TRETTL on Tour – Hummeln im Hintern und Ameisen am Teller
Fotos: Mauricio Ramos / Red Bull Hangar-7, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7
Chiltepin. Die Urform aller Chilis, so groß wie ein Daumennagel, scharf wie Hölle und typisch mexikanisch. Würde man Enrique Olvera in eine Schublade stecken wollen, diese passte ihm wohl am besten. Obwohl, da klemmt es trotzdem. Denn Olvera entschlüpft mit seinen ungewöhnlichen Zusammenstellungen den Klischees der mexikanischen Chili-Guacamole-Fraktion, wie er sie allerdings im gleichen Maße auch bedient. Noch vor einigen Jahren war der 36-jährige Mexikaner mit einer Kochausbildung im New Yorker Culinary Institute of America und einer Station im Everest von Jean Joho in Chicago einer der vielen Köche, die alte Traditionsrezepte neu inszeniert haben.
Spannend, exzellent abgestimmt, aber noch fehlte die ganz typische Handschrift. Keine Frage, er war 23 Jahre alt und begann erst zu experimentieren, die alten Rezepte wurden dem immer suchenden Olvera schließlich auch zu lahm für seine Küche. Nun – knapp 13 Jahre später – hat er seine Unterschrift perfektioniert und steht als unangefochtene Spitze der kulinarischen Avantgarde Mexikos vor. Das liegt aber nicht etwa daran, dass er in einem Labor mit medizinischen Geräten hantiert, sondern schlicht daran, dass er die emotionalen Kulinarik-Wurzeln des Landes in einen Topf packt und…
Fotos: Mauricio Ramos / Red Bull Hangar-7, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7
Chiltepin. Die Urform aller Chilis, so groß wie ein Daumennagel, scharf wie Hölle und typisch mexikanisch. Würde man Enrique Olvera in eine Schublade stecken wollen, diese passte ihm wohl am besten. Obwohl, da klemmt es trotzdem. Denn Olvera entschlüpft mit seinen ungewöhnlichen Zusammenstellungen den Klischees der mexikanischen Chili-Guacamole-Fraktion, wie er sie allerdings im gleichen Maße auch bedient. Noch vor einigen Jahren war der 36-jährige Mexikaner mit einer Kochausbildung im New Yorker Culinary Institute of America und einer Station im Everest von Jean Joho in Chicago einer der vielen Köche, die alte Traditionsrezepte neu inszeniert haben.
Spannend, exzellent abgestimmt, aber noch fehlte die ganz typische Handschrift. Keine Frage, er war 23 Jahre alt und begann erst zu experimentieren, die alten Rezepte wurden dem immer suchenden Olvera schließlich auch zu lahm für seine Küche. Nun – knapp 13 Jahre später – hat er seine Unterschrift perfektioniert und steht als unangefochtene Spitze der kulinarischen Avantgarde Mexikos vor. Das liegt aber nicht etwa daran, dass er in einem Labor mit medizinischen Geräten hantiert, sondern schlicht daran, dass er die emotionalen Kulinarik-Wurzeln des Landes in einen Topf packt und mit der erlernten Finesse der klassisch französischen Küche zu etwas gänzlich Neuem zusammensetzt.
Straßen-Fingerfood auf High-Cuisine-Level, Nationalstolz mit der Politur des internationalen Glamours aufgemotzt. Die Zutaten, für Mitteleuropäer ungewöhnlich, machen dabei den Kick, Olveras Anspruch auf Reinheit und Klarheit der Aromen den stringenten Faden durch sein mehrgängiges Menü. Er bleibt dabei pur im Geschmack, aber ohne die offensichtliche Rohheit der Skandinavier. Sein Gespür für die feinen Zwischentöne macht sich vor allem in seiner Landeskunde über Chilis bemerkbar.
