GAULT+MILLAU
Fotos: Getty Images, Gerhard Deutsch, Gault Millau beigestellt
Die Frage nach Gott, haben die Journalisten Henri Gault und Christian Millau recht schnell geklärt. Der sitzt in Frankreich und ist der einzige, der den Anspruch auf Vollkommenheit hat. Deswegen werden 20 Punkte, die Maximalanzahl, niemals vergeben. So die Direktive im Jahr 1972 und der erste Paris Guide der beiden ist in der Druckerpresse.
Einige Monate zuvor: Mit einer Million Franc, gesponsert von Christian Bourgois, Direktor des Juillard-Verlages, nehmen die beiden den Kampf mit dem ultimativen Gourmetguide Guide Michelin auf. Die Liste der Restaurants ist lang. Christian Millau: "Unser Verleger wünschte uns einen guten Appetit. Ein Wunsch, der nicht überflüssig war, denn wir brauchten einen guten Magen, um uns in dieses Abenteuer zu wagen." Sein Kompagnon, Henri Gault, sah das Testen der 350 Restaurants weniger pragmatisch: "Manche Leute haben erotische Träume, ich träume von fetten, üppigen Mahlzeiten."
Es ist der erste Tag einer langen Erfolgsgeschichte…
Fotos: Getty Images, Gerhard Deutsch, Gault Millau beigestellt
Die Frage nach Gott, haben die Journalisten Henri Gault und Christian Millau recht schnell geklärt. Der sitzt in Frankreich und ist der einzige, der den Anspruch auf Vollkommenheit hat. Deswegen werden 20 Punkte, die Maximalanzahl, niemals vergeben. So die Direktive im Jahr 1972 und der erste Paris Guide der beiden ist in der Druckerpresse.
Einige Monate zuvor: Mit einer Million Franc, gesponsert von Christian Bourgois, Direktor des Juillard-Verlages, nehmen die beiden den Kampf mit dem ultimativen Gourmetguide Guide Michelin auf. Die Liste der Restaurants ist lang. Christian Millau: "Unser Verleger wünschte uns einen guten Appetit. Ein Wunsch, der nicht überflüssig war, denn wir brauchten einen guten Magen, um uns in dieses Abenteuer zu wagen." Sein Kompagnon, Henri Gault, sah das Testen der 350 Restaurants weniger pragmatisch: "Manche Leute haben erotische Träume, ich träume von fetten, üppigen Mahlzeiten."
Es ist der erste Tag einer langen Erfolgsgeschichte. Gault und Millau treffen sich in einem kleinen Café in der Nähe der Champs-Élysées und feiern die Geburt des selbst ernannten kleinen Monsters mit zwei Köpfen und zwei Mägen, nämlich die von Gault Millau. Ein Chronist: "Die Köche kannten bis dahin nur den Michelin, da gab es drei Sterne wie beim Militär für Generäle. Und auf einmal gab es diese beiden Schreiber, die unheimlich frech über die Gastronomie schrieben."
2011 hat der Gault Millau viele Gesichter und noch mehr Mägen. Frankreich, Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien und Luxenburg – alle haben sie 40 Jahre später ihren eigenen Gault Millau. Verlegt im Franchise-System. Die Lizenz verkauft Gault Millau Frankreich, die Rechte liegen bei den französischen Eigentümern. Das ist auch der Grund, warum in den meisten Ländern nur der Chefredakteur als oberste Hierarchie-Ebene angegeben ist. In Deutschland ist das Manfred Kohnke, in der Schweiz Urs Heller, in Österreich das Ehepaar Martina und Karl Hohenlohe. Für letztere und im Namen des guten Geschmacks sind in Österreich, Ungarn, Tschechien, Südtirol Slowakei und Kroatien insgesamt 53 Tester unterwegs.
