What’s next? Das ultimative Recap der Rolling Pin.Convention Austria 2024

Was will Max Stiegl mit einem Hund in der Pfanne? Welches Geheimnis lüftet Massimo Bottura? Und: Welche Trends, Innovationen und Visionen drängen in der Branche gerade in den Vordergrund? Unter dem Motto „What’s next“ lieferte die Rolling Pin.Convention, nach der Fusión Madrid das zweitgrößte Gastro-­Symposium Europas, auch jetzt wieder mächtig viel Inspi­ration und klare Antworten auf Fragen, die sonst keiner stellt.
Juni 13, 2024 | Text: Lucas Palm | Fotos: Moving Stills

Isabella Potì steht noch keine zwei Minuten auf der Bühne – und schon fühlen wir uns ertappt. Wie es aussieht, sind wir nicht die einzigen: Verwundert, ja geradezu verstört, blicken die vielen Menschen aus dem Publikum auf die Mainstage der Grazer Rolling Pin.Convention. Der Grund: Die international gefeierte Küchenchefin erklärt uns gerade, dass die Sache mit dem gehypten Farm to Table, dem hippen Zero Waste und dem trendigen Fermentieren jahrhundertelang Frauensache war.

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Die zweifache Nummer eins der World’s 50 Best Restaurants, Massimo Bottura, begeisterte nicht nur mit tiefem Fach­wissen, er präsentierte gar exklusiv sein neues Menü

Im süditalienischen Apulien, dort, wo Isabella Potì herkommt, hatten die Frauen, die all diese Praktiken zur Chefsache erklärten, sogar eine eigene Bezeichnung: Massaia. „Sie waren die Besitzerinnen und Managerinnen der sogenannten Masserias. Das waren Bauernhäuser mit angeschlossener Landwirtschaft, die den Großfamilien, die dort lebten, alles bot, was sie zum Essen brauchten“, erklärt Potì. „Wenn ich höre, dass wir Frauen uns langsam wieder einen Platz in den Küchen erarbeiten, dann sage ich als Frau aus Apulien: Moment mal, wir wissen seit Jahrhunderten, wie man eine Küche managt – okay?“

Wie erfolgreich sie das macht, das beweist die Süditalienerin in ihrem Restaurant Bros in Lecce – ach, und: in zwei weiteren, bodenständigeren Restaurants, einem Pastry Shop und einem Rugby Club. Aber darüber spricht die gerade einmal 29-Jährige heute nicht. Vielmehr gibt sie dem Publikum einen Einblick in das apulische Terroir, das in vielen, vermeintlich simplen Traditionen seinen Ausdruck findet: in Makrelen, die drei Tage getrocknet und, für die Bissfestigkeit des Fleisches, mit Salz und Zucker eingerieben werden.

Erstaunlich dunkel sieht es aus, dieses Fleisch, das da in feine Scheiben geschnitten wird – und auf einer Eiskugel von Riccota Scanta, also gereiftem Ricotta, landet. „Der riecht und schmeckt stark, hat spürbare Bitternoten, und zusammen mit dem rustikalen Umami der Makrele gibt das einen charakterstarken Teller, der Apulien widerspiegelt – und auch die Stärke der kulinarischen Tradition, die weiblicher geprägt ist, als viele denken“, so Potì. Fazit: Standing Ovations im Publikum.

Bühne frei für die Lehrlinge

Für uns das Zeichen für einen Sprung zur Wine-Area, wo die Sommelier-Legende Gerhard Retter die besten seiner Zunft eingeladen hat. Steirereck-Sommelier-Kapazunder René Antrag bietet dort eine sensorische Tour durch die faszinierende Welt der Fortified Wines, also Likörweine. Die Sommelier-Ikone macht mit unterschiedlichen Kostproben klar, warum sie im gastronomischen Kontext zu Unrecht unterschätzt sind. Apropos Steirereck: Auch Heinz Reitbauer ist da! Und er ist nicht allein.

