Thomas Kammeier – Himmel über Berlin

Sternenklare Küche und glasklare Standpunkte: Thomas Kammeier, Sternekoch im Berliner Hugos, über Schrottprodukte, den Irrsinn von Michelin-Sternen und über Alkohol beim Kochen.
November 13, 2015

Fotos: Werner Krug, Collection Rolf Heyne/Luzia Ellert
Man darf es eigentlich gar nicht laut sagen, aber einer meiner ehemaligen Chefs hat am besten gekocht, wenn er betrunken war. Das ging ihm so von der Hand – genial, einfach, weil er aus dem Bauch heraus gekocht hat.“ Natürlich gehört für Thomas Kammeier (42) zum Kochen Handwerk, Kochen ist schließlich etwas wunderar Profanes – aber zum Kochen gehört eben auch dieses Bauchgefühl. „Sicher, der Schreiner, Metzger oder Maurer braucht das genauso, aber beim Kochen hat man eine viel größere Vielfalt. Und ein bisschen Kunst gehört ebenfalls dazu.“ Weil Kochen jeden tagtäglich betrifft, redet auch jeder mit. „Das ist die Schwäche der Kunst, aber auch ihre Stärke.“ Ähnlich wie beim Fußball, Millionen glauben, sie sind die besseren Teamchefs.

Alkohol ist für Thomas Kammeier kein Treibstoff. Das Leben genügt als Ideenlieferant. In der Küche schießen ihm die neuen Geschmacksoffensiven kaum in den Kopf, Autofahren ist genial oder das Frühstück – meist nur eine banale Situation. „Ich koche einfach, was mir schmeckt“, ist sein simples Rezept. Seine erste Chefkochstelle war auch bereits ein Volltreffer, seit 10 Jahren regiert Thomas Kammeier im Hugos, 2003 in den Himmel über Berlin gebaut. Im 14. Stock genießt man neben der Hochküche 360-Grad-Panoramakino auf den Himmel über Berlin. Den Testern ist das 18 Gault-Millau-Punkte wert, dem Michelin seit 1999 durchgehend einen Stern. Auszeichnungen haben für Kammeier allerdings nichts Erotisches. Okay, bisher wurde er …

Fotos: Werner Krug, Collection Rolf Heyne/Luzia Ellert

Man darf es eigentlich gar nicht laut sagen, aber einer meiner ehemaligen Chefs hat am besten gekocht, wenn er betrunken war. Das ging ihm so von der Hand – genial, einfach, weil er aus dem Bauch heraus gekocht hat.“ Natürlich gehört für Thomas Kammeier (42) zum Kochen Handwerk, Kochen ist schließlich etwas wunderar Profanes – aber zum Kochen gehört eben auch dieses Bauchgefühl. „Sicher, der Schreiner, Metzger oder Maurer braucht das genauso, aber beim Kochen hat man eine viel größere Vielfalt. Und ein bisschen Kunst gehört ebenfalls dazu.“ Weil Kochen jeden tagtäglich betrifft, redet auch jeder mit. „Das ist die Schwäche der Kunst, aber auch ihre Stärke.“ Ähnlich wie beim Fußball, Millionen glauben, sie sind die besseren Teamchefs.

Alkohol ist für Thomas Kammeier kein Treibstoff. Das Leben genügt als Ideenlieferant. In der Küche schießen ihm die neuen Geschmacksoffensiven kaum in den Kopf, Autofahren ist genial oder das Frühstück – meist nur eine banale Situation. „Ich koche einfach, was mir schmeckt“, ist sein simples Rezept. Seine erste Chefkochstelle war auch bereits ein Volltreffer, seit 10 Jahren regiert Thomas Kammeier im Hugos, 2003 in den Himmel über Berlin gebaut. Im 14. Stock genießt man neben der Hochküche 360-Grad-Panoramakino auf den Himmel über Berlin. Den Testern ist das 18 Gault-Millau-Punkte wert, dem Michelin seit 1999 durchgehend einen Stern. Auszeichnungen haben für Kammeier allerdings nichts Erotisches. Okay, bisher wurde er …

InterContinental Berlin… noch nie zurückgestuft, „aber ich würde mich nicht aufhängen, wenn etwas passiert. Mir geht es auf den Sack, wenn die Szene ab September nur noch die Bewertungen bespricht“. Der absolute Wille, in der Öffentlichkeit zu stehen, fehlt ihm. „Mein Endziel ist es nicht, drei Sterne zu haben. Das wäre Themenverfehlung. Der Aufwand ist heutzutage so groß – mir macht es mehr Spaß, wirtschaftlich zu denken und am Ende des Monats vernünftige Zahlen zu präsentieren.“

