Inspiration Tour: Die spannendsten Gastro-Konzepte in London

Hot Dogs aus Sushi-Rollen, Snacks aus lauter Grünzeug – und ein Herz für Fett und Zucker: London setzt seit Jahren einen Foodtrend nach dem anderen. Warum ist das so? Was sind die spannendsten Konzepte? Wir kosten uns durch die einzigartige Food-Metropole.
September 19, 2024 | Text: Rolling Pin | Fotos: Jutta Klee, Bun&Sum

Beginnen wir mit einer Klarstellung: Ja, Paris hat großartige Restaurants. Und ja, dasselbe gilt für Barcelona, Kopenhagen oder Stockholm. Alles Städte, in denen Jahr für Jahr mehr Michelin-Sterne aufleuchten – und die von der prestigeträchtigen World’s 50 Best Restaurants-Liste nicht mehr wegzudenken sind. Und doch haben die vergangenen Jahre in Europa eines gezeigt: Die Stadt, die gesamtgastronomisch den anderen immer einen Schritt voraus ist, heißt London.

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Smash Burger ohne Chichi: Im Bun&Sum im Stadtteil Hackney zeigt sich, warum in London kleine Läden oft besser funktionieren als große Ketten

Beginnen wir mit einer Klarstellung: Ja, Paris hat großartige Restaurants. Und ja, dasselbe gilt für Barcelona, Kopenhagen oder Stockholm. Alles Städte, in denen Jahr für Jahr mehr Michelin-Sterne aufleuchten – und die von der prestigeträchtigen World’s 50 Best Restaurants-Liste nicht mehr wegzudenken sind. Und doch haben die vergangenen Jahre in Europa eines gezeigt: Die Stadt, die gesamtgastronomisch den anderen immer einen Schritt voraus ist, heißt London.

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Smash Burger ohne Chichi: Im Bun&Sum im Stadtteil Hackney zeigt sich, warum in London kleine Läden oft besser funktionieren als große Ketten

Was heute in der Hauptstadt Großbritanniens am Puls der Zeit ist, kommt frühestens in zwei Jahren in den Metropolen des europäischen Festlands an. „Und wenn wir von kleineren Städten wie Innsbruck oder Kassel sprechen, dann dauert das mindestens fünf Jahre“, sagt Pierre Nierhaus.

Er muss es wissen: Als Trend-Experte der Hospitality-Branche unternimmt er sechs Mal im Jahr sogenannte Trend-Touren durch London. Dort führt er Führungskräfte und Interessierte der Branche durch die neuesten und wichtigsten Gastro-Konzepte, die sich bald eins zu eins in deren Heimatstädten finden werden – und damit quasi einen wertvollen Blick in die gastronomische Zukunft ermöglichen. Warum schafft es London, immer einen Schritt voraus zu sein? Was sind das für Konzepte, die sich dort bewähren? Und warum hat mittlerweile das wenigste davon mit Fine Dine zu tun?

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Andrew Wong interpretiert in seinem Restaurant A. Wong – direkt an der Grenze des Stadtteils Pimlico zu Victoria – die chinesische Küche neu. Und vor allem: sehr londonisch

Ferner Osten für den Westen

„Was London so einzigartig macht, ist der Faktor Zeit“, sagt Andrew Wong. Der Sohn eines Gastronomenpaars mit chinesischen Wurzeln übernahm 2012 das elterliche Restaurant – und machte daraus eines der angesagtesten China-Restaurants der Stadt.

Was meint er, wenn er vom „Faktor Zeit“ spricht? „Die kulturelle Vielfalt in London wird seit Jahrhunderten gelebt, das erste chinesische Restaurant gab es hier bereits im 19. Jahrhundert, im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten ist das sehr früh. Das hat auch dazu geführt, dass es in London bald schon ein spezialisiertes Angebot an chinesischer Küche gab: Hot-Pot-Restaurants, Dim-Sum-Restaurants, Nordchinesische Restaurants und so weiter.

In vielen angesagten Metropolen gibt es heutzutage lediglich ein paar China-Restaurants“, erklärt Wong. Was in London für die chinesische Küche gilt, trifft übrigens auch auf die singalesische, die thailändische und die westafrikanische zu – kurz: auf die Kulinarik all jener Länder, die ehemals Kolonien der britischen Krone waren. Aus den kulinarischen Randerscheinungen, die sich vor rund 50 Jahren in Form kleiner, bescheidener Buden am Londoner Stadtrand angesiedelt hatten, entstanden mit der Zeit verfeinerte High-End-Konzepte, die immer näher ins urbane Zentrum rückten.

 

 
 
 
 
 
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Und damit besagte „Ethno-Küchen“ einerseits „londonisierten“, aber eben mit neuer Strahlkraft versahen: Zu ­nennen wären da vor allem das Hoppers in Soho, das der südindischen Küche seit rund zehn Jahren neuen Glanz verleiht. Oder das Hakkasan, das seine erste Filiale 2001 im Stadtteil Fitzrovia eröffnete und seither das westliche Verständnis der kantonesischen Küche revolutionierte. In genau diesem Kontext reiht sich übrigens auch Andrew Wongs Erfolg ein.

Wo bleibt das Aquarium?

