Fleischloses Glück?
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Wir wollen nicht auf Fleisch verzichten! Fleisch ist doch oftmals Bestandteil der leckersten Rezepte, der klassischsten Zubereitungen und der außergewöhnlichsten Kreationen – müssen wir uns denn wirklich etwas anderes überlegen? Sind die Diskussionen nicht total überzogen und von Ökos erfunden, um passionierten Fleischessern das Leben schwer zu machen? Oder ist vielleicht insgeheim doch etwas dran, an den Studien und Geschichten über den Klimawandel, die Massentierhaltung und die gesundheitlichen Auswirkungen des Fleischkonsums?
Zukunftsgeflüster
Zum Glück gibt es Menschen, die uns Alternativen zum Fleisch von Rind, Schwein und Co. anbieten: Dass eine vegetarische Ernährung zwar…
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Wir wollen nicht auf Fleisch verzichten! Fleisch ist doch oftmals Bestandteil der leckersten Rezepte, der klassischsten Zubereitungen und der außergewöhnlichsten Kreationen – müssen wir uns denn wirklich etwas anderes überlegen? Sind die Diskussionen nicht total überzogen und von Ökos erfunden, um passionierten Fleischessern das Leben schwer zu machen? Oder ist vielleicht insgeheim doch etwas dran, an den Studien und Geschichten über den Klimawandel, die Massentierhaltung und die gesundheitlichen Auswirkungen des Fleischkonsums?
Zukunftsgeflüster
Zum Glück gibt es Menschen, die uns Alternativen zum Fleisch von Rind, Schwein und Co. anbieten: Dass eine vegetarische Ernährung zwar einen Aspekt der Alternative darstellt, aber nicht die einzige Lösung der Zukunft ist, zeigt uns Ernährungswissenschaftlerin und Trendforscherin Hanni Rützler im neuesten Food Report 2015. Aber was steckt hinter dem Suchen nach Lösungen für die Zukunft? Was ist da eigentlich los, wo liegt das Problem? Warum brauchen wir Zukunftsalternativen? Betrachten wir die Produktion von Fleisch ganzheitlich mit Verarbeitung, Vermarktung und Zubereitung, ergeben sich eine ganze Reihe an Problemen: Umweltaspekte, die den Wasser- und Flächenverbrauch, aber auch die Luftverschmutzung miteinbeziehen, sind eine der Auswirkungen des wachsenden Fleischkonsums. Bei der Produktion eines Kilogramms Rindfleisch werden rund 15.000 Liter Wasser – 72 Badewannen voll – verbraucht (im Vergleich sind es 1500 Liter für ein Kilogramm Getreide), 50 Quadratmeter Regenwald abgeholzt für Verpackungsmaterialien und 16 Kilogramm Getreide und Soja verfüttert, das auf durchschnittlich 30 Quadratmetern Fläche angebaut und zu großen Teilen aus Entwicklungsländern importiert werden muss.
Die Viehzucht beansprucht direkt und indirekt durch die Futtermittelproduktion weltweit 70 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Landes weltweit. Die Überproduktion an Fleisch veranlasst große Konzerne, die überschüssigen Mengen in die Schwellenländer billig zu exportieren, und zerstört damit die inländischen Märkte. Der Hunger wird in den Regionen verstärkt. Und ja, es stimmt: Kühe haben Blähungen und sorgen damit für eine enorme Luftbelastung. Bei der Herstellung eines Kilogramms Rindfleisch werden – durch Verdauungsgase, aber auch die Verarbeitung, den Transport und die Verpackung – so viele Treibhausgase ausgestoßen wie bei einer Autofahrt von Frankfurt nach Köln. Auch die in der Tierzucht verwendeten Antibiotika, um möglichst wenig Ausfälle zu ermöglichen, gelangen über tierische Produkte und Abfälle in den Umweltkreislauf. Die Konsequenz: Die Kontaminierung von Boden und Grundwasser sorgt dafür, dass viele Bakterien resistent gegen unser vermeintliches Allround-Medikament werden. Und das größte aller Probleme: Die steigende Weltbevölkerung will gefüttert werden. Ohne etwas Rücksicht werden Wälder, Gewässer und Luft nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen.
