Oma, bitte kommen!

Vom Mehlspeisen-Pop-Up zum hippsten Seniorenclub der Welt: viel Kraft & Herzblut wurden in die Wiener Vollpension gesteckt.
Dezember 1, 2015 | Text: Georg Hoffelner | Fotos: Monika Reiter
Arschsalon oder Zum Gschupftn Ferdl. So heißen die bisherigen Erfolgsprojekte der unglaublichen Gebrüder Stitch. Und richtig: Mike Lanner und Moriz Piffl-Percevic sind zwei komplett durchgeknallte Typen, die Wien in den letzten Jahren mit ihren abgefahrenen Ideen den nachhaltigen Stempel aufgedrückt haben. Ob eben mit ihrem extrem erfolgreichen Hosentempel direkt auf der Mariahilferstraße oder dem Zum Gschupftn Ferdl, ihrem Bio-Hipster-Heurigen in der Innenstadt. Doch der wahrscheinlich charmanteste Clou ist den beiden abgedrehten Nadelschwingern bestimmt in diesem Jahr mit der Vollpension gelungen.
In der Schleifmühlgasse backen SeniorInnen ihre Lieblingsmehlspeisen und servieren sie garniert mit Lebensgeschichte und Erfahrungen. Anfänglich war die Vollpension nur als einmalige Intervention im Rahmen der Vienna Design Week im Jahre 2012 geplant. Bei mehrmaligen Gastspielen in Wien erfreute sie sich aber großer Beliebtheit und wurde nun zur dauerhaften Institution. Die Masterminds Lanner und Piffl-Percevic stehen der Vollpension nur noch beratend zur Seite, da die Arschkünstler mit ihrem Hosensalon bereits genug um die Ohren haben. Und so musste ein charakterstarker Typ gefunden werden, der die wahnwitzige Idee auch in die Tat umsetzt.

Seniorenresidenz

Arschsalon oder Zum Gschupftn Ferdl. So heißen die bisherigen Erfolgsprojekte der unglaublichen Gebrüder Stitch. Und richtig: Mike Lanner und Moriz Piffl-Percevic sind zwei komplett durchgeknallte Typen, die Wien in den letzten Jahren mit ihren abgefahrenen Ideen den nachhaltigen Stempel aufgedrückt haben. Ob eben mit ihrem extrem erfolgreichen Hosentempel direkt auf der Mariahilferstraße oder dem Zum Gschupftn Ferdl, ihrem Bio-Hipster-Heurigen in der Innenstadt. Doch der wahrscheinlich charmanteste Clou ist den beiden abgedrehten Nadelschwingern bestimmt in diesem Jahr mit der Vollpension gelungen. 

In der Schleifmühlgasse backen SeniorInnen ihre Lieblingsmehlspeisen und servieren sie garniert mit Lebensgeschichte und Erfahrungen. Anfänglich war die Vollpension nur als einmalige Intervention im Rahmen der Vienna Design Week im Jahre 2012 geplant. Bei mehrmaligen Gastspielen in Wien erfreute sie sich aber großer Beliebtheit und wurde nun zur dauerhaften Institution. Die Masterminds Lanner und Piffl-Percevic stehen der Vollpension nur noch beratend zur Seite, da die Arschkünstler mit ihrem Hosensalon bereits genug um die Ohren haben. Und so musste ein charakterstarker Typ gefunden werden, der die wahnwitzige Idee auch in die Tat umsetzt.

Mit Hannah Lux wurde letztendlich ein, laut Eigendefinition, Opferlamm ausfindig gemacht, das die Idee der Gebrüder Stitch in die Realität katapultiert hat. „Ich bin sehr naiv an die ganze Sache herangegangen. Ich selbst hatte ja zuvor gar nichts mit Gastronomie am Hut. Und nach unzähligen Überredungsversuchen habe ich mir gedacht: Na gut, ich probiere es halt einmal.“ Es war laut Lux sofort spürbar, dass da etwas Tolles, etwas Großartiges entstehen kann.