Dass es einmal so viele brauchen würde, davon waren Gault und Millau in der Erstausgabe 1981 für Österreich nicht wirklich überzeugt: "Umwerfende Entdeckungen haben wir im Land der Knödel und Kasnocken zwar nicht gemacht, immerhin sind wir jedoch lebendig zurückgekommen." Auch für Deutschland gab es im Vorwort der Erstausgabe 1983 nicht die nettesten Worte: "Das allgemeine Niveau der Küche Deutschlands ist nach wie vor ziemlich niedrig, doch die Qualität der Speisen hat sich während der letzten 15 Jahre erheblich verbessert." Bis heute wohl stätig mehr: Mittlerweile liegt die Auflage bei dem Mitte November erscheinenden Gault Millau 2012 bei 50.000. Zu den Eidgenossen waren die beiden Franzosen aber auch nicht viel freundlicher. Zwar entdeckten die Tester 1982 in Frédy Girardet den besten Koch der Welt, ansonsten jedoch nicht viel Goutierbares: "Hier ist alles neutral, auch der Geschmack."
Das ursprüngliche Bewertungssystem von Gault und Millau ist heute noch aktuell: es ist das französische Schulnoten-Prinzip von 0 bis 20 Punkte, ab 13 Punkten gibt eine Haube und dann im Zwei-Punkt-Abstand jeweils eine weitere. Einzige Ausnahme seit dem Gault Millau 2010 ist Frankreich. Da die Köche der Grande Nation offensichtlich so nahe an Gott kochen, wie es Gault und Millau niemals ahnen konnten, gibt es dort nun als Höchstnote fünf statt vier Hauben. Im ersten Jahr wurden damit bereits zwölf Köche, so wie Yannick Alleno und Guy Savoy, geadelt. Gleichzustellen mit Gott beziehungsweise mit den 20 Punkten ist außerhalb Frankreichs nur ein Koch: Sergio Herman. Vielleicht war das der Grund, warum die Franzosen im Folgejahr ihr Bewertungssystem anzogen.
In den 70er-Jahren war es nur das doppelmägige Monster, das durch Paris zog. "Es ist wie bei einem Filmkritiker. Alle glauben, es sei wunderbar, ständig ins Kino zu gehen. Dabei ist es unerträglich. Es ist nicht witzig, sich ein- bis zweimal am Tag der Völlerei hinzugeben. Glücklicherweise habe ich einen unglaublichen Appetit." Doch nicht einmal der konnte groß genug sein, um die Nachfrage zu stillen. Deswegen wurden die ersten professionellen Testesser eingestellt. Martina Hohenlohe: "Unser Testteam besteht aus erfahrenen Essern mit Hang zur Besessenheit. Das wichtigste Kriterium für uns ist Kompetenz, Professionalität und Diskretion."
Hat ein Tester heuer ein Restaurant bewertet, darf er es die nächsten drei Saisonen nicht testen. Höchstens im Zweit- oder Dritttest, um eine vergleichende Meinung zur Leistung des Vorjahres zu bekommen. Ab zwei Hauben oder 15 Punkten werden Restaurants mehrfach getestet, darunter nach Bedarf. Die Entlohnung: Pro Restaurant gibt es eine Pauschale für Spesen und Text, die Höhe wird jedoch geheim gehalten. Theoretisch absoluter Kündigungsgrund: Wer sich öffentlich oder vor einem Koch zu erkennen gibt, verliert seinen Status.
So wie Gott, haben auch Gault und Millau in ihrem Manifest "Vive la Nouvelle Cuisine Française" zehn Gebote aufgestellt, nach denen die Köche leben sollten. Gelingt der kulinarische Katechismus, gibt es hohe Bewertungen. Obwohl die Grundregeln bereits 1973 festgeschrieben wurden, haben sie heute absolute Berechtigung: Kürzere Kochzeit, marktfrische Produkte, leichtere Saucen und erfinderisches Komponieren und Kombinieren. Damit bereiteten sie der Nouvelle Cuisine in ganz Europa den Weg. Lediglich vier Köche schafften es bisher, von dem Monster mit zwei Gesichtern und zwei Mägen in die höchsten Ehren gehoben zu werden: Paul Bocuse, Joel Robuchon, Frédy Girardet und Eckart Witzigmann erhielten den Titel "Koch des Jahrhunderts".