Sein Restaurant in der Wilton Road befindet sich an der Grenze zwischen dem leistbaren London, das mit seinen authentischen Ethno-Läden (noch) der Gentrifizierung trotzt, und dem finanzstarken Zentrum mit seinen Wolkenkratzern und Headquarters. Natürlich gibt’s hier ein elaboriertes Menü, das die einzelnen Regionen Chinas kulinarisch zelebriert und Wong zwei Michelin-Sterne einbrachte.

 

 
 
 
 
 
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Doch Design und Atmosphäre ähneln eher einem traditionellen China-Restaurant (nur das Aquarium sucht man vergeblich), und mittags gibt’s hier durchaus leistbare Dim-Sum- und andere bodenständige Gerichte. Das ist ein wichtiger Punkt in der heutigen DNA der Londoner Gastro-Wunderkiste: Der langatmige Abendservice des michelinprämierten Gourmettempels wirkt hier irgendwie veraltet.

Viel lebendiger, prägender und vorwärtspreschender ist momentan jener Bereich, der den Trend rund um das Snackification-Phänomen bedient. „Dafür ist London aus einem ganz bestimmten Grund prädestiniert“, meint Pierre Nierhaus. „Viele Menschen, die ihren Arbeitstag oder ihre Freizeit in London selbst verbringen, fahren oft vom Stadtrand oder außerhalb her, weil der Wohnraum dort bekanntlich knapp und für viele nicht mehr leistbar ist. Was sie, genauso wie die Innenstädter, alle brauchen: Etwas zum Essen für unterwegs, das schmeckt – und genauso unkompliziert wie gesund ist.“

Grün und gedünstet

Das alles trifft auf das Speisenangebot im Erfolgskonzept namens Itsu zu. Als ComfortFood asiatischer Prägung ließe sich das Essen dort wohl am besten beschreiben – aber mit radikal gesundheitsversessenem Anspruch: Das meiste hier – vor allem die Proteine wie Fisch oder Fleisch – werden gedünstet und nicht frittiert, überhaupt spielt hier Fett eine erstaunlich kleine Rolle. Gemüse und allerhand Grünes genauso wie Vollkornprodukte hingegen eine überdurchschnittlich große.

 

 
 
 
 
 
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Seit der ersten Filialeröffnung 1997 im Stadtteil Chelsea gibt es heute in ganz Großbritannien über 70 Standorte, die meisten davon in London. „Pochierter Lachs mit Omega-3-Fettsäuren, brauner Vollkornreis, nahrhafte Gemüsemischung, vitaminreiches Grünzeug und Ingwer, Kürbiskerne, Limette, optionales Sesam-Dressing“, so liest sich die Beschreibung des Gerichts „Miso-Lachs-Reisbox-Salat“, das beispielhaft für den Erfolg vor allem im Mittagssnackbereich der Itsu-Gruppe steht.

Etwas kleiner, jünger – weil auch erst 2018 gegründet – und quasi der letzte Schrei ist außerdem das Konzept namens Sushi Dog. Ja, tatsächlich: Man stelle sich eine Sushi-Rolle in Hotdog-Dimensionen vor, et voilà, schon hat man den wohl frechsten Geniestreich Kulinarik-Londons der letzten Jahre vor sich.

Moment mal, London als Epizentrum eines fast schon ayurvedisch anmutenden Verständnisses von Ernährung, in der eiweiß- und ballaststoffreiches Essen dem Gesundheitswahn unserer Tage huldigt? Nein, nein, das wäre zu einfach. London ist schließlich auch Heimat von Fett und Zucker.

Ketten bleiben draußen

Und wie! „Bakery“ lautet das Schlüsselwort. Nirgendwo sonst sind in den letzten Jahren so viele kleine Bäckereien aus dem Boden geschossen wie in London.

Die Erklärung dafür ist komplex, aber nicht kompliziert: Bilder und Videos von „instagrammablen“ Pâtisserie-Kreationen haben die Sozialen Medien in den vergangenen Jahren wie im Sturm erobert. Während der Corona-Lockdowns hat die Kulturtechnik des Backens zusätzlichen Aufschwung erfahren. Und überhaupt tut den Menschen in krisengebeutelten Zeiten eines ganz besonders gut: Etwas Flaumigsüßes, das in jedem von uns wärmende Kindheitserinnerungen weckt.

 

 
 
 
 
 
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Besonders gut versteht man sich darauf, in Konzepten wie etwa dem Fabrique, das ursprünglich in Stockholm gegründet wurde und mittlerweile sechs Standorte in London hat. Vollkornsauerteigbrote aus dem Steinofen, saisonale Leckereien aus regionalen – richtig geraten – Vollkornmehlen und saisonalem Obst: Das ist es, was die meisten kleinen Londoner Bäckereien, die nicht selten von Quereinsteigern gegründet wurden, zu regelrechten Fixpunkten in ihrem Bezirk haben werden lassen.

„Natürlich gibt es auch größere Ketten im Bakery-Segment“, sagt Pierre Nierhaus, „aber es ist so wie mit den Burger-Läden: In London funktionieren die kleinen, individuellen Konzepte meist besser als die großen Ketten. Und ich denke nicht, dass sich das so schnell ändern wird.“ London bleibt also London – gerade, weil es sich jeden Tag aufs Neue neu erfindet. In der Zwischenzeit freuen wir uns auf das, was dort seit fünf Jahren out ist. Was auch immer es ist: Es schmeckt bestimmt.

Und wer jetzt Lust auf einen Sushi Dog hat – ab nach London!

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