Koch-Bibel
Fotos: Modernist Cuisine
Mit seinem Mammutwerk Modernist Cuisine bringt Nathan Myhrvold die Wissenschaft in die Küche. Darum ist auch niemand anderes besser geeignet, den Auftakt für unsere neue Serie „Der Nerd am Herd“ zu bestreiten.
Ihre Firma Intellectual Ventures hat sich ursprünglich auf ganz andere Bereiche spezialisiert. Ihre Angestellten sind Physiker, Ingenieure oder Biotechniker. Wie sind Sie darauf gekommen, ein Kochbuch zu konzipieren?
Nathan Myhrvold: Ich liebe Kochen schon mein ganzes Leben lang. Es gab während meiner Karriere als Senior Executive von Microsoft sogar einen Punkt, an dem ich mir eine Auszeit genommen habe, um eine renommierte Kochschule in Frankreich zu besuchen. Als ich Microsoft dann letztendlich verlassen habe und meine eigene Firma Intellectual Ventures gründete, begann ich wieder, vermehrt zu kochen. Und dabei bin ich auf die Sous-vide-Küche gestoßen und dadurch hat sich auch das entwickelt, was wir jetzt Modernist Cuisine nennen. Ich dachte mir damals nur: Oh mein Gott. Da muss noch so viel entdeckt werden und ich muss noch so viel lernen, was andere bereits vor mir entdeckt haben. Aber ich habe dann bald festgestellt, dass in der großen Welt des Kochens vieles eben noch nicht zufriedenstellend erforscht wurde. Also irgendwann, zwischen all diesen Überlegungen und Gesprächen, haben einige zu mir gesagt: Du musst ein Buch über das schreiben! Und ich dachte mir: Ja. Das sollte ich tatsächlich tun.
Was viele in dieser ernährungsbewussten Zeit überrascht: Sie machen sich für Speck stark!
Myhrvold: Ja, wir haben eine ganze Zeit lang damit verbracht, darüber zu sprechen, welches Essen…
Fotos: Modernist Cuisine
Mit seinem Mammutwerk Modernist Cuisine bringt Nathan Myhrvold die Wissenschaft in die Küche. Darum ist auch niemand anderes besser geeignet, den Auftakt für unsere neue Serie „Der Nerd am Herd“ zu bestreiten.
Ihre Firma Intellectual Ventures hat sich ursprünglich auf ganz andere Bereiche spezialisiert. Ihre Angestellten sind Physiker, Ingenieure oder Biotechniker. Wie sind Sie darauf gekommen, ein Kochbuch zu konzipieren?
Nathan Myhrvold: Ich liebe Kochen schon mein ganzes Leben lang. Es gab während meiner Karriere als Senior Executive von Microsoft sogar einen Punkt, an dem ich mir eine Auszeit genommen habe, um eine renommierte Kochschule in Frankreich zu besuchen. Als ich Microsoft dann letztendlich verlassen habe und meine eigene Firma Intellectual Ventures gründete, begann ich wieder, vermehrt zu kochen. Und dabei bin ich auf die Sous-vide-Küche gestoßen und dadurch hat sich auch das entwickelt, was wir jetzt Modernist Cuisine nennen. Ich dachte mir damals nur: Oh mein Gott. Da muss noch so viel entdeckt werden und ich muss noch so viel lernen, was andere bereits vor mir entdeckt haben. Aber ich habe dann bald festgestellt, dass in der großen Welt des Kochens vieles eben noch nicht zufriedenstellend erforscht wurde. Also irgendwann, zwischen all diesen Überlegungen und Gesprächen, haben einige zu mir gesagt: Du musst ein Buch über das schreiben! Und ich dachte mir: Ja. Das sollte ich tatsächlich tun.
Was viele in dieser ernährungsbewussten Zeit überrascht: Sie machen sich für Speck stark!
Myhrvold: Ja, wir haben eine ganze Zeit lang damit verbracht, darüber zu sprechen, welches Essen nach den aktuellen wissenschaftlichen und statistischen Analysen tatsächlich gut für die Menschen ist und welches nicht. Und was dabei für den Großteil der Bevölkerung erstaunlich sein wird, ist, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt, dass viele der vermeintlich ungesunden Nahrungsmittel, wie gesättigte Fettsäuren, schlecht für einen sind. Wir haben mit Modernist Cuisine tatsächlich für viel Gesprächsstoff gesorgt, da wir uns für Speck starkmachen.
Sie haben sich mit vielen der führenden Küchenchefs weltweit kurzgeschlossen und führen auch Rezepte von diesen an. Gab es einige, die im Entstehungsprozess ganz besonders involviert waren?
Myhrvold: Einige Chefs, deren Rezepte wir verwendeten, sind bereits tot, deshalb waren sie wenig hilfreich.
