Ätherische Öle – Auf der Flucht
Duftender Aufklärungsversuch
Keine Angst, das wird kein zwölfseitiger Artikel über die esoterische Wirkung von Pflanzendüften auf deine Aura. Dennoch werden ätherische Öle zu Unrecht in die gleiche Klangschale wie Jesus-Latschen, Tarotkarten oder Pendel gesteckt. In ihnen stecken zwar – mehr oder weniger magische – Fähigkeiten, die sich auf das Wohlbefinden auswirken können, aber viel mehr noch bringen sie die geballte Pflanzenkraft auf den Teller.
Um zu verstehen, was in ihnen steckt, beginnt die Expedition Pflanzenseele mit der wissenschaftlichen Einordnung der ätherischen Öle. Dafür ein kleiner Vergleich: 21 Gramm soll die menschliche Seele wiegen, stellte mal ein – ganz sicher sehr esoterischer – Mensch fest. Umgerechnet auf das Gewicht der Pflanze trifft die Aussage auch in der Flora in Bezug auf die Menge an enthaltenem ätherischen Öl ziemlich gut zu. Es ist frus-trierend wenig, was man pressend, destillierend oder extrahierend aus der Pflanze herausholt. Aber was sind ätherische Öle genau?
Duftender Aufklärungsversuch
Keine Angst, das wird kein zwölfseitiger Artikel über die esoterische Wirkung von Pflanzendüften auf deine Aura. Dennoch werden ätherische Öle zu Unrecht in die gleiche Klangschale wie Jesus-Latschen, Tarotkarten oder Pendel gesteckt. In ihnen stecken zwar – mehr oder weniger magische – Fähigkeiten, die sich auf das Wohlbefinden auswirken können, aber viel mehr noch bringen sie die geballte Pflanzenkraft auf den Teller.
Um zu verstehen, was in ihnen steckt, beginnt die Expedition Pflanzenseele mit der wissenschaftlichen Einordnung der ätherischen Öle. Dafür ein kleiner Vergleich: 21 Gramm soll die menschliche Seele wiegen, stellte mal ein – ganz sicher sehr esoterischer – Mensch fest. Umgerechnet auf das Gewicht der Pflanze trifft die Aussage auch in der Flora in Bezug auf die Menge an enthaltenem ätherischen Öl ziemlich gut zu. Es ist frus-trierend wenig, was man pressend, destillierend oder extrahierend aus der Pflanze herausholt. Aber was sind ätherische Öle genau?
Ätherisch bedeutet ursprünglich zart, vergeistigt oder himmlisch (das ist rein wissenschaftlich zu betrachten). Es beschreibt den fragilen, schnell flüchtigen Zustand der Öle, die streng wissenschaftlich gar keine sind. Diese Stoffe der Pflanze, die meist für den typischen Geruch verantwortlich sind, sind in Fett löslich, aber selbst keine Fette und würden sich ohne die Bindung an das fette Öl der Pflanzen schnell verflüchtigen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Da sie Fett lieben und damit lipophil sind, mischen sie sich nicht im Wasser.
Das ist besonders bei der Gewinnung und Verwendung in der Küche interessant. Auch wenn man nun dazu geneigt ist, einen passenderen Begriff wie „In-Fett-lösliche-Pflanzenstoffe,-die-keine-Öle-sind“ zu suchen, wird in diesem Artikel weiterhin die Bezeichnung ätherische Öle verwendet.
Bei ätherischen Ölen gilt: Ein Tropfen kann schon zu viel sein!
Florian Gröne über den größten Fehler
Diese bestehen aus vielen verschiedenen flüchtigen Stoffen wie Alkoholen, Phenolen oder Aldyhyden und befinden sich bei unterschiedlichen Pflanzen in verschiedenen Regionen. Im Lavendel und der Rose sitzen die meisten ätherischen Öle in der Blüte, bei Salbei oder Rosmarin in den Blättern, in Zitrusfrüchten in der Schale, bei Ingwer in der Wurzel, beim Dill in den Samen und bei Zimt in der Rinde oder im Blatt.
Die Pflanzen bilden diese duftenden Stoffe, um zum einen bestäubende Insekten anzuziehen oder zum anderen Fraßfeinde oder Bakterien und Pilze abzuwehren. Je intensiver die Pflanze das Locken oder Abwehren betreibt, umso mehr ätherische Öle sind enthalten. Je mehr ätherische Öle eine Pflanze enthält, umso ergiebiger ist die Extraktion und umso günstiger werden die Produkte, da die Produktion ergiebiger ist.
