WKO-Präsident Harald Mahrer im Exklusiv-Interview
Was tun, wenn’s brennt? Viele Betriebe haben Angst vor einem ungewissen Winter und wissen nicht, welche konkreten Vorkehrungen sie treffen sollen. Harald Mahrer sieht neben niedrigen Infektionszahlen vor allem ein sicheres Image als Schlüssel zum Erfolg.
Wie lautet Ihr Fazit zu den seit März getroffenen Maßnahmen für Gastronomie und Hotellerie bis jetzt?
Harald Mahrer: Die Covid-Pandemie hat unsere gesamte Tourismuswirtschaft in einem noch nie da gewesenen Ausmaß erschüttert. Hotellerie und Gastronomie zählen mit zu den am massivsten betroffenen Branchen. Die Wirtschaftskammer hat in den vergangenen Monaten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die betroffenen Betriebe bestmöglich bei der Bewältigung der Krise zu unterstützen. Viele gemeinsame Hilfsmaßnahmen konnten wir mitverhandeln, vieles für die Branche erreichen, zum Beispiel Kreditgarantien, Verlustrücktrag oder die Ausweitung der Gastgewerbepauschalierung. Durch die verschärften Schutzmaßnahmen, die angesichts steigender Infektionszahlen notwendig geworden sind, und Reisewarnungen spitzt sich die Lage weiter zu. Dennoch steht fest: Die einzige Chance, um groben Schaden für den Tourismus und die ganze Wirtschaft abzuwenden, sind wieder niedrigere Infektionszahlen.
Wie muss es jetzt weitergehen – einfach durchtauchen mit den bestehenden Maßnahmen oder gibt es weiteren Handlungsbedarf?
Mahrer: Wir müssen Österreich nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich wieder gesund machen. Es braucht weitere Maßnahmen, um die betroffenen Unternehmen zu stützen und Einnahmeausfälle zu kompensieren. Mit der Senkung der Mehrwertsteuer, die bis Ende 2021 verlängert wurde, und dem Rettungsschirm für die Veranstaltungsbranche wurden hier bereits wichtige Schritte gesetzt. Weitere müssen folgen. Nach einem teilweise guten Geschäft im ländlichen Bereich und einem desaströsen im städtischen Bereich bangen viele Gastronomen und Hoteliers um die bevorstehende Wintersaison.
Wie sollten die betroffenen Betriebe in dieser unsicheren Zeit handeln, um ihr Geschäft retten zu können?
Mahrer: Mit der anlaufenden Wintersaison stehen wir vor drei großen Herausforderungen: Es gilt, das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten, den Betrieben wirtschaftliches Überleben zu ermöglichen und gleichzeitig eine angenehme Urlaubsstimmung für Gäste zu schaffen. Denn niemand fährt auf Urlaub, wenn er sich unsicher fühlt. Es ist wichtiger denn je, alle notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, um Wintertourismus zu ermöglichen. Mit dem „Testangebot – Sichere Gastfreundschaft“, dem wahrscheinlich größten präventiven Testprogramm Europas, haben wir gemeinsam mit dem Tourismusministerium bereits im Frühsommer eine Initiative gestartet, die nun schrittweise weiter ausgerollt wird. Die Ausweitung der kostenlosen Testungen auf noch mehr Beschäftigte in der Tourismuswirtschaft hat ein klares Ziel: Österreich ist und soll ein sicheres Urlaubsland bleiben. Bei uns können sich Gäste und Gastgeber wohl und sicher fühlen.
Wie groß ist das Interesse an den Testungen?
Mahrer: Nach einem etwas zaghaften Start läuft das Programm sehr gut. Bis jetzt – Stand Anfang Oktober – wurden österreichweit bereits über 263.000 Testungen in knapp 4600 Betrieben durchgeführt. Ich halte es für extrem wichtig, gerade auch mit Blick auf die sehr herausfordernde Wintersaison. Diese Testungen sind auch Teil der Winterstrategie, die die Regierung mit den betroffenen Branchen und Ländern erarbeitet hat, um die Wintersaison 2020 zu sichern. Konkret war es entscheidend, mit klaren und strengen Gesundheits- und Hygienemaßnahmen die dringend notwendige Planungssicherheit und Perspektive für unsere 90.000 Betriebe zu schaffen. Denn es geht um Zigtausende Existenzen und Hunderttausende Arbeitsplätze, die in Österreich am Wintertourismus hängen.
Immer wieder beklagen Betreiber, dass es schwer ist, den Gästen Vorschriften zu machen. Könnte man mit höheren Strafen für Missachtungen für Gäste Betreiber entlasten?