Obwohl sie natürlich ein großartiges Erbe hinterlassen haben. Aber Ferran Adrià beispielsweise war äußerst großzügig mit seiner Zeit für unser Projekt. Auch Wylie Dufresne und ein paar andere waren enorm hilfreich. Obwohl er kein Küchenchef ist, war auch der einflussreiche Gastronomie-Schreiber Harold McGee ein wahnsinnig wichtiger Ideengeber. Ferran hat es bis jetzt noch nicht in unser Labor geschafft, aber alle anderen waren schon zu Gast. Wir waren mit allen aber in permanentem E-Mail-Kontakt, haben dabei frühe Versionen geschickt und von den Küchenchefs Rezepte erhalten. Wir hatten also große Hilfe!
Kam es im Entstehungsprozess in Ihrer Küche eigentlich zu vielen Fehlern?
Myhrvold: Absolut. Ein wichtiger Teil unseres Buches ist, dass wir die Fehler machen, damit der Leser es nicht mehr muss. Wir haben natürlich viele unterschiedliche Variationen ausprobiert, um das Beste aus Produkten oder Techniken herauszuholen. Weiters haben wir aber auch äußerst radikale Methoden angewendet, die ziemlich in die Hose gegangen sind. Beispielsweise meine Idee vom Instant-Soufflé: Das sollte man in einem iSi-Aufschlaggerät aufbewahren, rausspritzen und danach backen können. Das ist ehrlich gesagt so um die 150 Mal danebengegangen.
Welche Entdeckung während der Forschungsarbeiten für Modernist Cuisine hat Sie am meisten beeindruckt?
Myhrvold: Dass in Fett gekochtes und so haltbar gemachtes Fleisch, bekannt als Confit, gar nicht vom Fett abhängig ist. Man kann das Fleisch, bei gleicher Temperatur und Zeit, auch dampfgaren und keiner wird den Unterschied merken.
Was ist der größte Fehler, den Küchenchefs heutzutage machen, den sie aber nicht machen würden, wenn sie Modernist Cuisine lesen würden?
Myhrvold: Zu glauben, dass moderne Küchentechniken und Einflüsse aus der Wissenschaft für sie nicht wichtig sind.
Was erklären Sie dann Menschen, die Angst haben, dass Sie den Charme und das Flair aus dem Kochen nehmen und somit eine Kunst in technische Wissenschaft verwandeln?
Myhrvold: Diese Frage habe ich noch immer so beantwortet: Kochen ist eine Kunst, aber jede Kunst benötigt das Wissen um die Techniken und Materialien. Wenn man Modernist Cuisine verwendet, bekommt man mehr Kontrolle und das erlaubt einem, noch künstlerischer und kreativer zu sein!
Sie empfehlen auch, Wein im Mixer zu dekantieren …
Myhrvold: Ich habe das einmal bei einem Freund von mir gemacht, der ein spanischer Herzog ist und von einer der ältesten Wein-Dynastien Spaniens entstammt. Als ich den Schalter des Mixers umlegte, in den sein Wein eingefüllt war, dachte ich: Jetzt zückt er ein Schwert! Ein Teil des Zwecks des Dekantierens ist es, die Gase, die sich im Wein aufgelöst haben, wieder herauszuholen. Ein anderes Ziel ist, dass Sauerstoff in den Wein hineinkommt. Die traditionelle Art zu dekantieren funktioniert ja so, dass man den Wein über einen möglichst großen Teil der Oberfläche des Dekanters gießt, damit der Gas-Austausch forciert wird. Und darum dachte ich mir: Das bekommen wir mit einem Mixer noch viel besser hin und das auch noch in 30 Sekunden. In Blind-Tests finden übrigens die meisten, dass diese Methode eine Verbesserung darstellt, im Speziellen für junge Rotweine wie einen 82er-Margaux.
Sie lieben es, die traditionelle Art des Kochens zu hinterfragen und neue Methoden und Technologien zu entwickeln! Ist Kochen denn ein sich immer änderndes Thema?
Myhrvold: Absolut. Die kulinarische Geschichte muss in ähnlicher Art analysiert werden wie die Kunstgeschichte. Ferran Adrià oder Heston Blumenthal sind die Modernisten des Kochens. Sie kreieren wunderbare Erlebnisse, vergleichbar mit einer Oper oder einem Broadway-Stück in New York. Ich glaube, dass Essen die Berechtigung hat, Kunst zu sein. Und wenn Essen Kunst ist, dann darf es Drama beinhalten, muss spektakulär und theatralisch sein. Es kann dieses unglaubliche Erlebnis sein. Und genau das ist es, was wir zu vermitteln versuchen!