Visionen aus der Zukunft der Hotellerie und Gastronomie
Es ist unbestritten – unsere Welt ist derzeit im Wandel. Was in den vergangenen 20 Jahren mehr oder weniger gesetzt war, ist plötzlich variabel. Kriege, Klimawandel, Pandemie, Kaufkraftverlust, Durchbruch der Künstlichen Intelligenz – die Liste der Brennpunkte wird gefühlt mit jedem Tag länger. Und somit ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade die Gastronomie, die stets wie ein elastischer, aber stabiler Kleber unterschiedliche gesellschaftliche Strömungen miteinander verkleistert hat, von diesen Veränderungen massiv beeinflusst wird.
Es ist unbestritten – unsere Welt ist derzeit im Wandel. Was in den vergangenen 20 Jahren mehr oder weniger gesetzt war, ist plötzlich variabel. Kriege, Klimawandel, Pandemie, Kaufkraftverlust, Durchbruch der Künstlichen Intelligenz – die Liste der Brennpunkte wird gefühlt mit jedem Tag länger. Und somit ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade die Gastronomie, die stets wie ein elastischer, aber stabiler Kleber unterschiedliche gesellschaftliche Strömungen miteinander verkleistert hat, von diesen Veränderungen massiv beeinflusst wird.
Eine Erkenntnis, die für Trendforscher wie Andrew Fordyce und Pierre Nierhaus aktuell die Grundlage für ihren stets fundierten Weitblick in zukünftige Entwicklungen liefert. Wie groß die Veränderungen in der Gastronomie sein werden, lässt sich laut Nierhaus anhand eines markanten Beispiels aus der Vergangenheit jedenfalls erahnen: „Vor 20 Jahren war es üblich, dass wir zu Mittag ins Gasthaus gegangen sind, da haben wir uns zum Braten ein Glas Wein bestellt und danach eine Zigarette geraucht.“ Aus heutiger Sicht und für die nun junge Generation Z eine Szenerie, die aus der Welt gefallen scheint. Dabei waren in den vergangenen Jahrzehnten keine derart starken Trendtreiber aktiv, wie es heute der Fall ist. Aber was bedeutet das nun konkret für den einzelnen Gastronomen? Woran kann man sich in diesem Slalom der plötzlichen Veränderungen orientieren?
Wie geht es mit der KI weiter?
Zuerst einmal gilt es laut Pierre Nierhaus, sich nicht der Angst hinzugeben, sondern vielmehr die Chancen in den neuen Möglichkeiten zu sehen. Denn diese sind seiner Meinung nach sehr groß. Allen voran ist es natürlich die aktuell massiv beschleunigte Entwicklung von KI-gestützten Systemen. Seiner Prognose zufolge wird die Künstliche Intelligenz uns als Menschen und Gastronomen allerdings besonders hilfreich zur Seite stehen und keineswegs aus dem Markt drängen. „Clevere Assistenzsysteme werden uns so lästige Tätigkeiten wie Karten-Aktualisierung, Telefongespräche oder andere administrative Vorgänge abnehmen. Wir können dann die eingesparte Zeit nutzen, um uns um die wirklich relevanten Themen, die nur ein Mensch ausführen kann, zu kümmern.“ Und das bedeutet in seiner Vision, dass der Fokus auf das Zwischenmenschliche gelegt werden wird. Die durchaus schlüssige Logik dahinter: Je mehr technologische Aspekte in unserem gesamten Leben Einzug halten, umso eher sehnen wir uns nach qualitativ hochwertigen Umgang. Nierhaus postuliert gar: „Das Zwischenmenschliche wird somit zum Alleinstellungsmerkmal!“
Dem pflichtet Fachkollege Andrew Fordyce nicht nur bei, sondern sieht das Thema gar noch größer: „Es wird eine Art von Technologie-Aversion einsetzen, gerade bei Themen wie dem Essen!“ Das würde man heute schon ersehen, wenn man sich die Zahlen von Self-Check-Out-Kassen ansieht: „Die Menschen nehmen das nicht an und werden das auch in Zukunft nicht tun.“ Fordyce attestiert daraus abgeleitet den oftmals gepriesenen Food-Automaten keine anhaltenden Zukunftschancen. „Es wird einen Peak geben, der rasch wieder abflachen wird. Der Mensch will nicht mit einer Maschine reden.“
Roboter, bitte kommen! Oder doch nicht?
