Reife Leistung
Foto: Luma Beef
Schimmelpilz hat sich über 56 Tage durch das Gewebe gefressen. Kleine weiße Härchen bedecken den Knochen. Verwesungsgeruch löst einen unmittelbaren Würgereflex aus. „Wunderbar!“, rufen Lucas Oechslin und Marco Tessaro wie aus einem Mund und freuen sich über ein herrlich verschimmeltes Stück Hochrippe vom Rind.
Während nach diversen Gammelfleischskandalen die Verbraucher bei Fleisch vorsichtig geworden sind, haben die beiden Gründer von Luma Beef mit ihrem durch Edelschimmelpilz verfeinerten Fleisch die hellste Freude. Und mit ihnen Beef-Buddies rund um den Globus. Denn sind die vergammelten Schichten großzügig weggeschnitten, kommt ein Steak zum Vorschein, das es in sich hat. Seine Konsistenz ist durch den Wasserverlust bei der langen Reifung fest. Das dunkelrote Fleisch durchzieht eine helle Fettmarmorierung. Und der Sauerstoff hat chemische Prozesse in Gang gesetzt, die für ein kleines Feuerwerk an Aromen sorgen.
All jene, die sich noch daran erinnern können, dass früher bei Fleischhauern große Rinderteile an Haken im Kühlraum baumelten und so lange dort blieben, bis sie gereift waren und daraus die vom Kunden benötigten Teile herausgeschält wurden, wundern sich noch heute über den bereits seit einigen Jahren andauernden Trend von Dry Aged Beef.
Doch wie kam es, dass diese schmackhafte Lagerungsmethode für lange Zeit in Vergessenheit geriet? Reifen braucht Zeit. Und gerade dieses Gut ist in der globalisierten, auf Massenproduktion getrimmten Fleischerzeugerwelt rar. Was auf Lager liegt, kostet. Und so ein frisch geschlachtetes Rind muss eine Runde abhängen, ansonsten ist es zäh wie Leder. Mit der unzweifelhaft sehr praktischen Vakuumierung in Plastikfolie wurde das natürliche Reifen eine nur mehr ganz selten angewandte Methode, da zeit- und arbeitsintensiv. In Zeiten von Billigfleisch ein zu großer Kostenfaktor. Heutzutage lümmelt fast jedes Fleisch wochenlang im eigenen Saft im Vakuum vor sich hin.
Doch Fleisch-Aficionados wie die beiden Schweizer Luma-Beef-Gründer können mit den in Plastik abgepackten Fleischteilen wenig anfangen. Daher wollten die beiden die Qualität von Schweizer Fleisch mithilfe eines Edelschimmelpilzes verbessern. Das Ergebnis sieht spektakulär aus, wie man auf der Startseite des Artikels großflächig bewundern kann, führt aber vor allem zur unverkennbar nussig-rauchigen Luma-Geschmacksnote.
Welche weiteren neun Varianten es bei der Fleischreifung gibt und wie vielversprechend das jeweilige Ergebnis ist, lesen Sie auf den folgenden Seiten. Was geschieht aber im Detail, wenn man Fleisch unter perfekten Bedingungen abhängen lässt?
Chemische Meisterleistung
Die Fleischreifung ist ein Prozess, der sich zwischen den Muskelfasern des Fleisches abspielt. Er beginnt bereits während des Abkühlens des noch warmen Fleisches nach dem Schlachten und findet im weiteren Verlauf bei Temperaturen zwischen –1 und +7 Grad Celsius statt. Beim Rind dauert die Reifung unter diesen Bedingungen mindestens zwei und beim Kalb etwa eine Woche.
Wie man im kürzlich erschienenen Buch „Fleisch“ vom Beef-Experten Lucki Maurer auch nachlesen kann, verläuft die Reifung…
Foto: Luma Beef
Schimmelpilz hat sich über 56 Tage durch das Gewebe gefressen. Kleine weiße Härchen bedecken den Knochen. Verwesungsgeruch löst einen unmittelbaren Würgereflex aus. „Wunderbar!“, rufen Lucas Oechslin und Marco Tessaro wie aus einem Mund und freuen sich über ein herrlich verschimmeltes Stück Hochrippe vom Rind.
Während nach diversen Gammelfleischskandalen die Verbraucher bei Fleisch vorsichtig geworden sind, haben die beiden Gründer von Luma Beef mit ihrem durch Edelschimmelpilz verfeinerten Fleisch die hellste Freude. Und mit ihnen Beef-Buddies rund um den Globus. Denn sind die vergammelten Schichten großzügig weggeschnitten, kommt ein Steak zum Vorschein, das es in sich hat. Seine Konsistenz ist durch den Wasserverlust bei der langen Reifung fest. Das dunkelrote Fleisch durchzieht eine helle Fettmarmorierung. Und der Sauerstoff hat chemische Prozesse in Gang gesetzt, die für ein kleines Feuerwerk an Aromen sorgen.