Für einen reibungslosen Ablauf braucht es ein stattliches
Arsenal an Kuchenbäckerinnen.
Paulo Grando über die Vollpension-Crew

Wenn es auch bis zur Umsetzung an einigen realitätsverweigernden Vorstellungen der Gebrüder haperte. Die ursprüngliche Idee war nämlich, die Vollpension in die Schneiderwerkstatt der Stitch-Brüder um 20.000 bis 30.000 Euro zu implementieren. „So haben wir das auch an Hannah verkauft: ,Da gibt’s schon alles, da müssen wir nicht mehr viel herumtricksen. Es braucht ja nur jemanden zum Organisieren und Koordinieren‘“, lacht Piffl-Percevic heute über seine lahmen Überredungskünste. Die Wirklichkeit, vor allem die finanzielle, sah freilich völlig anders aus.

Doch bevor es mit den flotten Omas in die heutige Location ging, gab es noch ein Pop-up im Bus. „Wir haben vorab mit Oma on Tour gestartet, gemeinsam mit Wien Tourismus. Dabei wurde ein alter VW Bully in ein kleines Kaffeehaus umgebaut und damit sind wir durch ganz Österreich getingelt“, erzählt Lux, wie der Vollpension-Betrieb getestet wurde. So etwas verbindet und schweißt das ganze Team zusammen. Und dabei konnte man auch relativ schnell erkennen, welches Potenzial diese Idee hat. „Danach war uns klar, wir müssen die Vollpension ganz einfach umsetzen, wir haben über 40 Locations in ganz Wien gecheckt und sind dann mit den Räumlichkeiten hier in der Schleifmühlgasse fündig geworden“, erinnert sich Lux. Bis es dann aber endlich so weit war, die Bude aufzusperren, war es ein ziemlicher Ritt. Umfassende Umbauten, die Umkonzeptionierung eines Pop-ups in den laufenden Betrieb, „dabei wird einem nicht fad“, lacht das blonde Energiebündel.

Vollpension in Wien

Lux ist heute Mitglied eines fünfköpfigen Managementteams sowie Geschäftsführerin der „Vollpension Generationencafé GmbH“. Teil der Führungsriege sind zudem noch Cornelia Kamleitner, zuständig für die Finanzen, Julia Krenmayr, die den „Vollpension-Verein“ leitet, David Haller und Paulo Grando, Gastronomie-Profi und Küchenchef. Hauptcharaktere sind jedoch natürlich die netten Omas. Mit einem Augenzwinkern fügt Lux hinzu: „Paulo hat kurz nach der Eröffnung seinen beruflichen Status bei Facebook auf ,Omafighter‘ geändert.“

Paulo hat nach der Eröffnung seinen Status bei Facebook auf „Omafighter“ geändert.
Hannah Lux über Herausforderungen in der Vollpension

Erst die Omas und ihre Rezepte hauchen der Vollpension jedoch Leben ein. Krenmayr und Haller sind eigentlich rund um die Uhr nur damit beschäftigt, die Omas glücklich zu stimmen. Es wird stets danach getrachtet, eine tolle Beziehung zu schaffen, Probleme der Omis auch abseits des Jobs anzusprechen und bestenfalls zu lösen. Man hat sich zu Beginn auch mit NGOs und Seniorenclubs kurzgeschlossen, um ein tolles Netzwerk aufzubauen. Daraus wurden dann anfänglich die ersten Oma-Mitarbeiterinnen rekrutiert.