Diesen Einschätzungen stehen allerdings aktuell Meldungen über Roboter gegenüber, die bereits vollständige Menüs selbst zubereiten und den Koch obsolet machen. Wie also passt das zusammen? „Grundsätzlich muss man dazu sagen, dass die Vorstellung von futuristischen Roboterarmen, die wild rotieren, völliger Schwachsinn ist“, sagt Nierhaus. Gleichzeitig aber würde die Robotik seiner Meinung nach in Zukunft sehr wohl eine relevante Größe sein. Allerdings auch hier nicht etwa, um allein zu agieren, sondern um den Chefs dieser Welt gezielt unter die menschlichen Arme zu greifen. Das sei, so der Fachmann, ohnehin alles andere als eine neue Entwicklung: „Auch heute haben wir moderne Geräte wie Thermomix oder Ähnliches in den Sterneküchen stehen, die uns die Arbeit erleichtern. Das wird gewiss noch stärker werden.“
Welch positive Auswirkungen das haben wird, erläutert Fordyce anhand des Food-Waste-Themas. Seiner Einschätzung nach werden uns KI und Robotik im Zusammenspiel dabei helfen, Food-Waste zu minimieren und somit nicht nur nachhaltiger, sondern vor allem effizienter zu arbeiten. „Damit optimieren wir insbesondere aber auch unsere Gewinnrechnung“, betont der Experte und holt aus: „Wir müssen gerade in der Individualgastronomie in Zukunft viel konkreter daran arbeiten, nicht nur zu dienen, sondern auch zu verdienen!“ Schließlich würde seiner Einschätzung nach der Zweig der Individualgastronomie massiv unter Druck geraten.
Menschen werden in Zukunft mehr für Erlebnisse als für materielle Dinge ausgeben!
Trendforscher Pierre Nierhaus erahnt, wohin die Reise geht
„In Zukunft gilt es für den klassischen Gastronomen noch stärker, darauf zu achten, dass weniger mehr ist! Du kannst nicht mehr Everybodys Darling sein und alles anbieten. Du musst in Zukunft maximal spezifisch sein, um gezielt deine Kunden anzusprechen. Und innerhalb deiner Spezialisierung musst du eben verdammt gut sein.“ Wem das nicht gelingt, der würde seiner Meinung nach gegen die moderne Systemgastronomie keine Chance haben. Zumal aktuell etwa in Deutschland Brandbeschleuniger wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer drohen. In Summe sehen beide Trendforscher eine drohende Verschiebung der Kräfte zu einem ungleichen Verhältnis von 70 Prozent Systemgastronomie hin zu 30 Prozent Individualgastronomie.
Kombination der Megatrends
Auch wenn große Restaurantketten gewiss die größte Bedrohung darstellen, sieht Nierhaus dennoch auch für die kleinen Betriebe ein strahlendes Licht vor sich: „Das Thema ,Individualität‘ ist ein Megatrend, den wir in der Gastronomie aktiv aufgreifen können“, sagt er. Und zwar, indem wir diesen mit dem Trend zum Erlebnis kombinieren. Nierhaus: „Wir haben in den vergangenen Monaten erstmals erlebt, dass Menschen für besondere Erlebnisse mehr bezahlen als für materielle Güter.“ Wie man sich das zunutze machen kann, zeigen aktuell etwa zukunftsweisende Konzepte wie das „Eatrenalin“ im Europapark Rust in Deutschland.
