Doppler Effekt
Fotos: Helge O. Sommer
Wir gehen beide keine Kompromisse ein –
da steigt jeder schlecht aus. Bei uns
geht es um den gemeinsamen Konsens.
Wenn zwei sich zusammentun und jeder der beiden ein nicht zu unterschätzendes Ego hat, dann können genau zwei Dinge geschehen: Entweder die beiden hauen sich die Schädel binnen kürzester Zeit ein oder – und das ist die wesentlich ertragreichere Option – sie bündeln ihre Stärken und zeigen so richtig auf. Nicht nach dem Ich-bin-das-Alphamännchen-Prinzip, sondern nach dem Push-und-Pull-System.
Dass sich nun Heinz Hanner, eine der schillerndsten Gourmet-Figuren im österreichischen Gastronomiezirkus, Roland Huber, nicht nur Highpotential, sondern bereits gleich hoch mit 17 Gault-Millau-Punkten dekoriert, in sein Relais & Châteaux holt, zeugt von Weitsichtigkeit und auch Größe. Klar, es gibt viele Häuser, bei denen es Patron und Küchenchef gibt. Hier wird der Küchenchef zwar sehr geschätzt, aber ihm medial auch eine Plattform anzubieten? Das gibt es selten…
Fotos: Helge O. Sommer
Wir gehen beide keine Kompromisse ein –
da steigt jeder schlecht aus. Bei uns
geht es um den gemeinsamen Konsens.
Wenn zwei sich zusammentun und jeder der beiden ein nicht zu unterschätzendes Ego hat, dann können genau zwei Dinge geschehen: Entweder die beiden hauen sich die Schädel binnen kürzester Zeit ein oder – und das ist die wesentlich ertragreichere Option – sie bündeln ihre Stärken und zeigen so richtig auf. Nicht nach dem Ich-bin-das-Alphamännchen-Prinzip, sondern nach dem Push-und-Pull-System.
Dass sich nun Heinz Hanner, eine der schillerndsten Gourmet-Figuren im österreichischen Gastronomiezirkus, Roland Huber, nicht nur Highpotential, sondern bereits gleich hoch mit 17 Gault-Millau-Punkten dekoriert, in sein Relais & Châteaux holt, zeugt von Weitsichtigkeit und auch Größe. Klar, es gibt viele Häuser, bei denen es Patron und Küchenchef gibt. Hier wird der Küchenchef zwar sehr geschätzt, aber ihm medial auch eine Plattform anzubieten? Das gibt es selten. Oder kannten Sie etwa Heinz Winklers Küchenchef mit Vor- und Nachname, bevor nun Steffen Mezger dessen Nachfolge antrat? Hanner, der ja Patron und Küchenverantwortlicher in Personalunion ist, stellt sich mit voller Konsequenz gemeinsam mit Roland Huber vor den Vorhang. Und ihn auf Augenhöhe vor.
Wer jetzt aber denkt, dass die beiden in schöner Eintracht gemeinsam in der Panorama-Küche stehen und Karotten schnippeln, hat es nicht verstanden. Wenn sich Hanner einen derart versierten Koch ins Haus holt, dann doch deswegen, damit dieser den operativen Küchenpart übernimmt. Oder wie es Heinz Hanner formuliert: „Damit ist hoffenlich das Thema ‚Wie oft steht Hanner noch in der Küche‘ endlich mal vom Tisch.“ Klar ist er da. Aber seine Aufgaben sind andere als die von Roland Huber. Was kaum einem bewusst ist: Hanner hat ein umfangreiches, unglaublich fundiertes Produkt-Know-how, weiß, was die Gäste des Relais & Châteaux erwarten und ist inspiriert, neue Wege zu gehen. Das Telefon von Roland Huber verzeichnet quasi stündlich eine neue SMS mit einer neuen Idee. Aus diesen Inputs, seinen eigenen Vorstellungen und seiner Persönlichkeit setzt Huber Gerichte um, die dann in einem gemeinsamen Kreativprozess ausgebaut oder reduziert werden – so lange, bis das Maximum herausgeholt ist und beide gerne ihren Namen daruntersetzen. „Ich möchte Roland nicht im Weg stehen, er hat die Freiheit, sich voll auszutoben. Wenn ich das Restaurant Hanner nicht mehr in einem Gericht sehe, dann würde ich das ändern. Aber wir beide wollen in die gleiche Richtung, warum sollte ich ihn da bremsen?