Wer also schon einmal die Preise für ein 100 Prozent natürliches Rosenöl mit dem Lavendelöl-Preis verglichen hat, weiß nun, weshalb es diesen großen Unterschied gibt. Aus 200 bis 300 Rosenblüten kann man einen Tropfen Öl gewinnen.
Wohingegen ein Kilogramm Lavendel schon rund 20 Milliliter ätherische Öle enthält. Ein und dasselbe Kraut kann aber auch unterschiedliche Ölprofile aufweisen. Der Projektleiter des Geschmackslabors an der Universität Graz, Doktor Fritz Treiber, weiß, warum das so ist: „Die Menge an ätherischen Ölen in einer Pflanze ist abhängig von dem Standort und Boden, den Wetterverhältnissen und den Fressfeinden.“
Treiber: „Hat die Pflanze viele Fraßfeinde, produziert sie mehr Abwehrstoffe, sprich ätherische Öle. In Frankreich sind in Lavendel 120 Duftkomponenten enthalten. In Afrika oder Südamerika hat Lavendel nur die Hälfte der Duftstoffe mit dem französischen gemeinsam.“ Also nicht traurig sein, wenn das selbst hergestellte Lavendelöl aus Buxtehude nicht so dolle riecht. Das liegt am Klima.
Raumduft oder Lebensmittel?
Wenn sich dann aber ein duftendes Öl in die Küche verirrt hat, gibt es doch ein paar Regeln, die es zu beachten gilt. Wie immer im Leben sind es die Schwestern Qualität und Quantität, die zwischen Hop oder Flop entscheiden.
Echtöl-Geschäftsführer Florian Gröne bietet sortenreine Gewürzöle an und kennt den Unterschied zwischen ätherischen Ölen, die in der Küche verwendet werden dürfen, und denen, die besser nur auf die Schläfen geträufelt werden, ganz genau: „Naturreine Stoffe eignen sich für die Verwendung in der Küche.“ Sie werden zu 100 Prozent aus der Pflanze gewonnen. Die Inhaltsstoffe und ihre natürlich enthaltene Menge bleiben erhalten.
Bitte keine synthetischen Öle verwenden!
Fritz Treiber über das wichtigste No-go in der Küche
Naturidentische Öle haben zwar dieselbe chemische Zusammensetzung, werden aber künstlich hergestellt. Sie riechen wie die natürlichen Öle, haben aber weniger Inhaltsstoffe. Synthetisch hergestellte ätherische Öle sind im Labor hergestellt und haben bis auf den Duft recht wenig mit den Stoffen in der Pflanze zu tun. Meist sind das Duft- oder Parfümöle.
Gröne: „Besonders bei Produkten aus der Apotheke muss man aufpassen. Es werden standardisierte Öle verkauft. Wenn also beispielsweise in einem naturreinen Thymianöl zu wenig Thymol enthalten ist, weil die Pflanze weniger produziert hat, wird die Differenz mit synthetischem Thymol aufgefüllt, um dem Standard zu entsprechen.“
Wer nun glaubt, mit der eigenen Produktion besser dran zu sein, der irrt: Der Prozess ist langwierig und wie schon erwähnt nicht sehr ergiebig. Außerdem lösen sich in dem fetten Öl der Pflanze auch Pflanzenschutzmittel. Fritz Treiber kennt die Gefahren: „Pestizide und Fungizide lösen sich gut in Ölen. Also muss man sehr genau darauf achten, woher die Kräuter oder Zitrusschalen kommen.“ Daher sollten auf jeden Fall biologisch angebaute Pflanzen genutzt werden.
Aber egal, ob gekauft oder ökologisch: Für Kinder sind Öle weder auf der Haut noch im Essen geeignet. Für erwachsene Aromen-Liebhaber gilt: Weniger ist mehr. Zum absoluten Flop werden Speisen, wenn der Koch oder Bartender es besonders gut meint.