Die Zukunft gehört den Jungen!
Heinz Reitbauer überließ die Mainstage seinen Steirereck-Lehrlingen – und bewies damit eindrucksvoll: Die Zukunft der Branche ist in guten Händen

Das internationale ­Aushängeschild der österreichischen Gastronomie hat nicht nur seinen Sous Chef und seine beiden Küchenchefs aus Wien und dem Pogusch mitgenommen, sondern gleich auch mehrere Lehrlinge. „Ich möchte euch heute das Zukunftspotenzial unserer Branche näherbringen – und zwar aus einem einfachen Grund: In den vergangenen Jahren hat man immer mehr das Gefühl, dass immer mehr Menschen sich weigern, daran zu glauben, dass etwas besser wird. Ich möchte das Gegenteil beweisen – und überlasse deswegen die Bühne jenen Menschen, die bei uns in der Ausbildung sind und das Morgen unserer Branche sehr positiv mitbestimmen werden.“

Awards, Preise und Kärftemessen

Seit Beginn an ist die Rolling Pin.Convention auch der Ort, an dem sich die Besten der Besten messen. Das fängt bei der Wahl der „100 Best Chefs“, „50 Best Sommeliers“ und „50 Best Bars“ an, findet bei der Verleihung der Oscars der Gastronomie, den Rolling Pin.Awards, seinen Höhenpunkt und wird auf allen Bühnen in den unterschiedlichsten Ausprägungen spürbar. So fand heuer das Finale der Jungen Wilden vor 10.000 Teilnehmern statt, der Rookie of the Year wurde gekürt und beim Rolling Pin European Bartender Cup 2024 ging es auf der Bar.Stage heiß her.

 

Und ab diesem Moment kommen die Lehrlinge Melina, Fabio, Hannah, Denice, Paul und Georg auf die Bühne – und Heinz Reitbauer tritt in den Hintergrund. Es ist eine starke, rührende und beeindruckende Szenerie: Engagierte Lehrlinge aus Service und Küche sprechen hier, auf der großen Mainstage der RPC, über ihren Zugang zu Produkten und Service, über ihre Zugänge, ihre Leidenschaft, ihre Lust, etwas zu bewegen. Der Applaus zum Schluss kennt keine Grenzen. Und zeigt: Zuversicht für unsere Branche ist mehr als angebracht. Das findet ein weiterer hochkarätiger Gast auf der diesjährigen RPC übrigens auch.

Saumagen für den Minister

Martin Kocher, Österreichs Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, ist zum Thema „Insights auf den Arbeitsmarkt und den Tourismus in Österreichs“ auf der NUTS-Bühne eingeladen, sagt aber vor seinem Auftritt noch kurz Hallo. Und zwar zu Max Stiegl, der auf der Masterclass-Bühne gerade eine Cooking Demonstration mit dem Titel „Warum nicht einmal Hund?“ hält.

Der Gesichtsausdruck der Zuschauer und jener, die sich einen der heißbegehrten Plätze an den Masterclass-Tischen ergattert haben, ist nicht ganz eindeutig: neugierig ist er einerseits, dieser Gesichtsausdruck. Aber auch verstört und, nun ja, besorgt wirkt er bei vielen. „Das ist Freddy, unser Dackel“, sagt Max Stiegl mit der ihm eigenen Nonchalance – und zeigt ein unterarmlanges, in Plastikfolie gewickeltes Stück Fleisch ins Publikum.

„Den werden wir jetzt mitsamt seiner Leber mit einer Gewürzpaste einschmieren, panieren und dann einfach als Ganzes in ganz viel Butter frittieren.“ Sagt’s, macht’s und zeigt, kaum brutzelt besagter Dackel vor sich hin, einen Pfälzer Saumagen. „Wer mag eine Scheibe?“, fragt er und beginnt beim Anblick der hochgestreckten Hände die Pfälzische Wurstspezialität in feine Scheiben zu schneiden.

Unter den Hungrigen, die sich eine Scheibe holen, ist auch Jeremias Riezler: Der Haubenkoch aus dem Kleinwalsertal, der im vergangenen Jahr die Grüne Haube vom Gault&Millau für seine nachhaltige Küche verliehen bekam, schnappt sich nicht nur ein Raderl Wurscht. Er greift auch blitzschnell in den Dackel-Topf, schnappt sich aus dem siedenden Butterbad die Leber – und verschlingt sie. „Schmeckt’s?“, fragt Stiegl. Seliges Nicken.

„Um das alles aufzulockern“, so Stiegl, der die verunsicherten Gesichter der Saumagen essenden Meute sieht, „das ist ein Kaninchen und kein Dackel“.

Was bedeutet, dass also auch Bundesminister Martin Kocher ein Stück davon probiert – und vor lauter Begeisterung Max Stiegl umarmt, bevor es jetzt zur NUTS-Bühne geht. Einmal runterschlucken, und los geht’s: „Bei all der oft negativen Berichterstattung rund um den Fachkräftemangel und die Wirtshaus- und Restaurantschließungen: Der Tourismus in Österreich ist eine Wachstumsbranche“, legt der Bundesminister los.