Er koche für sein Leben gerne und fühle sich wohl, wo er jetzt ist. Das sagt einer, dessen Karriere nicht übertrieben vielversprechend anfing. Als Kind hatte Kochen für Kammeier etwas Geheimnisvolles. Die dampfenden Töpfe und Pfannen auf dem Herd seiner Mutter faszinierten ihn. Sie kochte nicht nach Rezepten, bei ihr ging alles ganz leicht. Und er ahnte schon damals, dass Intuition und eine gewisse Sorglosigkeit nötig sind. „Kochen ist wie ein Blindflug.“ Nach einer langweiligen Bäckerlehre und dem Zivildienst hatte er den Beruf fast abgehakt und tat ein dreiviertel Jahr „nichts Gescheites“. Und doch spürte er: Das kann nicht alles gewesen sein. Erst mit 22 begann er seine Kochlehre, war selbst da noch unsicher, den großen Kick bekam er später bei Wolfgang Dubs in seiner Rotisserie in Worms. „Da öffnete sich mein Horizont erst und ich begriff, was für Möglichkeiten man als Koch hat.“

„Wer ich bin?“ Lange überlegt die R.E.M.-Michael-Stipe-Look-alike mit klassischem Musikgeschmack. „Ich muss mich nicht beschreiben, das sollen andere tun. Die Leute sagen, ich bin umgänglich. Ich denke, ich bin auch ausgeglichen, gerecht und lebensfroh.“ Diese Harmonie zeigt sich in seinen Gerichten, die Klarheit ist entscheidend, das Grundprodukt soll im Vordergrund stehen, ohne von Beiwerk erschlagen zu werden. „Meine Küche steht nicht für Chichi und man wird auf meinen Tellern auch keine Ikebanakunst finden, ich habe eine Down-to-Earth-Küche.“ Zander mit Kaffee-Orangen-Karotten und Estragonpistou meint er oder krossen, mit Raz el Hanout gewürzten Spanferkelbauch, Bohnenpüree und Chorizo. So einfach und erdig also dann doch nicht. „Ich scheine Mainstream zu kochen, weil das vielen Leuten zusagt und wir immer voll sind. Sicher zum einen Teil wegen der Aussicht.“ Thomas Kammeier nimmt sich selbst nicht tierisch wichtig. Süffisanter Nachsatz: „Es dürfte wohl auch einigen schmecken.“ Privat isst er alles außer Hummer, „den habe ich seit 20 Jahren täglich um die Ohren, in der Freizeit habe ich es dann lieber rustikaler“. Roulade, geschmorte Kalbshaxe oder Risotto milanese.

 Thomas KammeierGeht es um den Umgang mit Produkten, wird Thomas Kammeier zum Berserker. „Es regt mich auf, wenn ein Koch eine Sellerieknolle zu großzügig schält oder wie ein Metzger einen Fisch filetiert.“ Aus Respekt vor der Natur verlangt er die Verwertung des ganzen Tiers – was nicht im Hugos gebraucht wird, wandert zum Bankett im gleichen Haus. Die Suche nach der besten Qualität kann aufreibend sein. Allein einen schönen Steinpilz zu bekommen, bedeutet oft einen halben Nachmittag zu telefonieren. „Alle Händler sagen: ,Wir bringen Qualität‘ und liefern den größten Schrott.“ Auch Modeprodukte hat Thomas Kammeier im Visier. „Seltsam, das iberische Schwein ist plötzlich in solchen Mengen verfügbar. Das geht ja gar nicht, da wird wahrscheinlich jedes Schwein in Spanien verwurstet. Genau das Gleiche mit dem Simmentaler Rind, da sind oft Riesenqualitätsunterschiede.“ Die Naomi Campbell unter den Fleischsorten ist das Wagyu-Beef, für Kammeier aber nur bedingt zu verwenden. „Natürlich eine Sensation, aber das Fleisch spricht so für sich, dass man es eigentlich nur auf den Grill werfen kann.“ Mit Fisch ist Kammeier eine intensive Beziehung eingegangen. „Eigentlich dürfte ich es ja gar nicht sagen, aber ich esse wahnsinnig gerne Seezunge Müllerin – spricht nicht unbedingt für einen Sternekoch“, sagt er und grinst. Pulpo ist einer seiner Favo­rits, er liebt auch Königskrabbe und Krebse. Steinbutt? „Viele Köche arbeiten gerne damit, aber ich finde, das ist so ein Luxusding, das einem als Prestigeobjekt aufgezwungen wird, so wie halt viele einen Porsche oder Ferrari haben müssen. Ich nehme aber genauso gerne Süßwasserfische.“ Eine Meeresche hat für Kammeier mindestens den gleichen Sex-Appeal, in letzter Zeit hat er sich ganz auf Hecht eingeschossen. Auch auf Gänseleber fährt Kammeier ab. „Ein geiles Produkt.“ Er habe selbst schon Enten gestopft und nicht den Eindruck gehabt, dass die Tiere gequält würden. „Die Mädels sind freiwillig gekommen, wenn man sie gerufen hat.“ Stimmt, eine Stopfleber wäre krank, aber bei manchem Trinker oder Fettleibigen könne man das auch feststellen. „Fragen Sie mal, ob die sich gegeißelt fühlen. Die werden sagen: ,Es war bisher ein schönes Leben. Ich habe geilen Stoff getrunken, tolle Sachen gegessen, ich fühl mich gut dabei.“

