Country for old men
Fotos: Werner Krug
Dienstagabend. Das Licht ist gedimmt, das Cañas gekühlt und drei Männer stehen an der Bar und diskutieren mit dem Bier in der Hand lautstark über das heutige Fußballergebnis von Barça und über das, was vor ihnen auf dem Teller liegt. Das wäre in Barcelona nicht weiter ungewöhnlich, wenn es sich bei den leicht ergrauten Sport-Kumpanen nicht um die ehemaligen elBulli-Masterminds Ferran Adrià, seinen Bruder Albert und Bar-Chef Albert Raurich handeln würde. Was aussieht wie ein gemütlicher Absacker im dos palillos, dem Tapas-Restaurant von Raurich, ist aber wesentlich mehr. Das ist der Grund, warum sich Spanien in den letzten Jahren zu einem festen Statement in der kulinarischen Welt diktiert hat. Der enge Zusammenhalt und Austausch der spanischen Kochelite untereinander, der Blick aus dem Elfenbeinturm brachte schon davor so manchen kulinarischen Supertrend hervor. Waren es vor einigen Jahren noch die Espumas und Sphären, die vom lange Zeit als besten Restaurant der Welt geltenden…
Fotos: Werner Krug
Dienstagabend. Das Licht ist gedimmt, das Cañas gekühlt und drei Männer stehen an der Bar und diskutieren mit dem Bier in der Hand lautstark über das heutige Fußballergebnis von Barça und über das, was vor ihnen auf dem Teller liegt. Das wäre in Barcelona nicht weiter ungewöhnlich, wenn es sich bei den leicht ergrauten Sport-Kumpanen nicht um die ehemaligen elBulli-Masterminds Ferran Adrià, seinen Bruder Albert und Bar-Chef Albert Raurich handeln würde. Was aussieht wie ein gemütlicher Absacker im dos palillos, dem Tapas-Restaurant von Raurich, ist aber wesentlich mehr. Das ist der Grund, warum sich Spanien in den letzten Jahren zu einem festen Statement in der kulinarischen Welt diktiert hat. Der enge Zusammenhalt und Austausch der spanischen Kochelite untereinander, der Blick aus dem Elfenbeinturm brachte schon davor so manchen kulinarischen Supertrend hervor. Waren es vor einigen Jahren noch die Espumas und Sphären, die vom lange Zeit als besten Restaurant der Welt geltenden elBulli aus ihren Siegeszug antraten, so ist es heute wieder die Clique rund um Adrià, die die spanische Gastro-Szene gehörig aufmischt.
Doch von Avantgarde und Co. haben die auch die Schnauze voll, die Wiederentdeckung der spanischen Tradition gilt als das neue Nonplusultra. Tapas als die nächste Food-Revolution? Das ist fraglich, aber dennoch ein großer Wurf. Doch Raurich wäre eben nicht Ferran Adriàs Küchenchef gewesen, hätte er nicht seinen eigenen Senf dazuzugeben. Oder Wasabi. Der Name seines Restaurants: dos palillos. Übersetzt bedeutet das „zwei Stäbchen“. Ein eindeutiger Hinweis auf die Küche, die Raurich seinen Gästen auf 36 Sitzplätzen bietet. Denn hundertprozentig authentisch asiatische Küche lautet hier die Devise Raurichs. „Auf meinen Reisen nach Japan und China habe ich viele Gemeinsamkeiten der spanischen Küche mit der asiatischen entdeckt. Wie beim spanischen ‚tapear‘ isst man auch in Asien viele kleinere Gänge und teilt diese miteinander. Spanische Herzlichkeit und ungezwungenes Tapas-Vergnügen treffen auf die Raffinesse der asiatischen Küche: Das war mein Anspruch für das dos palillos.“
Ein Konzept, das Schule macht. Nicht zuletzt deswegen, weil Raurichs dos palillos seit November 2012 als das allererste Tapas-Restaurant mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. „Es motiviert ungemein, wenn man für seine Arbeit eine solche Anerkennung bekommt.“ Zudem sieht der gebürtige Katalane darin eine Top-Chance für die spanische Küche. „Es gibt schon lange einige Lokale, die großartige und raffinierte Tapas anbieten, aber bis dato eben nicht in das etwas klassischere Bewertungsschema des Guide Michelin passten. Ich glaube, dass solche Ansichten langsam aufbrechen, und diese Möglichkeit zu inspirieren wollen wir nutzen.“
Nicht nur Konzept, sondern auch die kulinarische Umsetzung und das Look-and-Feel überzeugen. Der Eingangsbereich aus dunklem Holz und der schwarz-weiß gesprenkelte Marmorboden unterscheiden sich nicht von den alteingesessenen Tapas-Läden der Stadt. Hinter einem Vorhang aus roten Metallketten tut sich allerdings das Herz des Lokals auf: rot-schimmernde Metallketten an den Wänden, gedämpftes Licht und ein einziger Tisch aus dunklem Holz, der in U-Form die Küche umschließt. Augenzwinkernd die Deko: Von kultigen Keramik-Köpfen beobachtet, sitzt man den Köchen Aug in Aug gegenüber. Und erlebt dabei jeden einzelnen Zubereitungsschritt des Menüs hautnah mit – für Gäste eine willkommene Show, für Gastronomen eine Möglichkeit, den Raffinessen der Speisen auf die Schliche zu kommen. Aber einfacher wäre es in diesem Fall, Raurich selbst zu fragen. Für 70 bis 80 Euro bekommt man das große asiatische Tapas-Vergnügen aus 17 Gängen geboten. Doch auch über die Mittagszeit, mit dem kleineren Menü für 40 Euro, gilt das dos palillos schon lange als kulinarischer Hotspot.
Asien goes Spanien goes Deutschland
Was in Barcelona funktioniert, geht auch in Berlin – die Synergie der Hipsterbesucher geht auf und so läuft das 2011 eröffnete dos palillos in der deutschen Bundeshauptstadt wie geschmiert. Hier wird allerdings mitteleuropäisch-konform an 14 Zweiertischen gespeist. Die Chef’s-Table-Bar ist aber ebenso Teil des Konzepts in Berlin. Als Küchenlinie wird nahezu dieselbe wie in Barcelona praktiziert, mit einem geringfügig höheren Anteil an Fleisch und Gemüse als in Spanien. „Die Küche des dos palillos basiert zu einem großen Teil auf Fisch und Meeresfrüchten. Diese liefern wir zweimal pro Woche frisch aus Spanien. So bleiben unsere Gerichte authentisch.“ Für die Zukunft schließt Raurich weitere Filialen des dos palillos nicht aus. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass immer noch genügend Zeit bleibt, um über Gerichte zu grübeln und neue Kombinationen auszutesten. „Kochen ist ein ständiger Lernprozess. Und wir haben noch viel zu lernen. Der Moment, in dem du glaubst, alles zu wissen, ist der Moment, in dem du die Leidenschaft fürs Kochen verloren hast.“
Mit dieser Philosophie führt Raurich seine Restaurants, die
er ausgiebig mit den Adrià-Brüdern diskutiert. Das Getränk der Wahl: kühles „Estrella Damm Bier“ der Marke „Inedit“ – ein in gemeinsamer Zusammenarbeit entwickeltes Bier.
Und an diesem normalen Dienstagabend stehen sie eben wieder beisammen an der Bar und diskutieren über Raurichs Gericht „Navajas Thai“. „Schnell, probier. Das habe ich seit heute auf der Karte und ich bin gespannt, was du dazu sagst.“