4 SCHAFE
12 GÄNSE
37 ENTEN
46 SCHWEINE
46 PUTEN
945 HÜHNER
Die Ressourcen sind endlich und die Liste der mehr oder weniger schwerwiegenden Folgen ist lang. Ethische Debatten, die Verteilungs- und Gerechtigkeitsfrage sowie gesundheitliche Konsequenzen noch nicht miteinbezogen. Trotzdem die steigende Lust auf Fleisch: In Europa hält sich das Konsumlevel auf einem gewohnt hohen Niveau, in Deutschland ist es nur dezent rückläufig, aber in Schwellenländern in Asien und Südamerika wächst sie immer weiter. Wodurch unterm Strich weltweit der Fleischkonsum steigt. Und wer kann es ihnen verübeln: Fleisch ist in Schwellenländern ein Zeichen von Wohlstand, so wie im Nachkriegsdeutschland. Das stete Konsumlevel in europäischen Ländern findet seinen Ursprung in Lebensmittelskandalen, ethischen Diskussionen und Nachhaltigkeitsdebatten, aber nicht zuletzt darin, dass die Vorbilder der gemeinen Küchenbrigade, die Spitzenköche, Gemüse stetig aufwerten und Rote Bete, Brokkoli und Kartoffel auf die kulinarische Hemisphere des Geschmacks heben.
Pioniere des Fachs
Das hat nun auch Alain Ducasse dazu verleitet, Fleisch von der Speisekarte des Plaza Athénée zu verbannen, womit er ein Zeichen setzt: „Der Planet hat knappe Ressourcen, wir müssen sie ethischer, gerechter konsumieren.“ Nicht nur die Experimentierfreude der Großen erleichtert die Schritte der Allgemeinheit in einen bewussteren Umgang mit Fleisch: Köche können mit ihrer Vorbildfunktion ein Umdenken in der Gesellschaft erreichen. Dazu gehört sicher grundsätzlich der Gedanke, dass wir, wie es so schön heißt, über unsere Verhältnisse leben: Laut einer Reihe von Umweltbehörden haben wir bereits am 19. August 2014 alle Ressourcen wie Luft, Boden und Wasser, die uns die Erde rechnerisch für ein Jahr zur Verfügung stellt, verbraucht. Die Welt ist erschöpft und wir leben auf Pump der folgenden Generationen. Das liegt nicht zuletzt an der Masse an Fleisch, die wir jeden Tag verzehren. Zusammengerechnet ergeben sich beeindruckende Zahlen: 945 Hühner isst jeder Durchschnittseuropäer in seinem Leben.
Dazu kommen 46 Schweine und ganze vier Rinder. Neben Ducasse orientieren sich auch andere um: Es scheint eine wachsende Zielgruppe zu geben, die Alternativen sucht und deren Nachfrage bedient werden will. Immer mehr biologische und vegetarische Restaurants sowie Alternativgerichte auf Speisekarten suchen sich ihren Weg in die Münder der Gäste: Wenn es so lecker sein kann, kein Fleisch zu essen, dann kann es doch gar kein Verzicht sein, um den es bei der Diskussion geht. Es geht mehr um die Suche nach Explosionen auf der Zunge, die Fleisch nicht vermissen lassen. Aus Versehen auch noch umweltschonend. Aber trotzdem will der Fleischhunger der Gäste gestillt werden. Die Zukunftsszenarien befassen sich genau mit dem Verlangen: Fleisch von den typischen Lieferanten Rind, Schwein und Huhn – ohne Belastung der Umwelt. Ohne ethische Diskussionen und protestierende Veggies. Ohne gesundheitliche Nachteile. Das wär’s! Geht das überhaupt? Oder anders herum gefragt: Werden wir uns Fleisch in Zukunft überhaupt noch leisten können, wenn die Kosten für die ökologischen Ressourcen und Korrekturen der Konsequenzen steigen? Verunreinigtes Wasser, dreckige Luft und unfruchtbarer Boden müssen irgendwie wieder repariert werden. Und das wird sich auf die Preise niederschlagen. Das Zukunftsszenario von Hanni Rützler sieht eine traditionelle Viehzucht weiter als einen Schwerpunkt der globalen Agrarproduktion. Es zeichnen sich jedoch drei alternative, womöglich parallel laufende Szenarien ab. Was es damit auf sich hat, auf den nächsten Seiten!
Tofu & Co. lassen sich in fast alles verwandeln. Das hat nichts mehr mit Schuhsohle und Körnerfressern zu tun.