Deren Charakter setzt er gekonnt und überraschend ein, rauchig, feurig, süßlich. Die Schärfe macht er sich zunutze, um etwa dem Rindertatar ordentlich einzuheizen, ohne der Aromatik des Fleisches dabei die Show zu stehlen. Dem gebratenen Steinbutt legt er einen zarten Jalapeño-Ton unter und kombinert dazu drei unterschiedliche Cremen. Die, ganz seiner Philosophie der ganzheitlichen Küche entsprechend, das Grün diverser Wurzelgemüsearten sind. Und dann sind da eben noch die Ameisen. Beziehungsweise die Big-Bum-Ameisen. In Mexiko gelten sie als Delikatesse – was bei einem Preis von bis zu 400 Euro das Kilo nicht weiter verwunderlich ist.
Fein gerieben und auf den Minimais gestreut bringen sie eine ungewohnte, dezente Aromatik von leichter Bitterkeit, die sich wunderbar mit der Kaffeemayonnaise versteht. Und auch auf der Metaebene stimmt das Konzept: Denn die Ameisen fliegen einmal im Jahr für eine Woche durch die Maisfelder Mexikos, wo sie anschließend eingesammelt werden. Denn bei Olvera muss alles Hand und Fuß haben. Oder zumindest im Saft der selbigen vom Schwein geschmort haben. Und dann entsteht so etwas wie das „Spanferkel im Bohnensud mit süß-saurem Gemüse“. Und wer das gekostet hat, der braucht keine Tacos mehr. Es sei denn, es sind Olveras mexikanische Tortillas mit eingegossenem Pfefferblatt und Loup de mer.
Aufgedeckt
Gastkoch-know-how von Enrique Olvera
Jeden Monat verraten die Gastköche von Hangar-7-Executive-Chef Roland Trettl ihr Lieblingsprodukt. Enrique Olvera hat da ein ziemlich fettes Früchtchen parat …
Noch mal Glück gehabt!
Ab und an hat die wirtschaftliche Nutzung einer Pflanze auch ihren Vorteil. Ohne diese wäre die Avocado nämlich bereits ausgestorben, da die Verbreiter der Samen, also des dicken Kerns in der Mitte der Frucht, bereits vor Langem das Zeitliche segneten. Die Riesenfaultiere nämlich. Vor 10.000 Jahren waren es die Azteken, durch die Spanier gelangte sie in die Karibik, nach Chile und Madeira und vor knapp 200 Jahren erreichte sie die Philippinen. In den mediterranen Gebieten versucht man sich erst seit etwa 100 Jahren an der Züchtung. Rund 400 Kultursorten werden heute angebaut.
Dicke Dinger
Die Azteken sind kleine Lümmel. Die haben nämlich der fettesten aller Obstsorten aus dem tropischen und subtropischen Zentralamerika den sehr griffigen Namen „ahuacatl“ gegeben. Auf Deutsch: Hoden. Eine gewisse optische Ähnlichkeit lässt sich nicht absprechen und deswegen hat das Lorbeergewächs auch noch die Bezeichnung „Alligatorbirne“ verpasst bekommen. Wegen der weichen Konsistenz des Fruchtfleisches sind zudem „Butterfrucht“ und „Butterbirne“ geläufig. Als „Palta“ kennt man die Avocado in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.
Obligatorische Zugabe
Große Rockstars spielen ihren größten Hit immer als Zugabe – auch wenn sie ihn selbst nicht mehr hören können. Gleiches gilt für Enrique Olvera und die Avocado. Er vermengt das Fruchtfleisch mit einem mexikanischen Käse, dem Ocosingo, und serviert es als Creme mit Kokossorbet und Passionsfrucht.
Eine Hass-liebe
Die Avocado ist eigentlich eine Beere und zählt zu den klimakterischen Früchten. Sprich sie reift nicht am Baum fertig, sondern wird geerntet, wenn sie Marktreife erreicht. Die bei uns bekannteste Sorte ist „Fuerte“, mit typischer Birnenform, grüner Schale und gelbgrünem Fruchtfleisch. In der Regel erreichen diese ein Gewicht von 250 bis 400 Gramm. Kleiner hingegen die Sorte „Hass“, die aus einer zufälligen Mutation im Garten von Rudolph Hass entstand. Diese ist rundlich mit dunkelvioletter Schale in der vollen Reife und mit maximal 350 Gramm.
