Gut Steinbach-Hotelier Klaus Graf von Moltke: Stillstand ist für ihn ein No-Go

"Mit dem Jutesack in Plastik verpackten Käse einzukaufen, ist das Letzte", postuliert Hotelier Klaus Graf von Moltke. Warum Nachhaltigkeit in seinem Gut Steinbach nicht bloß ein leeres Buzzword ist und wie er den Betrieb laufend neu erfindet.
Mai 11, 2023 | Text: Michi Reichelt | Fotos: Gut Steinbach/Tobias Hertle

Nachhaltigkeit. Auf der Website des Relais & Châteaux Gut Steinbach findet sich kaum ein Wort, das man öfter liest. Das Überraschende dabei: Klaus Graf von Moltke, gemeinsam mit Ehefrau Susanne der Eigentümer des Resorts im oberbayerischen Reit im Winkl, zeigt sich von dem Begriff „eigentlich unendlich genervt“. Dieser werde nämlich, so der Hotelier, regelrecht inflationär verwendet.

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Klaus Graf und Susanne Gräfin von Moltke, Eigentümer von Gut Steinbach, sind „genervt“ von Pseudo-Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit. Auf der Website des Relais & Châteaux Gut Steinbach findet sich kaum ein Wort, das man öfter liest. Das Überraschende dabei: Klaus Graf von Moltke, gemeinsam mit Ehefrau Susanne der Eigentümer des Resorts im oberbayerischen Reit im Winkl, zeigt sich von dem Begriff „eigentlich unendlich genervt“. Dieser werde nämlich, so der Hotelier, regelrecht inflationär verwendet.

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Klaus Graf und Susanne Gräfin von Moltke, Eigentümer von Gut Steinbach, sind „genervt“ von Pseudo-Nachhaltigkeit

„Wenn jemand mit dem Jutesack einkaufen geht, aber dann in Plastik verpackten Käse kauft, ist das nicht nachhaltig“, so der gelernte Wirtschaftswissenschaftler, in dessen Besitz sich das Gut seit über zehn Jahren befindet. Was macht sie dann aber aus, die echte Nachhaltigkeit? „Das fängt damit an, dass unser Baustil, so modern er ist, das Auge nicht erschreckt. Unsere Häuser passen einfach in die Landschaft“, erklärt von Moltke, der sich selbst als „Traditionalist“ bezeichnet. „Ich will nichts irgendwo hinbauen, bei dem ich das Gefühl habe, ich verletze eine Tradition. Die Natur ist eine schützenswerte Größe. Und ich will einerseits bewahren, mag aber auf der anderen Seite Menschen nicht, die sich nicht nach vorne bewegen. Stehenbleiben heißt zurückgehen.“

Ich mag Menschen nicht, die sich nicht nach vorn bewegen.
Klaus Graf von Moltke über Stillstand

Schon als er 2010 den Steinbacher Hof, das Stammhaus des heutigen Resorts, gesehen (und später gekauft) hatte, sei ihm dieser „besondere Platz“ aufgefallen, so der Graf: „Das klingt so dahergesagt, aber es stimmt – der Ort hat einen Hauch von Magie.“ Auch die Angestellten seien „begeistert“, hier zu arbeiten. „Deshalb haben wir kaum Fluktuation. Sogar in Coronazeiten haben wir niemanden verloren“. Nachsatz: „Wir haben aber auch keine neuen dazu bekommen.“ Die von Moltkes würden ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nämlich gerne entlasten, erzählen sie. „Vier bis fünf Leute stellen wir sofort ein. Wenn wir sie fänden.“

Auf der Suche

Man habe ein eigenes Personalhaus mit vollständig ausgestatteten Juniorsuiten errichtet – Flatscreen-TV und Balkon inklusive –, weil man der Überzeugung sei, „unsere Leute müssen hier zuhause sein. Wir dürfen sie nicht unterbringen, sie müssen bei uns wohnen. Wir sind zudem bereit, eine Drei-, Viertagewoche anzubieten. Aber: Wir kriegen nicht einmal Bewerbungen.“ Über die Gründe kann Klaus von Moltke nur spekulieren: „Vielleicht kommunizieren wir nicht richtig. Der Standort selbst kann es ja nicht sein: Man ist schnell in Salzburg, in Kitzbühel, in München.“ Seine Frau, im Unternehmen für Marketing und PR zuständig, wird konkreter: „Der Markt ist relativ leer. Ich glaube, wir müssen uns auch außerhalb des deutschsprachigen Raums umschauen, um Mitarbeiter zu generieren.“

