Die Zukunft der Gastronomie: Juan Amador und Arno Wohlfahrter
Schöne neue Welt
Technik erleichtert fraglos viele Bereiche des Lebens – nicht erst seit heute. Wie Technik – nämlich Digitalisierung – den Erfolg in der Gastronomie bestimmt und das Leben der Köche erleichtern, die Frische garantieren und die Zukunft einer Branche vereinfachen kann, erörtern METRO Österreich CEO Arno Wohlfahrter und Spitzenkoch Juan Amador.
Auf die Antwort zur Frage über die Zukunft der Gastronomie beziehen sie ihre Perspektiven zur Digitalisierung mit ein, auch wenn Kochen für beide nach wie vor zum Handwerk zählt.
Allgemein betrachtet: Sieht die Zukunft der Gastronomie schwarz oder rosig aus?
Juan Amador: Ich bin ein Optimist. Also für mich sieht sie rosig aus. Allerdings brauchte man vor 20, 30 Jahren noch nicht so viel tun, um den Laden zu füllen. Heute ist die Konkurrenz größer, auch weil es viele Top-Gastronomen gibt. Drei Punkte sind wesentlich: erstens gute Fachkräfte zu bekommen. Zweitens, die Gäste werden nicht mehr werden. Der dritte Punkt ist, dass es von den Top-Produkten nicht genug gibt. Daher ist es sehr sinnvoll, dass sich die Restaurants und Chefs auf unterschiedliche Bereiche wie Regionalität oder vegetarische Konzepte konzentrieren. So teilt sich das Angebot auf. So gesehen, ist es also schwieriger geworden.
Arno Wohlfahrter: Meine These ist: Die Spitzengastronomie hat trotz wachsendem Mitbewerbs gute Zukunftschancen. Die mittlere Gastronomie wird, wenn sie sich nicht differenziert, an Relevanz verlieren und Gastwirte laufen mit ihrer Kostenstruktur am ehesten Gefahr durch die Systemgastronomie ersetzt zu werden. Wir erkennen eine sehr spannende Veränderungsphase im Einkaufsmuster unserer Kunden. Das betrifft natürlich auch die Gastronomen. Speziell für uns: Die Logistik ist als Lieferant komplexer und kleinteiliger geworden. Die Verfügbarkeit der Produkte im Qualitätsanspruch der Spitzengastronomie ist herausfordernder.
Amador: Der Gastrokritiker Wolfram Siebeck hat damals die These aufgestellt, dass es nur mehr die Systemgastronomie und High-End geben wird. Und das sehe ich genauso. Wenn man sich auf Top-Niveau bewegen will, muss man sein Profil schärfen und eigenständig sein oder man muss sich auf die Masse konzentrieren. Dazwischen wird es schwieriger. Jeder kann ein Restaurant aufmachen.
Wie kann die Digitalisierung hier unterstützen?
Wohlfahrter: Die zentrale Frage ist der Zweck der Digitalisierung. Sie kann das Leben erleichtern, Standardprozesse werden verbessert beziehungsweise in Systeme verlagert und die Effizienz wird gesteigert. Im Extremfall könnten Roboter irgendwann einmal kochen. Ich würde das allerdings nicht essen wollen. Denn für mich zählt Kochen als Handwerk. Zudem brauchen Menschen als soziale Wesen den sozialen Kontakt. Mir graut vor einer Zukunft, in der das Virtuelle überhand nimmt. Digitalisierung sehe ich aber ganz klar als Unterstützung in den Abwicklungsprozessen und administrativen Bereichen, damit mehr Zeit bleibt für Kunden, für persönlichen Kontakt und fürs qualitative Kochen. Beim Qualitätsanspruch stellt sich natürlich die Frage, wie viel ist der Gast bereit zu zahlen? Die „Geiz ist geil“-Mentalität ist hier die völlig falsche Richtung. Die Wertschätzung von Lebensmitteln ist für unsere Zukunft sehr wichtig. Dazu gehört auch Respekt.
Herr Amador, inwieweit ist Ihr Betrieb digitalisiert?
Amador: Wir haben eine Cloud, zu der jeder Mitarbeiter Zugriff hat. So ersparen wir uns das Blättern in vielen Ordnern. Alles, was neu gemacht wird in der Küche, wird fotografiert und katalogisiert. Damals hat man eben so einen Karteikasten gemacht, heute hat man die bessere und viel einfachere Lösung digital. Social Media Marketing ist sehr wichtig. Ich vergesse das häufig, dabei wird das immer wichtiger. Auch zur Evaluierung beispielsweise der Reservierungszahlen oder der Gäste – woher sie kommen, welche Plattformen sie nutzen, wo sie schon waren.
Digitalisierung kann entlasten. Beispielsweise durch die Automatisierung von Prozessen wie Bestellungen oder die Katalogisierung von Rezepten. Herr Wohlfahrter, ist die Digitalisierung die ultimative Lösung?