Bewertungsergebnisse Gault Millau 2012
Manfred Kohnke
Chefredakteur des Gault Millau Deutschland
Seit mehr als 28 Jahren porträtiert der Gastrokritiker die deutsche Kochszene und gilt als gefürchteter Gast. Es selbst schreibt pointiert, spitz, manchmal ironisch, aber immer ohne Unfehlbarkeitsanspruch.
Guides bringen kulinarischen Fortschritt – Die Wichtigkeit des Gault Millau im Wandel der Zeit.
Lehrmeister
An Manfred Kohnke kommt in Deutschland niemand vorbei. Hat er sich eine Meinung gebildet, bleibt er dabei. Denn für ihn hat der Gault Millau auch einen Bildungsauftrag.
ROLLING PIN: Der Gault Millau als kulinarische Tradition: Wie bewerten Sie die Bedeutung des Gourmetführers im Wandel der Zeit?
Manfred Kohnke: Ich glaube, dass Gourmetführer generell zum kulinarischen Fortschritt beitragen. Nicht nur für die Restaurantgäste im Konsumalltag, sondern sie haben auch die gleiche Funktion für die Verbraucherschützer.
RP: Abgesehen von dem wirtschaftlichen Faktor einer guten Bewertung. Was bringt diese zusätzlich?
Kohnke: Ein zusätzlicher Faktor ist bestimmt, dass sie der Gastronomie helfen, gutes Personal zu bekommen.
RP: Apropos Bewertungen: Ihre gelten manchmal auch als umstritten. Wie die von Nils Henkel wegen des Heringskaviars.
Kohnke: Ich habe zur Heringskaviar-Abwertung im Vorwort geschrieben: Gewiss ist es in der freien Marktwirtschaft erlaubt, aus geräucherten Heringsabfällen, Wasser, Salz, Maisstärke, Zitronensaft und Zitronensäure, Tinte vom Kalamar und Xanthan (das gemeinhin für Tapetenkleister verwendet wird und Ketchup so schön zähflüssig werden lässt) Kaviar nachzubilden. Aber müssen deutsche Köche es kaufen? In unserer Eigenschaft als selbsternannte Konsumentenschützer – schließlich würdigen wir bei Restaurantbewertungen auch die Güte und Frische der verwendeten Produkte – sehen wir nicht ein, warum wir nicht darauf reagieren sollen, wenn Köche ihren Gästen Heringsmüll zumuten. So, wie wir seinerzeit einen von Medien und Michelin höchstgeschätzten Düsseldorfer Koch wegen seines ungenierten Einsatzes von Geschmacksverstärkern abwatschten, scheuen wir uns jetzt nicht, nach unserer harschen Kritik vom Vorjahr nunmehr allen Köchen, die noch Heringskaviar verwenden, einen Punkt von ihrer Bewertung abzuziehen. Genauso würden wir auch anderen chemischen Sittenverfall in Restaurantküchen sanktionieren, wenn er eindeutig zu beweisen wäre. Zur Glutamat-Abwertung für Herrn Bourgueil hat sich der Guide genauso präzise geäußert.
RP: Kommt es denn auch vor, dass Restaurants entgegen Ihrer persönlichen Meinung zu hoch oder niedrig von den Testern eingestuft werden?
Kohnke: Ich bekomme von den Testern eine Begründung, die einleuchtet oder eine Erörterung bis hin zum gemeinsamen Besuch des umstrittenen Restaurants. Außerdem schaue ich mir die Bewertungen in anderen Medien an und bespreche Abweichungen mit den Testern.
Gault Millau Deutschland
Infanteriestraße 11a
D-80797 München
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www.gaultmillau.de