Die Lust auf Fleisch ist tief in der europäischen Tradition verankert. Warum dann nicht genau da ansetzen und aus pflanzlichen Produkten – mit besserer Klimabilanz und gesundheitlichem Wert – eine Fleischalternative schaffen? Soja eignet sich besonders wegen der Konsistenz gut für Veggie-Bolognese, Fleischbällchen oder Tatar. Durch gezielte Verarbeitung gelingt es, dem traditionellen, aus Sojabohnen gewonnenen, eiweißhaltigen Lebensmittel eine durchaus fleischähnliche Konsistenz zu verleihen. Das Ergebnis: ein fleischiges Mundgefühl. Somit können Sojaprodukte oder Seitan – ein Produkt aus Weizeneiweiß – bei vielen Gerichten das Fleisch ersetzen. „Koteletts kann man nicht nachmachen, aber alles ohne Knochen ist eigentlich kein Problem. Die Gewürze sind das Entscheidende. Eine Wurst soll gut schmecken. Ob jetzt Fleisch drin ist oder nicht, das spielt doch keine Rolle.“ Rolf Hiltl, der derzeitige Chef des ältesten vegetarischen Restaurants der Welt, eröffnete 2013 die erste fleischlose Metzgerei in der Schweiz. Klar, ist Natur-Tofu mild bis fast geschmacksneutral. Mit entsprechenden Zutaten und Gewürzen lässt sich aber nahezu jeder Geschmack „imitieren“. Hiltl schafft es regelmäßig, Fleischliebhaber zu überzeugen und bietet für Profi-Köche Kochkurse an, um Soja wie Fleisch aussehen und schmecken zu lassen. Tempeh – ein Sojaprodukt beimpft mit Schimmelpilz – und Pilze machen sich als Imitatoren ebenfalls sehr gut.
So Ja oder So Nein?
Im Vergleich zum Rindfleisch – auf jeden Fall! Die Produktion von Soja ist um ein Vielfaches umweltschonender: weniger Wasser, weniger Flächenverbrauch und auch für die Haushaltskasse durchaus in Ordnung. Und dann schmeckt es auch noch wie Fleisch. Deshalb wird Soja häufig als „Einsteigerdroge“ für Fleischliebhaber gesehen: Eine Tofu-Wurst ersetzt die fleischhaltige Alternative. Die Zielgruppe dankt’s: Der Boom pflanzlicher Fleischalternativen hält seit 2008 an.
Den Gruselfaktor hat das In-Vitro-Fleisch mittlerweile abgelegt. Die Forschung muss weitergehen, damit der Preis sinkt.
Letztes Jahr war es soweit: Der erste Biss ins Petrischalen-Fleisch. Bis dahin kostete der Burger 250.000 Euro. Geplant ist, in naher Zukunft eine Tonne für 3000 bis 6000 Euro herstellen zu können. Was sich dann auch auf den Endverbraucher auswirken würde. Das Gute am In-vitro-Fleisch: 95 Prozent Flächen- und Wasserverbrauch im Gegensatz zum Rind könnten eingespart werden. Es entsteht durch die Vermehrung von Stammzellen echter Tiere.
Keine Gentechnik, und trotzdem hat es einen schlechten Ruf: Ethische Bedenken treffen auf Unverständnis. Die Verarbeitung und Zubereitung läuft aber wie bei Fleisch vom lebenden Tier. Für die vielfältigen, in aller Welt üblichen Gerichte mit Hackfleisch als Ausgangsbasis aber bietet das „tierlose Fleisch“ eine realistische Alternative. Aus dem Labor könnte der weltweite Fleischkonsum bedient werden. Nicht ob, sondern wann ist hier die Frage! Der Clou: In der Petrischale können schon Zutaten variiert werden. Tierloses Fleisch plus Vitamine und Mineralstoffe!
Den Gruselfaktor hat das In-Vitro-Fleisch mittlerweile abgelegt. Die Forschung muss weitergehen, damit der Preis sinkt.
Letztes Jahr war es soweit: Der erste Biss ins Petrischalen-Fleisch. Bis dahin kostete der Burger 250.000 Euro. Geplant ist, in naher Zukunft eine Tonne für 3000 bis 6000 Euro herstellen zu können. Was sich dann auch auf den Endverbraucher auswirken würde. Das Gute am In-vitro-Fleisch: 95 Prozent Flächen- und Wasserverbrauch im Gegensatz zum Rind könnten eingespart werden. Es entsteht durch die Vermehrung von Stammzellen echter Tiere.
Keine Gentechnik, und trotzdem hat es einen schlechten Ruf: Ethische Bedenken treffen auf Unverständnis. Die Verarbeitung und Zubereitung läuft aber wie bei Fleisch vom lebenden Tier. Für die vielfältigen, in aller Welt üblichen Gerichte mit Hackfleisch als Ausgangsbasis aber bietet das „tierlose Fleisch“ eine realistische Alternative. Aus dem Labor könnte der weltweite Fleischkonsum bedient werden. Nicht ob, sondern wann ist hier die Frage! Der Clou: In der Petrischale können schon Zutaten variiert werden. Tierloses Fleisch plus Vitamine und Mineralstoffe!