Natürlich fehlen Mitarbeiter und natürlich gibt es Baustellen, aber: Heute arbeiten mehr Menschen in der Tourismusbranche als noch vor der Coronakrise 2019!“ Als politisch Verantwortlicher, der seit drei Jahren federführend an besseren Rahmenbedingungen für die Branche arbeitet, weiß Kocher aber auch: Der Bedarf an guten Mitarbeitern wird steigen und steigen – was also tun? „Wir tun gut daran, hier auch auf langfristige Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu setzen“, so der Minister. Heißt: Es braucht internationale Zusammenarbeit, um die Erfolgsgeschichte von Österreichs Tourismus weiter zu schreiben. Dass dafür bereits jetzt viel unternommen wird, ist für die Branche eine gute Nachricht – und gibt Hoffnung.

Barkeeper als Dezibel-Benchmark

So richtig leise ist es in der Bar-Area, wo Bar-Ikone Mario Hofferer die wilden Bardays dirigiert, ja selten. Jetzt aber, wo der Herr Minister zu Ende gesprochen hat, geht’s offenbar wieder richtig rund. Laute, basslastige Musik, johlende Jubelschreie – was ist da los? Massimo Bottura ist los! Die zweifache Nummer eins der World’s 50 Best Restaurants, die für ihre revolutionäre Küche vom Times Magazine zu einem der 100 einflussreichsten Menschen weltweit ernannt worden ist, spaziert entspannt umher. Und macht eben beim Rolling Pin European Bartender Cup kurz Halt. Und staunt. Denn: Im Vergleich zur durchgeknallten Bar-Area wirkt jede andere Bühne wie eine bedächtige Ministrantenfeier.

Das Niveau bei den Bar-Battles ist unfassbar!
Der zweifache Cocktail World Champion Mario Hofferer über das absurd große Können der Mixologen

In kollektiver Trance scheinen sie hier alle zu sein, die Verfechter alles Hochprozentigen – und das hat seinen Grund: Auf der Bühne läuft gerade die durch und durch nervenaufreibende Challenge, die die drei Finalisten vor eine knifflige Aufgabe stellt: In einer Blackbox mit einem Überraschungsgericht müssen sie einen möglichst passenden Cocktail kreieren. Klingt hart – und ist es auch umso mehr, wenn man weiß, um welches Gericht es sich dabei handelt: eine Algenblattrolle mit Lauchfüllung auf einem Zwiebelbett mit Lauchpulver und einer Kaffee-Lack-Sauce. Schwieriges Terrain, um es einmal diplomatisch auszudrücken.

Doch die drei Finalisten schlagen sich wacker – auch dank des dezibelgeladenen Anfeuerns des mitfiebernden Publikums. Marcus Philipp von der Bar „Glückskind“ aus Wien, Daniel Süle von Marian Bekes „Bellyboy Bar“ in Berlin oder der Schweizer Roman Mutzner aus der „Einstein Bar“ in St. Gallen geben ihr Bestes und begeistern mit ihren alchimistischen Getränken Jury und Publikum gleichermaßen. Wobei Marcus Philipp mit seiner Cocktailkreation am meisten Punkte absahnt – und mit ihren fruchtig-herben Noten einen beeindruckenden Match zum komplexen Gericht liefert.

Internationale Top-Speaker

Auf den Rolling Pin.Conventions versammelt sich stets das Who’s Who der internationalen Gastro-Spitze. So standen bei der Rolling Pin.Convention Austria zuletzt Größen wie Massimo Buttura, Heinz Reitbauer, Tim Raue, Vicky Sevilla, Nicolas Decloedt, Isabella Potì oder Norbert Niederkofler auf der Bühne. Bei der kommenden Rolling Pin.Convention Germany (30. 9. bis 1. 10. 2024 in Düsseldorf) dürfen sich die Gäste auf ein noch spektakuläreres Line-up freuen: Das internationale Enfant Terrible Gaggan Anand wird genauso auf der Bühne stehen wie Eduard Xatruch, Tim Mälzer, Titti Qvarnström, Jan Hartwig, Kevin Fehling, Elif Oskan, Kemal Üres und noch viele mehr.

 

„Es war nicht nur die Stimmigkeit zwischen Gericht und Drink, Marcus hat uns alle durch seine kontinuierlich exzellenten Leistungen bei jedem einzelnen Durchgang der gesamten Competition, sein Wissen und seine Erfahrung überzeugt“, schwärmt nun Damir Bušić im Namen der gesamten Jury. Das bestätigt auch Bardays-Mastermind Mario Hofferer. „Das Niveau der Teilnehmer:innen an den Bar Day Competitions war in diesem Jahr noch einmal doppelt so hoch wie im Vorjahr!“, schwärmt der charismatische Host über seine dritten Bar.Days.