Hugos Restaurant im  InterContinental Berlin

Seine Arbeitszeiten sieht Thomas Kammeier im Gegensatz zu einigen Kollegen entspannt. „Ich muss erst um 11 außer Haus, kann mit der Familie morgens noch Zeit verbringen. Wer kann das von sich sagen?“ Und wenn er genug Luft hat, packt er seine Moto Guzzi aus und fährt über Land. Nur in seine alte Lederkluft passt er derzeit nicht. Klingt locker für einen Sternekoch. Und dennoch, auch wenn er nicht auf den Olymp schielt: „2 Sterne will ich einmal holen. Dieser gesunde Ehrgeiz steckt in mir, aber das ist nur Teil meiner Visionen.“

>> Im Wort

Berlin
Tolle Stadt, habe lange gebraucht, um mich hier wohlzufühlen. Ich bin saufroh, dass es nahe am Meer ist und ich bin froh, dass es so multikulturell ist.

Mich stört …
… mein Gewicht. Ich hätte gerne wieder 7 Kilo weniger, so wie vor der Zeit, als ich zu rauchen aufgehört habe.

Meine Schwäche
Ich sollte manchmal mehr durchgreifen.

Glück
Meine Frau und meine Tochter und dass ich meine Arbeit nicht nur als Job zum Geldverdienen sehen muss.

Peinlich
Manchmal das Auftreten der Deutschen.

Erotisch
Meine Frau.

Ich bin stolz …
… auf das, was ich mache und wer ich bin. Ich fühle mich sauwohl damit.

Ich bin gegen …
… schlechtes Essen – lieblos hingeknalltes Zeug, das man in mancher Berliner Gastronomie erleben muss.

>> Kammeier im Zeitraffer

1983–1986:
Ausbildung zum Bäcker.

1988–91:
Berufsausbildung zum Koch im Landhaus Scherrer, Recklinghausen. Innerhalb dieser Zeit Praktikum in Frankreich.

1991–1993:
Commis/Chef Saucier, Rôtisserie Dubs in Worms.

1993–1995:
Demi-Chef de Partie Poissonnier/Chef de Partie, Poissonnier/Souschef im Landhaus Scherrer, Hamburg. Während dieser Zeit Küchenchef für das Schleswig-Holstein-Musikfestival.

1995–96:
Chef de Partie Patissier und Gardemanger Souschef im Hummerstübchen, Düsseldorf

1996–97:
Souschef im Restaurant „Zum Hugenotten“ (das spätere Hugos) im Interconti, Berlin.

Seit 1998:
Küchenchef im Restaurant Hugos Berlin

>> Kontakt
Hugos Restaurant im
InterContinental Berlin
Budapester Straße 2
10787 Berlin
Tel.: +49 30/26 02 12 63
Montag bis Samstag ab 18.00 Uhr

>> Loup de Mer
Fenchelbranade, Oliven, Chorizo

Zutaten für 4 Portionen:

Loup de Mer:
4 Stücke Loup de Mer (à 120 g)
60 ml Olivenöl
Rosmarin
Thymian

40 ml des Olivenöls in einer Pfanne erhitzem. Den Loup de Mer mit der Hutseite nach unten anbraten. Wenn der Fisch fast fertig gebraten ist, das Bratöl abschütten. Das restliche Olivenöl und die Kräuter zugeben, den Fisch nachbraten.

Fenchelbranade:
200 g Fenchel
2 Schalotten
1 Knoblauchzehe
20 ml Olivenöl
40 ml Pernod
20 ml Weißwein
3 g Fenchelsaat,
50 g mehlig kochende Kartoffeln gewürfelt
400 ml Geflügelfond
Salz, Pfeffer
Piment d’Espelette (baskischer Pfeffer)
Olivenöl
Sahne

Den Fenchel waschen und in gleichmäßige Stücke schneiden. Die Schalotten würfeln und zusammen mit dem Fenchel und dem Knoblauch in dem Olivenöl glacieren. Den Weißwein und den Pernod mit der Fenchelsaat langsam einkochen lassen, durch ein Sieb gießen und zum Fenchel geben. Kartoffelwürfel dazugeben und mit dem Geflügelfond auffüllen. Weich kochen lassen und mit den Gewürzen abschmecken. im Mixer pürieren, durch ein Sieb streichen. Mit Olivenöl und etwas Sahne glatt rühren und abschmecken.

Konfierte Oliven:
50 g Zucker
100 ml Wasser
50 g schwarze Nizza-Oliven
Piment d’Espelette

Den Zucker aufkochen und die Oliven darin ca. 30 Minuten köcheln lassen. Würzen und einen Tag marinieren.

Chorizo:
100 g Chorizo
30 ml Olivenöl

Die Chorizo in gleichmäßige Würfel schneiden und im Öl auslassen, sie sollte nicht zu trocken werden.

Den Loup de Mer auf der Branade anrichten. Rechts und links davon die Chorizo und die Oliven setzen.

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