All jene, die sich noch daran erinnern können, dass früher bei Fleischhauern große Rinderteile an Haken im Kühlraum baumelten und so lange dort blieben, bis sie gereift waren und daraus die vom Kunden benötigten Teile herausgeschält wurden, wundern sich noch heute über den bereits seit einigen Jahren andauernden Trend von Dry Aged Beef.
Doch wie kam es, dass diese schmackhafte Lagerungsmethode für lange Zeit in Vergessenheit geriet? Reifen braucht Zeit. Und gerade dieses Gut ist in der globalisierten, auf Massenproduktion getrimmten Fleischerzeugerwelt rar. Was auf Lager liegt, kostet. Und so ein frisch geschlachtetes Rind muss eine Runde abhängen, ansonsten ist es zäh wie Leder. Mit der unzweifelhaft sehr praktischen Vakuumierung in Plastikfolie wurde das natürliche Reifen eine nur mehr ganz selten angewandte Methode, da zeit- und arbeitsintensiv. In Zeiten von Billigfleisch ein zu großer Kostenfaktor. Heutzutage lümmelt fast jedes Fleisch wochenlang im eigenen Saft im Vakuum vor sich hin.
Doch Fleisch-Aficionados wie die beiden Schweizer Luma-Beef-Gründer können mit den in Plastik abgepackten Fleischteilen wenig anfangen. Daher wollten die beiden die Qualität von Schweizer Fleisch mithilfe eines Edelschimmelpilzes verbessern. Das Ergebnis sieht spektakulär aus, wie man auf der Startseite des Artikels großflächig bewundern kann, führt aber vor allem zur unverkennbar nussig-rauchigen Luma-Geschmacksnote.
Welche weiteren neun Varianten es bei der Fleischreifung gibt und wie vielversprechend das jeweilige Ergebnis ist, lesen Sie auf den folgenden Seiten. Was geschieht aber im Detail, wenn man Fleisch unter perfekten Bedingungen abhängen lässt?
Chemische Meisterleistung
Die Fleischreifung ist ein Prozess, der sich zwischen den Muskelfasern des Fleisches abspielt. Er beginnt bereits während des Abkühlens des noch warmen Fleisches nach dem Schlachten und findet im weiteren Verlauf bei Temperaturen zwischen –1 und +7 Grad Celsius statt. Beim Rind dauert die Reifung unter diesen Bedingungen mindestens zwei und beim Kalb etwa eine Woche.
Wie man im kürzlich erschienenen Buch „Fleisch“ vom Beef-Experten Lucki Maurer auch nachlesen kann, verläuft die Reifung in zwei Phasen: In der ersten Phase geht die zunächst weiche und schlaffe Muskulatur in die Totenstarre über. Das geschieht, weil mit der Schlachtung die Blutversorgung und damit die Sauerstoffversorgung der Muskeln unterbrochen wird. Der Stoffwechsel verläuft nun unter anaeroben Bedingungen. Dabei wird das in der Muskulatur befindliche Kohlenhydrat Glykogen zu Milchsäure abgebaut und Energie, das ATP, gewonnen. ATP wirkt im lebenden, zusammengezogenen Muskel als Weichmacher. Sind die Glykogenvorräte verbraucht, kann kein ATP mehr gebildet werden, welches den Muskel nach der Kontraktion wieder weich und schlaff werden lässt. Die Muskulatur verharrt nun in einem angespannten, starren Zustand und ist gekennzeichnet durch eine maximale Zähigkeit und ein minimales Wasserbindevermögen.
In der zweiten Phase setzt nun die eigentliche Fleischreifung ein. Die Totenstarre löst sich beim Rind normalerweise nach 36 bis 40 Stunden. Durch die anfallende Milchsäure ist inzwischen der pH-Wert von über 7 während des Schlachtens auf unter 5,8 abgesunken. Frei werdende Enzyme bewirken eine Auflösung der Muskelfaserstrukturen und somit eine zunehmende Verbesserung der Fleischzartheit. Die dabei entstehenden freien Aminosäuren sind wichtig für die Ausbildung des Aromas. Auch das Wasserbindevermögen nimmt während der Fleischreifung wieder zu. Eine zu kurze Abhängzeit würde somit eine größere Festigkeit sowie geringeres Aroma und Saftigkeit des Fleisches bewirken.
Gut Ding braucht Weile
Geduld ist bei der Fleischreifung also gefragt. Besonders lange dauert sie beim Rind. Dort braucht die erste Phase etwa drei Tage, die gesamte Reifung mindestens neun Tage. Beim Schwein ist die erste Phase etwa nach acht Stunden abgeschlossen, der gesamte Prozess benötigt mehrere Tage. Etwas schneller geht es bei Geflügel, wo die erste Phase nur knapp vier Stunden dauert und die Reifung zwei bis vier Tage.
