Ich esse, was du nicht siehst

Besteht die Zukunft der Gastronomie aus Pixeln und dem Spiel mit der Wahrnehmung? Im Project Nourished von Kreativkopf Jinsoo An ist das heute schon der Fall.
November 13, 2015

Project Nourished von Kreativkopf Jinsoo An Illustration: Darya Farzi

Ist das die Zukunft auf den Tellern? Glibbriges Etwas verwandelt sich durch Virtual Reality und Aromen zum saftigen Steak. Wenn die Umsetzung der Idee von Jinsoo An funktioniert, werden Köche statt Pfannen und Kochlöffeln nur noch Förmchen und Aromafläschchen verwenden. Der Assistenzprofessor an der Universität von Kalifornien ist zwar eigentlich Kulturwissenschaftler, bringt aber aus Freude an der Sache Leute, Ideen und neue Technologien zusammen. Seine Zukunftsvision auf den Tellern: Project Nourished.

Film meets Realität
Die Initialzündung für Ans Project Nourished kommt im Herbst 2014, als der Freigeist mit seinen Freunden beim Dinner sitzt. Die Runde tauscht sich darüber aus, wie lustig es wäre, das eingebildete Dinner von Peter Pan aus dem Film „Hook“ nachzustellen. Zur Erinnerung: Dabei sitzt der erwachsene Peter, gespielt von Robin Williams, mit den verlorenen Jungs an einer großen Tafel und sieht als Einziger nicht, dass die Teller voll mit Bergen von Essen sind. Ihm fehlt im Gegensatz zu den Jungs, die sich den Bauch vollschlagen, die nötige Fantasie.
Ein paar Tage nach dieser Dinner-Unterhaltung trifft An seinen Stiefvater sehr grimmig an, weil dieser viele Nahrungsmittel aufgrund seines Diabetes nicht mehr essen darf. An, selbst Gluten- und Soja-Allergiker, führt dieses Erlebnis mit dem von vor einigen Tagen zusammen und fragt sich: „Ist es möglich, sich ein Festmahl nur vorzustellen, wie Peter Pan im Film ,Hook‘?“ Verlässt man sich auf die reine Kraft der Vorstellung, lautet die Antwort klarerweise Nein. Holt man wie An die Möglichkeiten der neuen Technologien ins Boot, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus: Mittels Virtual-Reality-Headset, Nahrungsmittelerkennungssensor, Bewegungsmelder und Aromadiffusor schafft er es, ein realistisches Dining-Erlebnis für das Gehirn zu simulieren. Es ensteht in der Tat das Gefühl, das Gegessene entspreche der Darstellung am virtuellen Display. An: „Es ist fast enttäuschend, dass…

Project Nourished von Kreativkopf Jinsoo An Illustration: Darya Farzi

Ist das die Zukunft auf den Tellern? Glibbriges Etwas verwandelt sich durch Virtual Reality und Aromen zum saftigen Steak. Wenn die Umsetzung der Idee von Jinsoo An funktioniert, werden Köche statt Pfannen und Kochlöffeln nur noch Förmchen und Aromafläschchen verwenden. Der Assistenzprofessor an der Universität von Kalifornien ist zwar eigentlich Kulturwissenschaftler, bringt aber aus Freude an der Sache Leute, Ideen und neue Technologien zusammen. Seine Zukunftsvision auf den Tellern: Project Nourished.

Film meets Realität
Die Initialzündung für Ans Project Nourished kommt im Herbst 2014, als der Freigeist mit seinen Freunden beim Dinner sitzt. Die Runde tauscht sich darüber aus, wie lustig es wäre, das eingebildete Dinner von Peter Pan aus dem Film „Hook“ nachzustellen. Zur Erinnerung: Dabei sitzt der erwachsene Peter, gespielt von Robin Williams, mit den verlorenen Jungs an einer großen Tafel und sieht als Einziger nicht, dass die Teller voll mit Bergen von Essen sind. Ihm fehlt im Gegensatz zu den Jungs, die sich den Bauch vollschlagen, die nötige Fantasie.
Ein paar Tage nach dieser Dinner-Unterhaltung trifft An seinen Stiefvater sehr grimmig an, weil dieser viele Nahrungsmittel aufgrund seines Diabetes nicht mehr essen darf. An, selbst Gluten- und Soja-Allergiker, führt dieses Erlebnis mit dem von vor einigen Tagen zusammen und fragt sich: „Ist es möglich, sich ein Festmahl nur vorzustellen, wie Peter Pan im Film ,Hook‘?“ Verlässt man sich auf die reine Kraft der Vorstellung, lautet die Antwort klarerweise Nein. Holt man wie An die Möglichkeiten der neuen Technologien ins Boot, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus: Mittels Virtual-Reality-Headset, Nahrungsmittelerkennungssensor, Bewegungsmelder und Aromadiffusor schafft er es, ein realistisches Dining-Erlebnis für das Gehirn zu simulieren. Es ensteht in der Tat das Gefühl, das Gegessene entspreche der Darstellung am virtuellen Display. An: „Es ist fast enttäuschend, dass es seit Beginn der Geschichte keine Veränderung in der Nahrungsaufnahme gibt. Deshalb möchte ich zeigen, dass es auch anders geht – ohne dass ich die gängige Art zu essen ersetzen möchte.“ Kurzerhand gründete er das Kokiri Lab, ein Labor als Brutstätte für neue Technologien wie ebendiese zum Project Nourished, und bildete damit die Grundlage für die Forschung.