Stefan Bauer, mit dem ROLLING PIN-Award als Barkeeper 2016 ausgezeichnet, kennt die Vorteile und Probleme beim Mixen mit ätherischen Ölen: „An der Bar nutzen wir alleine mit Dekorationsmitteln wie Zitruszesten am Rand des Glases ätherische Öle. Im Getränk ist besonders die Handhabung spannend.“
Bauer: „Man kann mit einem Tropfen andere Geschmackskomponenten hervorheben oder einen voluminöseren Gesamteindruck erreichen. Mit ätherischem Öl kann man einen Drink, in dem frische Zutaten drin sind, perfekt ausbalancieren und ausgewogener nachjustieren. Allerdings kann auch hier ein Tropfen schon zu viel sein. Daher mischen wir ätherische Öle mit Wodka, da er geschmacksneutral ist. Je nach Öl sind es fünf bis sechs Tropfen pro 100 Milliliter. Das entschärft die Intensität und macht es besser dosierbar.“
Mit ätherischen Ölen kann man sehr gut nachjustieren.
Stefan Bauer über den Einsatz von Essenzen in Cocktails
Die Intensität ist es eben auch, die Fressfeinde fernhält oder die Bienen zur Bestäubung anzieht und auf genial effiziente Weise den richtigen Kick in die Küche und die Bar bringt. Wenn sich also die Pflanze so viel Mühe gibt, sollte man ihr schnellstmöglich aus der Esoterik-Schublade heraushelfen.
Marke Eigenbau: Wie extrahiert man ätherische Öle?
Ätherische Öle wollen sich ungern von den anderen Inhaltsstoffen der Pflanze trennen. Wie man sie trotzdem dazu bringt, haben Doktor Fritz Treiber, SOULKITCHEN-Chef Alexander Leicht und Destillationsprofi Jan Sonnenschein ausprobiert.
Hier die drei gängigen Möglichkeiten zur Extraktion von ätherischen Ölen aus der Praxis.
Wasserdampfdestillation
- In einer Wasserdampfdestille trifft das Wasser im unteren Bereich des Behältnisses auf die darüber in einem Sieb liegenden Pflanzen.
- Das Wasser wird erhitzt. Der aufsteigende Dampf löst die ätherischen Öle aus dem Pflanzenmaterial. Sie vermischen sich mit dem heißen Dampf.
- Durch das starke Herabkühlen des Dampfes werden der Wasserdampf und die Öle wieder flüssig und sammeln sich als Wasser-Öl-Gemisch.
- Die Pflanzenöle sind leichter als das Wasser und schwimmen oben. Sie können mit einer Pipette oder einem Trichter getrennt werden.
Enfleurage
- Das Prinzip: Fette ziehen die ätherischen Öle aus der Pflanze. Das ist besonders bei Blumen interessant.
- Gereinigtes Schmalz, Wachs oder Pflanzenfette eignen sich als Grundlage für die Pflanzen.
- Das Pflanzenmaterial gibt seine ätherischen Öle an das Fett oder Wachs ab. Nach einigen Tagen müssen die Pflanzen gewechselt werden. Da nur wenige Öle in den Blüten enthalten sind, braucht der Prozess relativ lange. Wenn es so weit ist, kann das Fett von den Ölen mit Lösungsmitteln getrennt werden.
Kaltpressung
- Die Kaltpressung wird häufig bei Basisölen wie Olivenöl oder Mandelöl angewendet. Auch bei Zitrusfrüchten funktioniert das System sehr gut.
- Die abgeriebene Schale kann durch ein Sieb mit einem Löffel oder auch mechanisch ausgequetscht werden.
- In der ausgepressten Flüssigkeit ist auch noch Wasser enthalten. Bei der Trennung des Gemischs kann eine Zentrifuge helfen.
- Das Öl sammelt sich nach dem Schleudern an der Oberfläche und kann mittels einer Pipette vom Wasser getrennt werden.
Im Interview: At-Eight-Küchenchef Andreas Klug
Der Aromaliebhaber und Küchenchef des Wiener Restaurants At Eight Andreas Klug hat die Seele der Pflanzen gefunden. Ein Interview über Fehler, Anwendungstipps und die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Aromaküche.
Wieso nutzen Sie ätherische Öle?
Andreas Klug: In der Aromaküche, wie sie im At Eight auf den Teller kommt, ist das sanfte Aromenspiel entscheidend. Das ist mit Essenzen, Kräuterölen und ätherischen Ölen perfekt umsetzbar und fein dosierbar. Außerdem haben viele ätherische Öle eine positive Wirkung auf den Körper. Muskat oder Ingwer wirken appetitanregend; das passt also gut an den Anfang eines Menüs. Salbei oder Vanille haben eine beruhigende Wirkung und sind damit perfekt für Desserts.