Wohlfahrter: Ich sehe die Digitalisierung als optimale Antwort auf viele Anliegen der Gastronomie und differenziert. METRO hat Kunden vom Würstel- und Kebap-Stand bis hin zur Spitzengastronomie. Jedes Unternehmen stellt unterschiedliche Anforderungen. Mit einer digitalisierten Technologie können wir massiv dazu beitragen, gastronomische Vielfalt aufrechtzuerhalten. Sprich, das überschaubare System arbeitet im Hintergrund in der Verwaltung, und zum Gast hin wird Vielfalt garantiert. So müssen beispielsweise kleine Betriebe nicht zwingend durch eine Fast-Food-Kette ersetzt werden, sondern können über Technologie so effizient werden, dass sie rentabel sind. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie wir gastronomische Vielfalt beibehalten können. Technologie in der Spitzengastronomie ist eher schwieriger, weil die Menüs öfter wechseln, die Karten der Kreativität folgen und damit die Produkte kleinteilig und speziell sind. Da sind beispielsweise manuelle und vorallem persönliche Kontakte einfacher für beide Seiten. Demnach ist Automatisierung in der Spitzengastronomie nicht so passend und wichtig, wie für mittlere und kleinere Betriebe mit wiederkehrenden Speisen.
Herr Amador, ist für Sie Digitalisierung der Schlüssel der Zukunft?
Amador: Nein. Wir sind in meinem Restaurant sonst eher low tech unterwegs. Hier arbeiten Menschen und wir arbeiten mit Emotionen. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Natürlich kümmern wir uns um den Gast, aber auch um die Mitarbeiter. Wie bekomme ich die besten Mitarbeiter und wie kann ich sie halten? Wir denken massiv über eine 4-Tage-Woche nach. Wir schaffen die Arbeit nicht in einer 8-Stunden-Schicht. Unsere Mitarbeiter möchten gerne länger arbeiten und dafür weniger Tage, um auf ihre Stunden zu kommen, aber der Gesetzgeber verbietet es. Man muss letztendlich die Leute binden, da bringt mir die beste Weinkarte oder der beste Fisch nichts, wenn ich keine guten Mitarbeiter habe. Wir möchten 2018 umsetzen, dass das Restaurant zwar fünf Tage geöffnet ist, aber die Mitarbeiter nur vier Tage arbeiten, um ihnen ihre Regenerationszeit zu ermöglichen.
Welchen Zweck hat die Digitalisierung in der Gastronomie?
Wohlfahrter: Digitalisierung ist sehr vielfältig. Es stellt sich immer die Frage, in welchem Bereich man arbeitet. Geht es um die Verwaltung, um die Prozesse oder um Marketing. Das Was wird über die Digitalisierung ja nicht verändert, sondern das Wie. So gesehen erfüllt die Digitalisierung in der Gastronomie ihren Zweck. Neben dem METRO Bestellportal für alle Zustellkunden bieten wir ein individuelles Webseiten-Baukastensystem, damit können Gastronomen mit nur wenigen Klicks ihren eigenen professionellen Internetauftritt erstellen. Für METRO-Kunden ist dieser Service komplett kostenlos. Die Hostingkosten übernimmt METRO. Eine weiterer Schritt unserer digitalen Initiative ist der Predictive Supply. Das heißt, wie erkennen wir vorab den Bedarf? Im Raum Wien sammeln wir seit April des Vorjahres mit der 3-Stunden-Belieferung sehr gute Erfahrungswerte. Für uns geht es dabei um Versorgungssicherheit und Frische. Je besser wir nämlich voraus planen können, was gebraucht wird, umso besser können wir garantieren, dass die Ware zur richtigen Zeit und ultrafrisch vor Ort ist. Im Vermeiden der Lebensmittelverschwendung ist das ein wesentlicher Beitrag, den wir leisten können. Digitalisierung muss also immer nach dem Nutzen hinterfragt werden. Wird die Welt dadurch schöner? Schwer zu sagen, aber in der Welt in der wir leben, vereinfacht Digitalisierung vieles im Leben.
Technologie für die Gastronmie
HORECA.digital ist eine 2015 gegründete Geschäftseinheit der METRO, die den digitalen Wandel in der Gastronomie-Branche voranbringen will. Das internationale Team arbeitet an verschiedenen Initiativen rund um die Themen Digitalisierung und Innovation in Gastronomie und Hotellerie sowie seit Kurzem auch im Handel.
Sie entwickeln digitale Lösungen für die Gastronomie, bauen die Vertriebskanäle für ihre eigenen digitalen Lösungen sowie für die von Start-ups und betreuen die METRO Accelerator Programme. Außerdem investieren sie in Start-ups aus den Bereichen Hospitality-Tech, Retail-Tech, Food-Tech und Food-Innovation und beobachten die Trends in der Hospitality-Branche.
www.metro.at | www.amadorswirtshaus.com