Sinne und andere Schwierigkeiten
Die Herangehensweise Ans basiert auf der Sinneslehre: „Unsere Wahrnehmung von einer Mahlzeit beruht auf verschiedenen Sinneseindrücken wie dem Sehen, den Geschmäcken, den Texturen und den Gerüchen des Essens. Wir können ein überraschend breites Spektrum an Lebensmitteln nachahmen, indem wir Geschmackskomponenten isolieren und auf Basis ihres Aromenprofils und Mundgefühls – gepaart mit Virtual Reality und Aromadiffusion – neu zusammensetzen.“
Das, was beim virtuellen Dinner wirklich auf dem Teller liegt, sieht aus wie transluzente Kühlschrankmagnete, ist aber eher mit der Superfood-Variante eines Gummibärchens zu vergleichen. Rund ein halbes Jahr nach der Geburt der Idee gibt es bereits Fortschritte bei den vier Gerichten Steak, Sushi, Lasagne und Kuchen zum Dessert: Das virtuelle Gericht besteht aus Hydrokolloid-Polymeren, einer Gummiart aus Algen, Seegras, Obst, Gemüse, Samen und Bakterienstämmen. Dass die Gänge dann nicht über den Pass, sondern aus dem 3-D-Drucker kommen, liegt praktisch auf der Hand. In naher Zukunft möchte das Labor ein Menü anbieten, das aus Daten besteht, die man herunterladen kann. „Gekocht“ wird mit wiederbefüllbaren Patronen für 3-D-Drucker. Der erste Prototyp soll spätestens Mitte dieses Jahres getestet werden. „Wie schnell wir daran arbeiten können, ist natürlich auch eine Frage der Finanzierung. Zurzeit bezahle ich die Forschung aus der eigenen Tasche“, erklärt An.

Ein Leben ohne Reue
Das große Potenzial des Project Nourished sieht Jinsoo An in der erfreulichen Nährstoffbilanz gepaart mit der täuschend echten Simulation. Genauso wie sein Stiefvater, der aufgrund seines Diabetes auf viele Lebensmittel verzichten muss, ist das Project Nourished für andere Kranke eine Möglichkeit der Regeneration wie bei Menschen mit einer Essstörung. Sie können sich langsam wieder an die gesunde Nahrungsaufnahme gewöhnen. Für stark übergewichtige Menschen, Allergiker oder anderweitig in ihrem Genuss Eingeschränkte könnte diese neue virtuelle Dimension des Essens aber auch eine neue Dimension des Genusses bedeuten. Durch die künstliche Herstellung der Gerichte kann auf jegliche Stoffe verzichtet werden, die nicht enthalten sein sollen.
Aber nicht nur für die individuelle Ernährung birgt das Projekt Potenzial: Die Überfischung der Weltmeere, die schlechte Klimabilanz der Fleischproduktion sowie der Hunger der steigenden Weltbevölkerung sind Probleme, die durch die virtuelle Alternative gelöst werden könnten. Was aber fehlt, ist das Echte, der Kern der Nahrungsaufnahme – der Genuss. Reicht es aus, dass das Steak nur nach Steak aussieht, riecht und schmeckt oder muss es ein echtes, von einer echten Kuh, sein? Ähnliche Alternativvorschläge wie Tofu-Chicken-Nuggets oder Sojageschnetzeltes werden meist vehement aus der Küche verbannt. Der Unterschied zu den Gerichten aus dem Project Nourished ist nicht der klägliche Versuch, so zu sein wie – womit die meisten Fleischersatzprodukte schon rausfliegen –, sondern tatasächlich so zu sein wie Steak, Sushi oder Kuchen. Nur eben virtuell. Und immer noch ein Versuch. Auch wenn Jinsoo An erklärt, dass es so realitätsnah sein wird wie nur möglich, es ist nicht die Realität. Wenn er es trotzdem gut anstellt, werden Spitzenköche in ferner Zukunft vielleicht nur noch für ihre Aromakomposition und Raumsprays gelobt. Aber egal, wie gut seine Anstrengungen sind: Das echte Leben findet vor der Tür statt und jeder bleiche Nerd im Keller wird zustimmend nicken – ein echter Kuss ist einfach nicht zu vergleichen mit einem der virtuellen Schönheit.

Project Nourished

www.projectnourished.com

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