bei aller Technik stets die Hauptrolle. Das haben sie von ihrer Mutter, Montserrat Roca Fontané, gelernt. „Sie ist die Schlüsselfigur hinter dem El Celler de Can Roca. Denn von ihr haben wir gelernt, mit Respekt, Hingabe und Großmut zu kochen“, sind sich die Brüder einig.
Die Waltons der Gastronomie
So gibt es bei Mama im Can Roca, dem Restaurant der Eltern, das nur einen Steinwurf entfernt liegt, auch täglich Mittag- sowie Abendessen für die gesamte Crew. Joan Roca: „Uns ist wichtig, dass unser Team weiß, woher wir kommen. Wir sind in dieser Bar aufgewachsen und das beeinflusst natürlich auch unsere Küche.“
Das soll nicht heißen, dass die Rocas vom Regionalwahn gebeutelt einen strengen Radius um ihr Restaurant ziehen, was die Zutaten betrifft. Ganz im Gegenteil: Die Gerichte sind inspiriert von ihren Reisen. So startet das Menü für 170 Euro (à la carte gibt es nicht) mit Zutaten aus fünf Ländern: Mexiko, Marokko, Peru, Libanon und Korea. Doch mit der destillierten Erde Gironas im Bonbon, einem Klassiker, stellen sie im Anschluss klar: Und trotzdem, wir stammen von hier und lieben es, mit unseren mediterranen Produkten zu experimentieren. Auf die zwei Gärten von 3000 Quadratmeter und 20 Hektar Größe, die die Rocas betreiben, um ihr eigenes Gemüse anzubauen, kommt das Gespräch eher zufällig.
Das ist für sie genauso selbstverständlich für hochwertige Gerichte, wie dass der Nachbarsbauer jeden Tag in der Früh frische Ziegenmilch vorbeibringt. Seit 2007 gibt es im Restaurant auch genug Platz, um Gemüse und Co. zu lagern. Denn von einer Gesamtgröße von 170 Quadratmetern erhöhten die Rocas mit dem Umzug auf eine Küche von 200, einen Gastraum von 200 wie um einen Weinkeller von 200 Quadratmetern. Damit konnten sie auch ihr Team aufstocken und so zählt man in der Küche des Celler heute 15 fixe Mitarbeiter und in etwa gleich viele Stagers, die jeweils mittags und abends 40 Gäste nach allen Regeln der gastronomischen Kunst verwöhnen.
Die familiäre Atmosphäre hat unter der Größenveränderung und den Erfolgen trotzdem niemals gelitten: „Es ist uns sehr wichtig, dass sich unsere Gäste wie auch unsere Mitarbeiter bei uns wohlfühlen. Nur so kann Kreativität entstehen. Ich bin zwar für konzentriertes Arbeiten und verlange viel, aber wir bringen bestimmt niemanden zum Weinen, wie es in anderen Küchen der Fall ist.“ Bei den Rocas regiert die Harmonie und jeder, der möchte, ist Teil dieser großen freundlichen Familie. Sei es wie bei Anna Payet und Encarna Tirado, den Ehefrauen von Joan und Josep Roca, oder Ale Rivas, Jordis Freundin, die als Verantwortliche für Catering und Co. für die finanzielle Standfestigkeit der kostenintensiven Sterneküche sorgen.
Oder wie bei René Redzepi. Dieser erzählte der Zeitung „El Pais Semanal“ folgende Anekdote: „Als ich die Roca-Brüder 1999 während meiner Stage bei Ferran Adrià im elBulli kennenlernte, wollte ich natürlich auch bei ihnen essen. Nach langer Wartezeit konnten wir endlich einen Tisch für 13 Uhr reservieren. Und dann haben wir uns derart verlaufen, dass wir erst nach 15 Uhr auftauchten. Handys gab es ja noch nicht. Ich war am Ende mit den Nerven. Doch die drei Rocas standen lächelnd an der Tür und haben uns mit offenen Armen empfangen. Josep Roca sagte nur ‚Kein Stress, du bist hier zum Genießen und jetzt brauchst du erst mal ein Glas Champagner.‘ Die Rocas sind für mich einfach die Meister der Gastfreundschaft.“
Filmreife Träume
Mit dieser Gastfreundschaft gehen die Rocas seit Mai 2013 auch auf Tournee. Beziehungsweise planen Sie, diese, gepaart mit einer ganzen Trickkiste an ganzheitlichem Sinneserleben, alleine über den Globus zu schicken. Die Rede ist von el Somni – übersetzt der Traum – einer kulinarischen Sinnesoper, die mit Musik und darauf abgestimmten Gerichten an die Grenzen der Wahrnehmung führt. Die Premiere gab’s in Barcelona und auf der Berlinale im Frühjahr wird der Dokumentarfilm dazu präsentiert. „Es ist noch nicht fix, dass auch ein el-Somni-Event in Berlin stattfinden wird. Aber wir hoffen es natürlich“, so Joan Roca.
Und bis dahin darf man ja träumen und immerhin wissen wir ja jetzt ganz genau, wo die gastronomische Traumfabrik zu finden ist.
www.cellercanroca.com
www.elsomni.cat
Hier geht’s zu den großartigen Rezepten von Joan Roca und anderen Starköchen!