Gerhard Retter: Die Weinkarte allein ist heute nicht mehr das Maß aller Dinge.
Verantwortung beginnt im Glas.
Sommelier-Legende und WINE.DAYS-Host Gerhard Retter über die Bedeutung der neuen Tischkultur, Weinbegleitung als Umsatzbringer – und Chardonnays, die den Sommelierberuf erst so richtig interessant machen.
Verantwortung beginnt im Glas.
Sommelier-Legende und WINE.DAYS-Host Gerhard Retter über die Bedeutung der neuen Tischkultur, Weinbegleitung als Umsatzbringer – und Chardonnays, die den Sommelierberuf erst so richtig interessant machen.
Nach all dem intensiven Austausch mit den besten Köpfen auf den WINE.DAYS: Wo siehst du die Trends der kommenden Jahre?
Gerhard Retter: Was man heuer stark gespürt hat, war die Relevanz der Naturweinthematik. Wobei es bei Naturwein um viel mehr geht: Es ist eineerwachsene Bio-Bewegung. Und diese ist viel breiter aufgestellt als all die Bio-Siegel, die ja fast keine Aussagekraft mehr haben. Da geht es um Leute, die erkannt haben, dass sie eine Verantwortung für die Welt und das Stück Land haben, das sie bewirtschaften.
Prägen Weinkarten das Restauranterlebnis mehr als noch vor 20 Jahren oder ist ihre Bedeutung vergleichbar geblieben?
Retter: Ich glaube, da geht es um Grundsatzeinstellungen. Welche Wertigkeit gebe ich dem Wein? Ehrlich gesagt: Als mehr oderweniger guter Gastronom braucht man 50 Weine, nicht mehr. Damit ist für jeden etwas dabei. Der Rest ist Positionierung. Und ja, es gibt immer mehr Menschen, die nicht zum Essen in ein Restaurant gehen, sondern eher zum Weintrinken. Wobei es heute so ist, dass die Weinkarte eben nicht mehr das einzige Maß aller Dinge ist.
Sondern, was noch?
Retter: Es geht auch um die Tischkultur. Welche Gläser stehen da? Wie wird der Wein präsentiert? Wie wird mit ihm umgegangen? Und genau da kommt der Sommelier ins Spiel. Denn: Was nutzt mir der beste Wein, wenn er nicht karaffiert wird? Oder wenn er noch nicht trinkreif ist?
Inwiefern hat deines Erachtens das – in unseren Breiten vergleichsweise junge – Phänomen der glasweisen Weinbegleitung den Sommelierberuf verändert?
Retter: Der Sommelier bekommt damit vom Gast carte blanche, der sagt: „Gut, zeig mir deine Kunst!“ Das ist für den Beruf großartig und auch ein guter Umsatzbringer. Aber es darf nie vergessen werden: Es geht nicht nur um den Wein und die Speise, sondern zusätzlich auch um den Gast. Mag der keinen Chardonnay, den der Sommelier so sorgfältig für den dritten Gang vorbereitet hat, dann muss eben etwas Neues, Passendes gefunden werden. Und genau das macht den Sommelierberuf auch so spannend.