Dr. Badass: Elementar, Mister Watson! (3/3)
Foto: Mike Krueger
Wer die folgenden Schritte des perfekten Weinverkostens berücksichtigt, wird bald wie ein absoluter Wein-Pro palavern. Es führt zu intelligenteren Einkäufen und hilft vielleicht sogar dabei, deinen Kumpels bei der nächsten Samstagabend-Fußballparty die Show zu stehlen.
7 Immer mit Charakter
Ah, Charakter. Ein Wesenszug, dem ich, auf privatem Level, hoffentlich nie erliegen werde, den ich aber immer in meinem Glas finden will. Äußerst ironisch, eigentlich. Für mich ist das sogar die eigentliche Basis der Wein-Wertschätzung. Wenn ich weiß, dass ein Wein aus Pinot noir, Cabernet Sauvignon oder Chenin blanc hergestellt wurde, sollte ich schon einmal eine gewisse Erwartungshaltung von dem haben, was mir da bald an den Tisch geliefert wird. Die weiteren Variablen wie Jahrgang, Terroir und die individuellen Weinherstellungspraktiken werden dann zum Gesamteindruck eines Weins dazugerechnet. Jahrgänge mit außergewöhnlicher Wärme können selbst den prüdesten Traubenarten eine gewisse exotische Qualität verleihen. Ein pestverseuchtes Jahr wie 2004 durch die Marienkäfer-Epidemie im Burgund oder vergangenes Jahr durch die Kirschessigfliegen-Plage können einen Wein seiner Opulenz komplett berauben. Wobei nur mehr eine schmale, bittere wie astringente Version seines einstigen Charmes zurückbleibt. Und wie war das noch einmal mit dem Gläschen Sonoma Coast Pinot noir, den du mit einem aus Côte-Rôtie verwechselt hast, weil er sprichwörtlich zum Backen auf der Rebe zurückgelassen wurde? Und das so lange, dass er regelrecht Verbrennungen dritten Grades erlitten hat. Mit null Säure, die seine marmeladenhafte Frucht auffangen könnte, der Rauchigkeit der verbrannten Haut sowie einen Alkoholgehalt, der einem Amarone Konkurrenz machen könnte. Abartigkeiten wie diese sind die leuchtenden Negativbeispiele grottenschlechten Weinbaus. Da ist es schon besser, einem Wein einen dummen Fantasienamen zu geben und ihn an Fans von überteuerten toskanischen Tropfen für viel zu viel Geld zu verkaufen, als ihn mit dem herrschaftlichen Namen Pinot zu besudeln. Ich kann mich noch genau daran erinnern…
Foto: Mike Krueger
Wer die folgenden Schritte des perfekten Weinverkostens berücksichtigt, wird bald wie ein absoluter Wein-Pro palavern. Es führt zu intelligenteren Einkäufen und hilft vielleicht sogar dabei, deinen Kumpels bei der nächsten Samstagabend-Fußballparty die Show zu stehlen.
7 Immer mit Charakter
Ah, Charakter. Ein Wesenszug, dem ich, auf privatem Level, hoffentlich nie erliegen werde, den ich aber immer in meinem Glas finden will. Äußerst ironisch, eigentlich. Für mich ist das sogar die eigentliche Basis der Wein-Wertschätzung. Wenn ich weiß, dass ein Wein aus Pinot noir, Cabernet Sauvignon oder Chenin blanc hergestellt wurde, sollte ich schon einmal eine gewisse Erwartungshaltung von dem haben, was mir da bald an den Tisch geliefert wird. Die weiteren Variablen wie Jahrgang, Terroir und die individuellen Weinherstellungspraktiken werden dann zum Gesamteindruck eines Weins dazugerechnet. Jahrgänge mit außergewöhnlicher Wärme können selbst den prüdesten Traubenarten eine gewisse exotische Qualität verleihen. Ein pestverseuchtes Jahr wie 2004 durch die Marienkäfer-Epidemie im Burgund oder vergangenes Jahr durch die Kirschessigfliegen-Plage können einen Wein seiner Opulenz komplett berauben. Wobei nur mehr eine schmale, bittere wie astringente Version seines einstigen Charmes zurückbleibt. Und wie war das noch einmal mit dem Gläschen Sonoma Coast Pinot noir, den du mit einem aus Côte-Rôtie verwechselt hast, weil er sprichwörtlich zum Backen auf der Rebe zurückgelassen wurde? Und das so lange, dass er regelrecht Verbrennungen dritten Grades erlitten hat. Mit null Säure, die seine marmeladenhafte Frucht auffangen könnte, der Rauchigkeit der verbrannten Haut sowie einen Alkoholgehalt, der einem Amarone Konkurrenz machen könnte. Abartigkeiten wie diese sind die leuchtenden Negativbeispiele grottenschlechten Weinbaus. Da ist es schon besser, einem Wein einen dummen Fantasienamen zu geben und ihn an Fans von überteuerten toskanischen Tropfen für viel zu viel Geld zu verkaufen, als ihn mit dem herrschaftlichen Namen Pinot zu besudeln. Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich bei einer Blindverkostung den Wein eines prominenten Barolo-Produzenten mit einem jungen kalifornischen Cabernet verwechselte. Ich erinnere mich auch noch, dass ich einmal einen berühmten Wein aus Saint-Julien des Jahres 2005 im Glas hatte. Und ich hätte schwören können, dass es ein Ribera del Duero war. Ich habe seit damals keine einzige Flasche Wein der beiden Häuser mehr gekauft und ich glaube auch nicht, dass ich das jemals wieder machen werde. Meiner Ansicht nach ist es der Job eines Winzers, seine Weine auszuwerten, um sie dann zum Sieg zu führen. Lasst uns den Weinhersteller als Dirigent vorstellen und das Weingut als eine Symphonie. Brahms No. 1, zum Teufel noch mal. Diese Symphonie wird dann durch die Geologie unter deinen Füßen geschrieben. Doch wer auch immer diese niedergeschriebenen Noten spielt, ist eine andere Variable. Wie alt sind die Reben? Wie wurden sie ausgebildet? Wie viel Erfahrung haben sie und spielen sie mit unendlicher Leidenschaft oder schlaff und leblos? Das Wetter und der Jahrgang sind die Konzerthallen in denen die Musiker ihre Symphonie spielen, die vom Winzer dirigiert werden. Dieselbe Symphonie, mit denselben Reben und demselben Dirigenten, wird nie gleich klingen, wenn sie in Sydneys Opernhaus vorgetragen wird, dem Musikverein in Wien oder der Chicago Symphony Hall. Und schlussendlich kommt auch noch hinzu, wie der Dirigent seinen eigenen Zugang zum Stück vermittelt, mit welchen Musikern er in der jeweiligen Konzerthalle spielt und genau das ist ja dann auch der Grund, warum ich mich in einen Smoking zwänge, um diesen Meisterwerken zu lauschen. Kreative Interpretationen sind manchmal etwas Spannendes. Aber die ehrlichste, klarste, leidenschaftlichste und intelligenteste Überlieferung eines großen Werks wird immer auch die ureigentliche Emotion des Komponisten sein. Und das ist dann meist auch die mächtigste Vorstellung auf dem Gaumen.
8 Mach’s noch mal, aber mit Gefühl
Am Ende des Tages können wir unsere Weine überanalysieren, bis wir blau im Gesicht werden. Aber warum trinken wir Wein überhaupt? Aus Genuss. Natürlich: Einfache, spritzige und süffige Weine können kurz auch Spaß machen. Ebenso wie Gordon Ramsay dabei zuzusehen, wie er im TV ahnungslose, im Cockney-Akzent daherrotzende East-Side-Kids anflegelt, während man darauf wartet, dass die Gute-Nacht-Milch warm wird. Aber dieser kurze Genuss sollte nicht mit dem Thrill verwechselt werden, kompakte Passagen von Joyce oder Hemingway zu verschlingen. Oder die visuelle Pracht von Kubrik oder Kurisawa zu bestaunen. Oder sich in den musikalischen Sphären von Glass oder Schostakowitsch zu verlieren. Was diese Künstler trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Genres verbindet, ist Leidenschaft. Und die unerschrockene Hingabe ihre Message und Vision zu transportieren. Blanke Emotion in etwas Wunderbares zu verwandeln. Den Schmerz auf die Leinwand zu quetschen, bis das dadurch entstandene Bild unsere Augen mit Tränen erfüllt. Und warum, Herrschaftszeiten, sollen wir auch nur einen Funken weniger von unserem Wein erwarten? Schlussendlich ist das doch die einzige Verbindung, die wir Menschen mit unserer Mutter Erde erreichen können. Ein rauer alter Wein, erschöpft von 120 Jahren des Kampfes. Wurzeln, die sich durch 70 Meter geologische Geschichte graben und schmerzhaft versuchen, auf den gemeinsamen Ursprung unseres Lebens zurückzukommen. Und dabei passieren sie unzählige Jahrtausende der Kreation und Katastrophe. Jede Lage der Schicht scheint ein eigenes Kapitel zu sein und so saugen die Wurzeln jedes Detail auf, nur um früher oder später flüssige Geschichte zu werden. Ob es nun die feurigen Rieslinge der Nahe sind, die kreidigen Chardonnays des Chablis oder der salzige Asyrticos Santorins: Winzer wollen uns doch ebenfalls mit ihrer Kunst bewegen. Und warum lassen wir sie nicht? Wein kann so herrlich, wichtig, nachdenklich und abenteuerlich sein. Doch werden heutzutage viel zu viele Weine zu jedem möglichen Preis produziert. Jeder Augenblick, den man mit einem massenproduzierten, schalen wie seelenlosen Wein verbringt, ist eine schreckliche Schande. Sucht Weine mit einer Geschichte! Weine, die mit Blut, Eiern und grenzenloser Leidenschaft hergestellt wurden. Nicht solche, die sich gut am Aktienmarkt machen. Solche außergewöhnlichen Tropfen werden euch inspirieren, verführen und nachhaltig daran erinnern, warum man denn überhaupt am Leben ist!