Mahrer: Natürlich müssen wir alle gemeinsam anpacken und mithelfen, damit die Infektionszahlen rasch sinken. Was aber sicher nicht sein kann, ist, dass es für die Betriebe gerade jetzt zu bürokratischen Belastungen und überbordenden Strafdrohungen kommt. Jede zusätzliche Belastung wiegt in der momentanen Situation besonders schwer auf den Schultern der Unternehmer. Entscheidend ist, dass die Gäste kooperieren – hier setzen wir auf Eigenverantwortung und Hausverstand. Klar ist auch, dass unverantwortliches Handeln weniger sehr kritische Auswirkungen auf uns alle haben kann.
Der aktuelle Maßnahmenkatalog sowie die Vorverlegung der Sperrstunde in manchen Bundesländern auf 22 Uhr sorgt für viel Unmut in der Branche. Ist eine Lockerung der Maßnahmen bei entsprechenden Zahlen realistisch oder ist das Risiko zu hoch?
Mahrer: Um die Infektionskurve ehestmöglich abzuflachen und einen zweiten Lockdown zu verhindern, sind bestimmte Maßnahmen ein notwendiger, wenn auch für unsere Betriebe sehr schmerzhafter Schritt. Ich fürchte, wir müssen da aus Rücksicht auf das große Ganze in den sauren Apfel beißen. Die Vorverlegung der Sperrstunde auf 22 Uhr ist zweifellos eine weitere Zuspitzung in einer ohnehin extrem schwierigen Situation. Da ist sicher mehr wirtschaftliche Vernunft gefragt, wenn es um die Detaillierung von Maßnahmen geht. Ganz generell ist mir wichtig, dass bei allen neuen Verschärfungen die ökomischen Folgen mitgedacht und berücksichtigt werden. Und wo notwendig, müssen wir die Betriebe – rasch – unterstützen.
Wie ist die Situation in der Stadthotellerie? Und was tut die Wirtschaftskammer?
Mahrer: Die Stadthotellerie, die ja bis zur Coronakrise Wachstumsmotor der Tourismuswirtschaft war, wurde weltweit mit voller Wucht getroffen. Alleine in Wien sind die Nächtigungszahlen seit März um 82 Prozent eingebrochen und vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen sind auch die Aussichten für die kommenden Monate mehr als trist. Deshalb hat die Wirtschaftskammer Anfang September eine Taskforce ins Leben gerufen, in der betroffene Unternehmerinnen und Unternehmer und Branchenplayer mit an Bord sind. Nach vier Wochen konnten bereits erste umfassende Ergebnisse präsentiert werden.
Welche Vorschläge gibt es konkret, um die Stadthotellerie zu retten?
Mahrer: Das prioritäre Ziel ist, das Überleben der Betriebe zu sichern. Dafür müssen gezielte Maßnahmen die Liquidität und Bonität der Unternehmen sicherstellen. Besonders wichtig für die Liquidität: Der Fixkostenzuschuss 2 und auch das Kreditmoratorium, bei dem Tilgungen vorübergehend ausgesetzt werden, müssen nun schnellstmöglich umgesetzt werden. Um den Betrieben auch Investitionen zu ermöglichen, soll mit einem Eigenkapitalfonds die Bonität gewährleistet werden. Und für den touristischen Arbeitsmarkt wird aus unserer Sicht eine weitere Verlängerung der Kurzarbeit notwendig sein – um durch die Krise zu kommen, aber auch mit Blick auf die Zukunft. Wir werden nach der Krise unsere ausgezeichneten Fachkräfte in der Branche dringend benötigen, daher müssen sie auch in der Branche in Beschäftigung gehalten werden.
Corona wird die Tourismusbranche weltweit nachhaltig verändern. Wie wird sich dieser Wirtschaftszweig Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren entwickeln?
Mahrer: Kurzfristig geht es jetzt einmal darum, die Herausforderungen der Coronakrise für die Tourismuswirtschaft bestmöglich zu meistern. Vor dem Hintergrund erneut steigender Infektionszahlen stehen aktuell vor allem die Themen Sicherheit und Hygiene im Fokus. DER entscheidende Faktor für Tourismusunternehmen, aber auch für den gesamten Tourismusstandort Österreich ist, dieses Bedürfnis der Gäste nach Hygiene und Sauberkeit „sichtbar“ zu machen und somit die gewünschte und notwendige Sicherheit zu vermitteln. Wer in Zukunft, das heißt in einer längerfristigen Perspektive ganz vorne mit dabei sein will, muss einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Authentizität setzen – denn all diese Punkte werden auf betrieblicher Ebene enorm an Bedeutung gewinnen. Und sie entsprechen in einem verstärkten Ausmaß auch den Wünschen der Gäste. Da hat Österreich global gesehen extrem viel anzubieten. Diese Poleposition werden wir bestmöglich nützen.