Mittlerweile hat es sich zu einem Selbstläufer entwickelt. Enkerl erzählen ihren Omas vom coolen neuen Lokal und ermuntern sie, sich zu bewerben. Auch über den Bekanntenkreis der bestehenden Vollpension-Omas kommen immer wieder Neuzugänge dazu. Der Oma-Pool umfasst aktuell zumindest geringfügig Angestellte, die je nach ihren Möglichkeiten auf die Woche aufgeteilt werden. Gesucht werden aber nach wie vor mehr PensionistInnen, da immer wieder Omas krankheitsbedingt ausfallen.
„Das ist natürlich eine Challenge, die Personalfrage gut auf die Reihe zu bekommen. Anfänglich wurde auch mit viel weniger Omas kalkuliert, aber wie die Realität zeigt, braucht es für einen reibungslosen Ablauf doch ein stattliches Arsenal an geschickten Kuchenbäckerinnen“, schildert Gastro-Profi Grando die täglichen Herausforderungen. Qualitätskriterium für die Omas ist ein Testessen der Vollpension-Management-Crew. „Wir haben seit der Eröffnung bestimmt zehn Kilo zugenommen“, lacht Paulo Grando laut heraus. Jede willige Oma kann natürlich nicht aufgenommen werden, da die Qualität der Kuchen stimmen muss, aber es wird versucht, die Omas in die Vollpension-Community zu integrieren. Entweder sie sind immer wieder als Gäste im Lokal oder sie werden Hosts. Hosts sind die zweite Möglichkeit, in der Vollpension mitzuarbeiten. Vor allem am Abend sind die Hosts im Einsatz. Da werden Gäste begrüßt, zu ihrem Platz gebracht, Small Talk geführt oder auch Tische abserviert.

„Die Herausforderung ist vor allem, dass man mit jeder Oma sehr sensibel und individuell umgehen muss. Da gibt es keine Standards oder systemischen Abläufe“, musste auch Grando sich auf die neue Situation einstellen. „Tricky, aber auch schön.“ Neben der 16-köpfigen Oma-Brigade sind auch noch zehn junge Mitarbeiter im Team, die im Service oder in der Küche tätig sind.

Die Herausforderung ist, dass man mit jeder Oma sehr sensibel und individuell umgehen muss.
Hannah Lux über den Seniorenclub-Alltag

Zu den Kuchen gibt es zum einen Snacks, also Sandwiches, Brötchen oder Salate. Zum anderen auch noch täglich wechselnde Mittagsgerichte wie Reisfleisch, Nudelauflauf, Bauerneintopf oder Rindssuppe. Auch dabei ist der Vollpension-Crew wichtig, immer diesen Oma-Twist hineinzubekommen. Und da kommen wir auch schon zu einem permanenten Begleiter der Vollpension: nämlich Diskussionen darüber, was denn Oma-Gerichte überhaupt sind. Jeder hat natürlich ganz individuelle Erfahrungen und Erinnerungen an seine Großmutter und deren Gerichte, sodass es immer wieder schwierig ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. „Da brauchen wir auch bestimmt noch einige Zeit, um dorthin zu kommen, wie wir uns das vorstellen. Wo die Gäste sich denken, ja, dafür bin ich auch bereit, Geld auszugeben“, sagt Lux.

Da dieses Oma-Konzept so unique und außergewöhnlich ist, taucht auch immer wieder die Frage nach einer Expansion auf. Da halten sich die Oma-Macher aber vornehm zurück und verweisen darauf, dass es erst einmal darum gehe, die bestehende Vollpension in die richtige Richtung zu bringen, und erst dann die Zeit kommen werde, um über weitere Filialen nachzudenken.
Einen Generationenkonflikt gibt es laut Paulo Grando kaum: „Ich habe mir eigentlich viel mehr Troubles erwartet. Vor allem zwischen den jüngeren Kellnern und den Omas, aber das läuft bis dato perfekt.“ Da gibt es dann doch eher Konflikte innerhalb der jüngeren Crew und den Omas unter sich. Anfänglich wurden die Omas zudem sehr protektiv behandelt. Das wollten sie aber gar nicht und meinten nur: „Wir sind hier, um zu arbeiten, lasst uns einfach unseren Job machen!“
Und auch wenn Host Alfred hin und wieder mit zittrigen Fingern einen Teller oder Löffel beim Abservieren fallen lässt: Die Hipster in der Vollpension schätzen seine Bemühungen und strömen in Scharen in den hippen Seniorenclub.

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