Das Geschäft mit dem Blut

Ein Gramm für ­zehntausend Euro: Mit dem Hormon PMSG werden in Europa Schweine gedopt. Dafür werden Stuten in Uruguay bis zum Tod gequält.
Feber 24, 2017 | Fotos: Beigestellt, Shutterstock

York Ditfurth, Vorstand der Animal Welfare Foundation

Schockbericht

York Ditfurth, Vorstand der Animal Welfare Foundation, kämpft seit vielen Jahren gegen die skandalösen Blutfarmen in Uruguay. In Europa wird das Stutenhormon seit 30 Jahren in der Schweinezucht eingesetzt.
Wofür wird das Hormon PMSG konkret verwendet und was bewirkt es?
York Ditfurth: In Europa wird PMSG eingesetzt, um die Ferkel-Produktion zu synchronisieren. Dieses Hormon initiiert die Rausche – sprich, wann ist der Östrogen-Anteil der Säue so hoch, dass sie belegbar sind. Das wird vor allem in der industriellen Massenproduktion eingesetzt. Man will die Muttersauen gleichzeitig belegen. Die sogenannten Besamungsingenieure der Agrarindustrie brauchen dann nur einmal zu kommen. Dann werden alle gleichzeitig besamt und bekommen innerhalb einer Zeitspanne von wenigen Stunden alle gleichzeitig ihre Ferkel. Das heißt, man kann auf den Tag und auf Stunden genau kalkulieren. Das macht natürlich das Handling und den Umgang mit der Produktion denkbar einfach. Die Ferkel können gleichzeitig ausgestallt, in Mastbetriebe und damit auch gleichzeitg zum Schlachten gebracht werden. Das perfekte Mittel, um die ganze Produktion zu takten. Das große Problem: dieses PMSG führt eine sogenannte Superovulation hervor. Das heißt, es werden mehr Ferkel produziert, als die Muttersau Zitzen hat. Wenn also eine Mutter zwölf Zitzen und 14 Ferkel hat, verhungern zwei davon, weil die Tiere zitzentreu sind und darum immer nur dieselbe Zitze verwenden. Gleichzeitig verkürzt PMSG die Pubertät der Muttersau und damit auch die Lebenszeit erheblich. Diese müssen in diesen Massenbetrieben dann nach einer gewissen Zeit ausgetauscht werden.
Woher kommen diese großen Mengen PMSG?
Ditfurth: Das Hormon wird auf sogenannten Blutfarmen in Südamerika aus dem Blut trächtiger Stuten gewonnen. Unsere Recherchen waren in Uruguay und Argentinien. Es gibt auch noch Blutfarmen in Chile. Sie waren auf Blutfarmen in Uruguay unterwegs und haben sich selbst ein Bild davon gemacht.
Was passiert dort genau?
Ditfurth: Grundsätzlich müssen die Stuten tragend sein, um das Hormon PMSG überhaupt zu produzieren. Sie werden auf riesigen Flächen unter widrigsten Umständen gehalten, denn je schlechter der Zustand der Tiere ist, desto mehr des Hormons PMSG produzieren sie. Zur Blutabnahme werden die schwangeren Tiere von Gauchos in Lkw verladen und eben auf diese Blutfarmen gebracht. Dort werden sie durch einen engen Gang in Kopfboxen getrieben. Mit einem Holzprügel werden die Tiere betäubt und ihnen werden schließlich mit einer Aderlass-Kanüle rund zehn Liter Blut abgenommen – das entspricht gut einem Viertel ihrer gesamten Blutmenge. Dieses Prozedere müssen die Stuten ein- bis zweimal die Woche über sich ergehen lassen. Darum werden sie auch kaum älter als maximal sechs Jahre. Rund 30 Prozent der Stuten sterben pro Jahr entweder direkt an den Folgen der Blutentnahme oder sie enden in einem Schlachthof, weil sie nicht mehr trächtig werden.
Was passiert mit den Fohlen?
Ditfurth: In der Regel werden die Fohlen abgetrieben, weil sie nicht gebraucht werden. Den Stuten wird von Hand die Fruchtblase angeritzt und somit wird ein natürlicher Abort eingeleitet. Medizinische Betreuung, wie es in der EU verpflichtend wäre, gibt es in Uruguay keine. Die Tiere werden sich selbst überlassen und wieder auf die Weiden gebracht. Für ein Stutfohlen bezahlt man in Uruguay etwa fünf Dollar. Dementsprechend ist ihr Leben den Betreibern dort nichts wert. PMSG wird schließlich nach Europa verkauft.
Zu welchen Preisen?
Ditfurth: Wir haben Zollunterlagen, die belegen, dass für 100 Gramm PMSG um die 850.000 Euro bezahlt werden. Das ist sehr viel Geld. Wenn man die billigen Anschaffungskosten und Haltungskosten für eine Stute einrechnet, wird mit dem Blut Geld gedruckt. Aus zweieinhalb Litern Blut werden zwei Milligramm PMSG gewonnen. Mindestens zehn Liter werden den Stuten pro Woche abgezapft. Elf Wochen lang. In einer Saison sind das mehr als 110 Liter Blut. Warum kann aus rechtlicher Sicht nichts gegen den PMSG-Handel getan werden?Ditfurth: Bei PMSG handelt es sich seit 30 Jahren um ein zugelassenes Medikament. Hier stehen die Inte­ressen von Schweinzüchtern und Tierärzten, die sagen, PMSG sei seit 30 Jahren bewährt und damit viel Geld verdienen, gegen den Tierschutz. Insbesondere, weil es eine synthetische Alternative gibt. Der schwarze Peter wird an die EU weitergegeben, die wiederum gegen die Blutfarmen in Südamerika nicht viel mehr als einen Appell richten kann.

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