Kurz dazu: Nach jedem Gang wird man auf selbstfahrenden Sesseln in den nächsten Raum, die nächste Genusswelt, gebracht. Um dort wieder Neues zu erleben – nicht nur auf dem Teller. „Fünfdimensionales Erlebnis“ sagen die Macher dazu. Und Nierhaus macht daran die Erkenntnis fest, dass Fine Dine keineswegs bald – wie Anfang 2023 von Rene Redzepi propagiert – von gestern sein wird. Konzepte wie dieses aber haben jedenfalls eine Aussage gemeinsam: Es geht in Zukunft gerade in der Spitzengastronomie darum, die Gäste auf eine Reise in eine Wohlfühlwelt mitzunehmen. „Je größer und komplizierter die Welt da draußen ist, umso mehr brauche ich eine feine, kleine Welt, in der ich mich sicher fühle. Diese kann die Gastronomie von morgen bieten.“
Schluss mit Nachhaltigkeit?
In dieser Wohlfühlwelt wird allerdings das Thema Nachhaltigkeit laut beiden Trendforschern keine große Rolle mehr spielen. Vielmehr werde es zur Basisausstattung gehören, sagt Nierhaus. „In zwei bis fünf Jahren schon ist dieses Thema durch.“ Wer nicht nachhaltig arbeitet, hätte auf einem zukünftigen Markt keine Chance mehr, wodurch das Thema als USP seine Durchschlagskraft verlieren würde. Ins gleiche Horn stößt Andrew Fordyce, wenn er davon spricht, dass industriell hergestellte plant-based Produkte bald der Vergangenheit angehören. „Hier ist der Höhepunkt überschritten, schon jetzt sehen wir, dass die Preise für diese Produkte fallen“, sagt Fordyce. Und weiter: „Wir Menschen sind nicht dumm. Wir wollen langfristig keine Lebensmittel essen, in denen 26 Chemikalien verarbeitet sind.“ Stattdessen würde das klassische Gemüse, also das natürlich Vegetarische, einen Aufwind erleben.
Eine weitere Absage erteilt Andrew Fordyce der veganen Bubble. „Wir sehen jetzt schon, dass Frauen, die sich vegan ernähren, nicht so leicht schwanger werden. Weil wir einfach nicht alle fehlenden Vitamine allein mit Tabletten substituieren können.“ Allein diese Erkenntnis würde seiner Meinung nach dazu führen, dass ein gemäßigter Konsum von weißem Fleisch oder Fisch wieder en vogue sein wird. Gleichzeitig aber wird dieser Umstand auch Treibstoff für alternative Proteinformen sein. So sehen die beiden Fachleute Insekten genauso als Eiweißlieferanten von morgen wie auch Hanf und Algen.
Und was ist dann in 50 Jahren?
Während sowohl Nierhaus als auch Fordyce eine eher nahe Zukunft von ungefähr zehn bis 25 Jahren beschreiben, hat das internationale Forschungsinstitut Euromonitor aktuell versucht, gar 50 Jahre in die Zukunft zu blicken. Zum Drüberstreuen servieren wir an dieser Stelle gerne die wichtigsten Erkenntnisse daraus – quasi als Nach-
speise: Laut Euromonitor wird in 50 Jahren die Automatisierung jede Stufe der gastronomischen Produktionsprozesse durchdrungen haben, was aus den heute schon trendigen Ghost-Kitchens regelrechte Ghost-Produktionszentren machen wird. Außerdem würden Roboter auf Drei-Sterne-Level arbeiten und Speiseaufzüge Speisen autonom durch die ganze Stadt von A nach B liefern. Zudem sollen laut dem aktuellen Bericht moderne Automaten individualisiertes Convenience-Food per Knopfdruck ausspucken.
Eines besagt der durch die Bank mutige Blick in eine ferne Zukunft aber auch: Menschen werden niemals ersetzt werden. Und nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Auch nicht in der Zukunft.