Während sich Teilnehmer, Jury-Mitglieder und Wegbegleiter erschöpft in die Arme fallen, verrät ein Blick auf die Uhr: In einer Stunde hält der große Bottura seine Präsentation auf der Mainstage.

Club Sandwich als kulinarischer Ungehorsam

Wir treten den Weg an, kommen aber wieder nur bis zur NUTS-Bühne. Irgendetwas ist da los, weil: Menschen stehen Schlange, und zwar meterweit. Der Grund: Silvia Schneider ist da! Österreichs berühmteste Kulinarik-Moderatorin erreicht mit ihrer Kochshow „Silvia kocht“ nicht nur ein Millionenpublikum, sondern hat auch in der Gastro-Branche eine ziemlich beeindruckende Fanbase.

Denn all die Menschen, die hier Schlange stehen, wollen eins: ein Foto mit Silvia Schneider. Off topic zwar, aber dennoch interessant zu beobachten: Die Zeit der Selfies scheint definitiv vorbei zu sein. Die Menschen wollen wieder echte Fotos. Jeder drückt jemand anderem sein Handy in die Hand, um sich mit Frau Schneider ablichten zu lassen.

Während des Talks gibt die sympathische Moderatorin einen Einblick hinter die Kulissen ihrer Kochshow „Silvia kocht“ und verrät, dass diese eigentlich anders hätte heißen sollen. Und wie? Das möchte die gelernte Köchin – Schneider hat bekanntlich neben ihrer TV-Arbeit letztes Jahr eine Kochlehre absolviert! – nicht verraten, weil: Wer weiß, was als nächstes kommt …

Was die Mainstage betrifft, wissen wir es jedenfalls: Massimo Bottura ist kurz davor, die Bühne zu betreten. Der Zuschauersaal quillt über, und ab dem Moment, in dem Bottura auf der Bühne steht, ist es mucksmäuschenstill. Der Drei-Sterne-Koch hält kurz inne – und gibt gleich zu Beginn das Thema seines Vortrags vor: „Bei dem, was ich euch heute über unser Restaurant und das Menü namens ‚Globale‘ erzählen werde, geht es nicht um mich selbst. Ich allein bin einfach nur ein Mann namens Massimo Bottura. Nur durch meine Mitarbeiter, durch mein Team, das tagtäglich so vieles leistet, sind wir gemeinsam die Osteria Francescana.“

Und was das genau heißt, das demonstriert Massimo Bottura mit seinem Kernteam anhand seines neuen Menüs, das kühner nicht sein könnte: „Globale“, das ist die radikale Antithese zum steifen Regionalismus. „Hier fließen all unsere Reisen ein, unsere Eindrücke aus der ganzen Welt, das Know-how meines internationalen Teams, all die verschiedenen Perspektiven und Ansichten, die auch unsere Zukunft formen werden!“, so der Koch-Visionär, der vom Times Magazine schon zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt gekürt worden ist.

Von einem Clubsandwich, das Bottura als „internationalstes aller Gerichte“ auf ein neues Level hievt, bis zu einer mexikanischen Mole, die er als Dessert interpretiert, schafft es die ehrwürdige Koryphäe, auch den Jüngsten und Aufmüpfigsten im Publikum einen Sinn für elementaren Ungehorsam zu vermitteln: „Der Ungehorsam ist das Mittel zur Veränderung, und dafür braucht es Mut. Die Zukunft ist nichts anderes als der Mut, der in uns allen steckt – leben wir ihn aus, damit sie uns gehört, diese Zukunft!“

Vor zehn Jahren gegründet, sind die Rolling Pin.Conventions heute – nach der Fusión Madrid – das zweitgrößte Gastro-Symposium Europas. Über 60 Speaker aus aller Welt begeisterten jetzt bei der Rolling Pin.Convention Austria 10.000 begeisterte Teilnehmer. Auf den unterschiedlichen Bühnen wurden unter dem Motto „What’s next“ die neuesten Trends, Techniken und Innovationen in Sachen Küche, Wein und Bar präsentiert. Zudem galt es, auf der 4000 m2 großen interaktiven Expo die spannendsten Produzenten und Lieferanten mit ihren Produkten zu erleben.

Jetzt Early-Bird-Tickets für die Rolling Pin.Convention Germany vom 30. 9. bis 1. 10. 2024 sichern!

Alle Infos unter rollingpinconvention.de

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