“ Geschmacklich sind beide auf einer Wellenläge – denn kochen und Geschmack ins Essen bringen sind dann wieder zwei Paar Schuh –, was ein Gericht darstellen und welche Emotionen es wecken soll, da sind beide derselben Meinung. Der einzige Punkt, der sie kochtechnisch nicht eint, ist die Optik. Während Hanner die Variation bevorzugt, den Überraschungseffekt bei jedem Gang, ist die Formensprache Hubers sehr geradlinig und clean, konsequent durchgezogen. Hier gilt es, einen Konsens zu finden. Keinen Kompromiss. Denn die Konsequenz eines Kompromisses ist, dass keiner zufrieden ist. Und die Diskussion ist eine durchaus fruchtbare, wie Huber findet: „Eine zweite Meinung zu bekommen, ist wertvoll. Man selbst glaubt ja immer, man hat da was ganz Geniales gemacht. Ein fundierter Imput zeigt, was in einem Gericht noch drin ist, was man noch rausholen kann. Und diesen Prozess gemeinsam mit Heinz voranzutreiben, finde ich großartig.“
Dass sich dieser Workflow nicht von heute auf morgen einstellt, war auch der Grund, warum die beiden sich anfangs bedeckt hielten. Wusste schließlich keiner, ob es klappt – oder einer der beiden sein Ego für zu wichtig hält. Die erste Karte zu schreiben, das wollten sie abwarten. Herausgekommen sind dabei die Einsicht, dass das Gespann Hanner-Huber gut funktioniert, und zwölf neue Kreationen, in denen die beiden Handschriften zusammenfließen. Man ist dabei geblieben, die Karte im Jahresrhythmus zu wechseln. Wobei die Gerichte je nach dem Gesetz der Saisonalität variieren. Im Moment steht Raps hoch im Kurs. Der blüht ja gerade strahlend gelb von jedem Acker. Doch bis auf sein Öl ist der Raps in der Gourmetküche unterrepräsentiert. Aber nicht im Relais & Châteaux Hanner. Dort werden die Blüten, die Knospen, die in ihrem Aroma an wilden Brokkoli erinnern, und auch die Sprossen verarbeitet. Kombiniert mit Entenspeck und Setzlingen.
Kommt bei den Gästen gut an. Bei den Kritikern? Das wird sich weisen – ist aber nicht der vorrangige Fokus von Hanner und Huber. „Es gibt das qualitative Ziel, also sind die Gäste glücklich, dann das qualitative, ob es sich wirtschaftlich auch rentiert. Sind diese beiden erfüllt, darf man auch an das dritte Ziel denken: die Anerkennung.“ So die Erfolgspyramide nach Hanner.
Dass noch weiter an den Schrauben gedreht werden will, bestätigen Hanner und Huber. Was dazu gebraucht wird, sind kreative junge Vorwärtsdenker für die Küche. Ein motiverter Sous Chef und ein Pâtissier, das schwebt den beiden vor. Für das Restaurant noch ein Leiter und dann würde eine schlagkräftige Truppe agieren, der vermutlich einige Erfolge ins Haus stehen könnten. Hinter selbigen sind Huber und Hanner momentan oft zu finden. Denn dort wächst im restauranteigenen Kräutergarten Pilzkraut, Neuseelandspinat oder auch Perko.
Das Team Hanner und Huber ist erst wenige Wochen alt und mag vielleicht noch in den Kinderschuhen stecken. Aber die Küche, die die beiden – einer eher inspirativ, der andere eher operativ – bereits über den Pass schicken, hat nichts mit Kleckern, sondern viel mehr mit richtig genialem Klotzen zu tun. Das passiert, wenn zwei mit einem nicht zu unterschätzenden, aber nicht aufgeblasenen Ego aufeinandertreffen: Das Push-und-Pull-System greift.