Das wahre Gesicht der Kritiker
Fotos: Stephan Pick, beigestellt, Ingo Pertramer, Sophie Henkelmann, Werner Krug
Jörg Zipprick ist einer, der gerne aneckt. Das mag daran liegen, dass er Kritiker ist. Sein neues Buch nennt sich „In Teufels Küche”. Darin attackiert er die unsauberen Methoden vieler Spitzenköche. Seine regelmäßigen Gourmetkritiken schreibt er unter anderem für den „Stern“, den „Feinschmecker” oder auch für die „Financial Times“.
Nun aber zieht er nicht nur mehr über die internationalen Spitzenrestaurants her, sondern deckt auch auf, wie es im Geschäft der Gourmetjournalisten wirklich zugeht. Die Rede ist von Einladungen, Bestechungsversuchen und Restaurantkritiken über Betriebe, die nie besucht wurden. „Einmal wollte ein Verleger zehn Restaurantberichte von mir, aber ich durfte nur fünf besuchen. Ich habe das damals gemacht, denn mir blieb nichts anderes übrig.“
Dass solche Methoden auch heute noch gang und gäbe sind…
Fotos: Stephan Pick, beigestellt, Ingo Pertramer, Sophie Henkelmann, Werner Krug
Jörg Zipprick ist einer, der gerne aneckt. Das mag daran liegen, dass er Kritiker ist. Sein neues Buch nennt sich „In Teufels Küche”. Darin attackiert er die unsauberen Methoden vieler Spitzenköche. Seine regelmäßigen Gourmetkritiken schreibt er unter anderem für den „Stern“, den „Feinschmecker” oder auch für die „Financial Times“.
Nun aber zieht er nicht nur mehr über die internationalen Spitzenrestaurants her, sondern deckt auch auf, wie es im Geschäft der Gourmetjournalisten wirklich zugeht. Die Rede ist von Einladungen, Bestechungsversuchen und Restaurantkritiken über Betriebe, die nie besucht wurden. „Einmal wollte ein Verleger zehn Restaurantberichte von mir, aber ich durfte nur fünf besuchen. Ich habe das damals gemacht, denn mir blieb nichts anderes übrig.“
Dass solche Methoden auch heute noch gang und gäbe sind, davon ist Zipprick überzeugt. Kritisch sieht er vor allem auch die Selbstherrlichkeit vieler Gourmetkritiker. So schrieb Deutschlands wohl wichtigster Gourmetkritiker Jürgen Dollase in der „FAZ“: „Ich bin der Meinung, wenn ich subjektiv etwas so oder so einschätze – dann ist das mit ziemlicher Sicherheit auch objektiv so. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Diese Selbstsicherheit muss aus Kenntnis heraus entstehen, sie darf nicht der Arroganz entspringen.“ Zipprick kontert darauf: „Egal, woher diese Selbstsicherheit kommt, auch ein Herr Dollase wird nur innerhalb seiner eigenen Erfahrungen vergleichen können. Man darf sich nie zu ernst nehmen.”
Wie heiß das Thema der Gourmetkritiker ist, beweist ein kurzer Rundruf von ROLLING PIN bei Deutschlands Starköchen. Nur wenige wollten dazu Auskunft geben. „Alle dürfen Fehler machen. Sogar der Papst. Nur dem 3-Sterne-Koch wird nichts verziehen“, wettert etwa Heinz Winkler (aktuell 2 Michelin-Sterne) über die schreibende Zunft. Wie angespannt und zugleich doch nah das Verhältnis zwischen Kritiker und Kritisiertem ist, prangert zum Beispiel der 3-Sterne-Koch Juan Amador an: „Bei manchen Kollegen in Deutschland scheint es so zu sein, dass für Kritiker wie Dollase gekocht wird. Das ist Schwachsinn.“
Überhaupt fällt auffallend oft der Name Dollase, wenn über zweifelhafte Methoden von Gourmetjournalisten diskutiert wird. Einerseits fällt der FAZ-Kolumnist wöchentlich seine viel geachteten Urteile über Restaurants und deren Köche, andererseits tritt ausgerechnet er immer öfter als Autor in Erscheinung, der Seite an Seite mit den zuvor gelobten oder kritisierten Starköchen Bücher auf den Markt bringt. Dollase sagt, er könne das trennen. Eine Reihe von Spitzenköchen sieht das nicht so.