Welche ätherischen Öle verwenden Sie in den Gerichten, die zurzeit auf Ihrer Karte stehen?
Klug: Wir haben in der Küche rund 20 wechselnde ätherische Öle, die zu den Gerichten passen. Derzeit stellen wir beispielsweise eine Mayonnaise mit Brunnenkresse-Öl her, bei dem das ätherische Öl der Kresse in einem Traubenkernöl gestreckt wird. In Marinaden verwende ich gerne ein Bergkräuteröl. Auch zum Beizen von Fisch kommen Öle von Wacholder und Blutorange zum Einsatz. Bei unserer Lachsforelle verzichte ich nie auf Menthol-Essenzen für die frische Note.
Wieso verwenden Sie zum Strecken der ätherischen Öle Traubenkernöl?
Klug: Ich nutze Traubenkernöl, weil es geschmacklos ist. Raps- oder Sonnenblumenöl haben ebenfalls einen geringen Eigengeschmack und sind daher auch als Träger- oder Basisöl geeignet.
Mit welchem Öl arbeiten Sie weniger gerne?
Klug: Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten mit Zimtöl. Es hat meine Anforderungen an den Geschmack nicht erfüllt und ist schwer zu dosieren. Hier empfehle ich, verschiedene Anbieter zu testen.
Sollte man auf die reine Zugabe von ätherischen Ölen verzichten?
Klug: Bei ätherischen Ölen gilt: Weniger ist mehr. Ein typischer Fehler ist es, zu viel zu verwenden. Daher sollte man langsam, tröpfchenweise anfangen zu dosieren. Manche Öle sind sehr reizend und können zu gesundheitlichen Problemen wie Allergien führen. Da kann ein Basisöl helfen. Damit lässt sich auch besser arbeiten, wenn man noch kein Gespür für die Menge hat.
Was empfehlen Sie Anfängern?
Klug: Anfängern würde ich empfehlen, mit Blutorangen- oder Zitrusölen an einem Joghurt zu testen. Dann bekommt man schnell den Dreh raus, was passt beziehungsweise zu viel ist. In Eis oder Suppen sind sie schwerer zu dosieren, weil sich der Geschmack verflüchtigt. Man muss sich zudem immer fragen: Ist es sinnvoll, das Gericht mit Essenzen zu ergänzen?
Woher bekommen Sie Ihre ätherischen Öle?
Klug: Da die Herstellung in der eigenen Küche sehr aufwendig und wenig ergiebig ist, kaufen wir unsere Essenzen im Internet. Dabei sollte man darauf achten, dass die Öle in Bio-Qualität hergestellt werden. Zudem müssen sie zum Verzehr geeignet sein. Es dürfen keine Paraffine oder künstlich hergestellten ätherischen Öle enthalten sein. In der Apotheke sollte man sie nicht kaufen, da die Öle meist mit synthetischen Stoffen versetzt sind.
Wie viel kosten gute ätherische Öle?
Klug: Wenn man alle Qualitätsmerkmale beachtet, sollten die Fläschchen – je nach Öl – zehn bis 30 Euro auf 30 Milliliter kosten. Rosenöl ist um einiges teurer, Lavendel recht günstig, weil unterschiedliche Mengen Öl in der Pflanze enthalten sind.
Welche Vorteile sehen Sie in der Verwendung von ätherischen Ölen?
Klug: Der Einsatz ist einfach und bringt Schwung ins Gericht. Werden die Essenzen richtig gelagert, sind sie sehr lange haltbar. Dunkel, kühl und trocken sind dabei die wichtigsten Schlagworte. Wenn man aromatisierte Öle selbst ansetzen möchte – dabei gehen die ätherischen Öle langsamer, ohne Einwirkung auf das Trägeröl über –, gelten die Lagerungstipps ebenfalls. So lassen sich Kräuter, Knoblauch oder Chili-Öle einfach selbst herstellen.
www.ateight-restaurant.com
Rezepte:
HIER geht’s lang zum Rezept Ziegenkäse-Crème-brûlée mit Lavendelöl von SOULKITCHEN-Chef Alexander Leicht.
Das zweite Rezept zum Gericht Kopfsalat-Gazpacho mit Salbeiöl vom SOULKITCHEN-Chef findet ihr HIER.
Das passende Getränk dazu gibt’s dann HIER: Bavarian Dish mit Kümmelöl von echtÖl von Piotr Sajdak, Bartender in der Salut! Classic Bar, Berlin.