Next Chef
Bertrand Grébaut, Paris/Frankreich
Also, es soll ja auch Franzosen geben, die sich nicht so viel auf sich selbst einbilden. Einer davon ist Bertrand Grébaut, der es aber eigentlich machen dürfte. Denn er widerlegt in höchstem Maße, dass französische Küche nicht überkandidelt sein muss.
www.septime-charonne.fr
Aufgetischt
Rezept von Hangar-7-Executive-Chef Roland Trettl
Und was wäre das Gastkoch-Produkt ohne geniale Umsetzung? Eben! Exklusiv für ROLLING PIN kreiert Roland Trettl das passende Gericht!
Avocado-Thunfisch-Röllchen
Rezept für 4 Personen
Avocado-Thunfisch-Röllchen
2 Avocados
Tuna-Tatar (siehe Teilrezept)
einige frische große Basilikumblätter
Avocadocreme
Avocadoabschnitte (siehe Teilrezept Avocado-Thunfisch-Röllchen)
einige frisch gehackte Korianderblätter
Salz
frisch gepresster Limettensaft
Tuna-Tatar
300 g frischer Thunfisch
15 g fein geschnittener Frühlingslauch
15 g gehackte Kapern
20 ml Dashi-Essig
20 ml Olivenöl
ca. 1 EL Colatura di alici (italienische Fischsauce)
frisch geriebene unbehandelte Limettenschale
frisch gepresster Limettensaft
frisch gemahlener Sanshopfeffer
Vinaigrette
10 ml Ponzu-Sauce
20 ml heller Reisessig
30 ml Avocadoöl
Saft von 1 Limette
Salz
Zucker
Anrichten
4 Radieschen, in feine Scheiben geschnitten
1 frische rote Chilischote, in feine
Röllchen geschnitten
30 geröstete, gesalzene Cashewkerne
einige Korianderblätter
etwas Korianderkresse
Avocado-Thunfisch-Röllchen
Die Avocados schälen und längs mit einem breiten Pendelschäler lange Streifen abhobeln. Die Avocadostreifen (von ca. 1 Avocado) nebeneinander und leicht überlappend auf eine Lage Frischhaltefolie legen. Einige Basilikumblätter leicht glätten und in einem Streifen auf das untere Drittel der Avocadostreifen legen. Die Hälfte des Tuna-Tatars in einer Linie auf die Basilikumblätter geben. Dann mithilfe der Frischhaltefolie alles zu einer gleichmäßigen, kompakten Rolle formen, die Avocadostreifen sollen dabei das Tuna-Tatar vollkommen umschließen. Auf diese Weise eine weitere Avocado-Thunfisch-Rolle vorbereiten. Die Avocadoabschnitte sofort zu einer Avocadocreme verarbeiten (siehe Teilrezept).
Avocadocreme
Die Avocadoabschnitte mit frisch gehackten Korianderblättern, etwas Salz und etwas frisch gepresstem Limettensaft glatt mixen. Die Avocadocreme in einen kleinen Spritzbeutel füllen.
Tuna-Tatar
Den Thunfisch in feine Würfel schneiden und mit dem fein geschnittenen Frühlingslauch, den gehackten Kapern, dem Dashi-Essig, der Colatura di alici, etwas frisch geriebener Limettenschale, etwas frisch gepresstem Limettensaft sowie etwas frisch gemahlenem Sanshopfeffer vermischen. Zum Schluss das Olivenöl untermengen.
Vinaigrette
Die Ponzu-Sauce, den Reisessig, das Avocadoöl und den Limettensaft verrühren. Die Vinaigrette mit Salz und Zucker abschmecken.
Anrichten
Die Avocado-Thunfisch-Rollen von der Frischhaltefolie befreien und halbieren. Je ein Avocado-Thunfisch-Röllchen auf 4 flache Teller legen. Rundherum je 3 Tupfen Avocadocreme spritzen und einige Radieschenscheiben, Chiliringe sowie Cashewkerne verteilen. Rundherum etwas Vinaigrette träufeln und zum Schluss mit einigen Korianderblättern und etwas Korianderkresse garnieren.