Weitere drei Punkte werden laut Kritiker Zipprick in seiner Branche ebenso nicht mehr zeitgemäß behandelt:
1. Der Anlass: Mit wem besucht man das Restaurant? Trifft man sich auf ein Geschäftsessen oder sucht eher ein romantisches Ambiente als Liebespaar?
2. Der Preis: Im deutschen Sprachraum zählt vor allem das Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch wichtig: Was kosten einzelne Gänge? Nur der Menüpreis ist zu wenig.
3. Was mag man und was nicht?: Welche Gerichte und Produkte stehen letztendlich wirklich auf der Speisekarte? Gibt es zum Beispiel ein vegetarisches Menü?
Auch Österreichs wichtigster Gourmetjournalist Herbert Hacker kritisiert manche Branchenkollegen. „Die meisten Restaurantkritiker behandeln den aktuellen Trend, das Fertigprodukte vermehrt den Weg in die Spitzengastronomie finden, zu unkritisch. Viele Fertigprodukte sind inzwischen so ausgereift, dass man kaum noch einen Unterschied schmecken kann. Bei Aromen ist man ohnehin chancenlos. Täuschung ist es trotzdem", poltert Hacker. Die Handwerksehre der Spitzenköche sollte wieder vermehrt von Kritikern eingefordert werden.
Ein Mann, der sein Handwerk versteht wie nur wenige, ist Juan Amador. Der dreifach besternte Küchensuperstar glaubt allerdings nicht an die Macht der urteilenden Gourmetjournalisten: „Kritiker entscheiden nicht über den Erfolg eines Restaurants. Die Gäste sind mündig und können daher sehr gut selbst darüber entscheiden, was ihnen schmeckt und was nicht!" Das sieht Gourmetkritikerlegende Wolfram Siebeck naturgemäß anders. Mit seinen scharfen Urteilen hat der deutsche Gastronomiekritiker Leser empört und Köche zur Weißglut getrieben. „In meiner langen Karriere habe ich bereits einige Hausverbote bekommen und wurde heftigst angeschrieen", erzählt Siebeck und verschweigt dabei nicht, dass auch der „Koch des Jahrhunderts”, Eckart Witzigmann, ihm einst den Zutritt verweigert hat.
Wolfram Siebeck
Gastronomiekritiker (Stern, Zeit u.a.)
www.wolfram-siebeck.de
"In meiner langen Karriere habe ich bereits einige Hausverbote bekommen und wurde auch heftigst angeschrieen."
Herbert Hacker
Österreichs wichtigster Gourmetjournalist (News, Format, u. a.)
www.news.at
"Manche Kollegen arbeiten unkorrekt. Der Trend, Fertigprodukte in der Spitzengastronomie zu verwenden, wird immer seltener kritisiert."
Der Schlagabtausch: Teuner vs. Amador
2008 lieferten sich die beiden ein heftiges Gefecht. Das sagen sie heute darüber.
Christoph Teuner
Gastrokritiker (Frankfurter Rundschau, N-TV-Moderator)
www.moderator-medienberater-teuner.de
Das absolute Negativ-Erlebnis
"Ich bin damals zugegebenermaßen mit hässlichen Vorurteilen zu Amador gekommen. Die durchgehende Süße der Gänge hat mich dann zusätzlich dazu veranlasst, eine Kritik zu schreiben, die sich gewaschen hat. Wir werden aber bald bei einem gemeinsamen Essen das Kriegsbeil begraben."
Juan Amador
3-Sterne-Koch
www.juan-amador.de
Ich habe das Medienecho unterschätzt.
Mich hat ganz einfach die Art und Weise gestört, wie Teuner uns kritisiert hat. Das war unter der Gürtellinie. Darum habe ich mich entschlossen, ganz einfach einmal den Kritiker zu kritisieren. Eine PR-Strategie war das nicht. Wir haben uns ausgesprochen und Herr Teuner ist wieder herzlich bei uns willkommen.