Gesucht werden jedenfalls Menschen, „die unsere Idee ver­stehen“. Diese sei eng mit dem Grundgedanken eines Gutes verbunden, wie Susanne von Moltke sagt: „Ein Gut war immer ein Ort, an dem alle herzlich willkommen waren.“ Daher rede man intern auch nicht von Zielgruppen, sondern von Stilgruppen. „Unsere Gäste sind von unserem Stil geprägt. Sie alle eint die Sehnsucht nach einem Ort, an dem sie Ruhe finden, die Natur genießen können, an dem sie Nachhaltigkeit auf dem Teller schmecken können.“

Womit wir auch wieder beim oben erwähnten Begriff wären, der im Gut Steinbach omnipräsent ist. Was macht nun hier den Unterschied aus? Vermeidung von Kunststoff, Reduktion von Verpackungsmüll: Derartiges ist bei Nachhaltigkeit ja ohnehin schon eine Selbstverständlichkeit. Gräfin von Moltke: „Das Gut Steinbach wurde 2023 bereits zum dritten Mal mit einem Grünen Michelin Stern für nachhaltige Gastronomie ausgezeichnet. Wobei der Stern nicht nur aussagt, dass man auf dem Teller begeistert, sondern auch mit der Lieferkette.“ Und ihr Mann ergänzt: „Wir leben Nachhaltigkeit, das ist kein Werbeslogan. Unsere Landwirtschaft ist bio-zertifiziert, wir gehen so weit, dass sogar unsere Holzlasur mit Orangenextrakt als Lösungsmittel versetzt ist.“

Gut Steinbach 3.0

Zudem wird das ganze Gut Steinbach mit Biomasse geheizt. „Deswegen sind wir von der Teuerung der Energiekosten auch nicht so betroffen.“ Dennoch bleibt das Gut von aktuellen Krisen nicht verschont. Neben der Kostenexplosion insbesondere im Foodbereich haben auch die Gäste ihr Verhalten geändert: „Wir merken das an der Verweilzeit. Außerdem kommen Gäste, die früher zwei, drei Mal im Jahr gekommen sind, jetzt nur noch ein Mal.“

Warum ich mir das antue? Da müssten sie meinen Therapeuten fragen.
Graf von Moltke könnte bereits im Ruhestand sein

Krisen, Personalknappheit, Investitionen in Millionenhöhe. Warum tut sich jemand, der bereits seinen Ruhestand genießen könnte, das alles eigentlich an? „Das müssten Sie meinen Therapeuten fragen“, lacht Klaus Graf von Moltke. „Aber Spaß beiseite. Mein Antrieb ist meine Vision. Nennen wir es ‚Searching for Excellence‘. Wir sehen das Gipfelkreuz, aber wir sind noch nicht dort.“

Der Eigentümer nennt diese Vision „Gut Steinbach 3.0“: „Das bedeutet: Wie schaffen wir es, mit einem noch konsequenteren Training bei unseren Mitarbeitern, mit dem Drehen von kleinen Stellschrauben die Routine zu perfektionieren? Oder umgekehrt: Die Perfektion zur Routine zu machen. Und zwar täglich. Wenn du auf Gut Steinbach bist, hast du einerseits das Gefühl, down-to-earth zu sein. Wir wollen nicht mit der Nagelschere Grasränder schneiden. Was aber die Hospitality-Qualität und die Cuisine angeht, wollen wir uns mit jedem in der Top-Hotellerie messen können. So weit weg sind wir da nicht, aber du musst jeden Tag nach Excellence streben. Wir wollen ein Platz sein, wo ich nicht hingehe, weil ich das Geld habe, sondern, wo ich sage: Ich leiste es mir, weil es etwas Besonderes ist.“

Und so entsteht dann auch in Krisenzeiten das Gefühl: Alles wird Gut. Pardon: gut.

Klaus Graf und Susanne Gräfin von Moltke 

Es war 1989, als der damalige Unternehmensberater Klaus Graf von Moltke ein marodes Hotel in Rottach-Egern am Tegernsee zu einer Rehaklinik umbauen wollte – und die Gemeinde dies untersagte. Gekauft war das Gebäude allerdings bereits. „Soviel zu einem klugen Kaufmann“, sagt von Moltke heute augenzwinkernd. Er disponierte damals kurzerhand um und ließ ein neues Gästehaus errichten. Ein Hotelier war geboren. Heute gehört diesem gemeinsam mit seiner Gattin Susanne das Relais & Châteaux Gut Steinbach in den Chiemgauer Alpen.

www.gutsteinbach.de

 

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