Einfrieren führt übrigens zur Beendigung der Reifungsvorgänge. Allerdings kann der Reifungsprozess nach dem Auftauen rascher ablaufen, da während des Einfrier- und Auftauvorganges die Muskelstruktur verändert und damit für die Enzyme besser zugänglich wird. Bei der küchentechnischen Zubereitung kann der Reifungsprozess noch einmal beschleunigt werden. So ist das Klopfen des Fleisches ein altes und bewährtes Verfahren zum Zartmachen des Fleisches. Die Muskelstrukturen werden dabei so verändert, dass kleinere Bruchstücke entstehen. Auch das Marinieren und Beizen macht das Fleisch zarter und aromatischer. Erst starkes Erhitzen beendet den Reifungsprozess. Wird das Fleisch nur auf eine Kerntemperatur von 45 Grad Celsius gebracht, werden die Reifungsenzyme sehr stark aktiviert und die Zartheit nimmt innerhalb von einigen Stunden deutlich zu.
Früher erhitzte man das Fleisch auf 45 Grad Celsius und stellte es anschließend für wenige Stunden in eine Kochkiste, bevor der Garprozess endgültig beendet wurde. Heute verfolgt man mit dem Prinzip des Niedertemperaturgarens das gleiche Ziel. Das Fleisch wird jedoch nicht so geschmackvoll, weil die Geschmacksstoffe erst im Reife- und Lagerungsprozess gebildet werden, und für den bratenähnlichen Geschmack muss es nachträglich noch angebraten werden. Diese Methode wird nur für ungelagertes Fleisch empfohlen, da auf diese Weise gelagertes Fleisch durch die starke Enzymtätigkeit fast überreif wird und einen säuerlichen Geschmack bekommt.
Fest steht: Feines, wochenaltes Fleisch ist geschmacklich nicht mit einem regulären vergleichbar, auch dann nicht, wenn es ein gutes Stück ist. Liebevoll gereiftes Fleisch ist durch eine nussige Note gekennzeichnet und zart wie Marzipan.
Nassreifung
99 Prozent des Fleischangebots bestehten aus nass gereiftem Fleisch (Wet Aged). Der Metzger löst alle Knochen, Sehnen und überschüssiges Fett vom Fleisch und pariert die Stücke möglichst jetzt schon ladenfertig. Diese Fleischstücke werden beim Wet-Aging-Verfahren nun in Polyamid oder Polyethylenbeuteln mithilfe eines Vakuumgerätes verpackt. Diese Geräte entziehen durch sehr starke Vakuumpumpen dem Beutel den Sauerstoff. Damit wird vielen Mikroorganismen, die für den Verderb von Fleisch verantwortlich sind, eine Lebensgrundlage entzogen. Lediglich anaerobe Keime können sich unter Vakuum weiterentwickeln. Der Geschmack von im Vakuum gereiftem Fleisch ist weniger vielschichtig, mit metallischer Komponente und einem leicht säuerlichen Ton. Vorteil des Wet Aging ist die kürzere Reifezeit von vier bis fünf Wochen. Außerdem gibt es kaum Gewichtsverlust.
Trockenreifung
Seit Generationen wird Fleisch ohne Einsatz von Verpackungsmaterialien an der Luft hängend gereift. Dieses Verfahren ist also nicht neu. Durch die langsame Dry-Aging-Reifung von bis zu acht Wochen wird die Fleischstruktur mürbe und durch den Wasserverlust von bis zu 30 Prozent intensiviert sich der Fleischeigengeschmack. Beim Dry Aging werden die Rinderhälften von 37 Grad Celsius Schlachttemperatur auf 7 Grad Celsius heruntergekühlt, jeweils ein Grad pro Stunde. Dann wird in Vorder- und Hinterviertel sowie Rücken unterteilt. So hängen sie bei 85 Prozent Luftfeuchtigkeit in der Regel 21 Tage unter kontrollierten Bedingungen in speziellen Reifekammern. In den USA gibt es Steakhäuser, die das Fleisch bis zu 56 Tage reifen lassen. Der hohe Zeit- und Lageraufwand der Reifung und der Gewichtsverlust des Eigengewichts machen diese Produkte rund 50 Prozent teurer als herkömmliches Rindfleisch.
Schimmelreifung
Ein weißgrauer Flaum überzieht den rohen Rinderrücken: Schimmel. Während bei Lebensmittelkontrolleuren die Alarmglocken schrillen, läuft vielen Feinschmeckern bei dem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Vor allem in den USA ist die Schimmelreifung weitverbreitet. Bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit von 85 Prozent und mehr werden die Teile mit speziellen Edelschimmelpilzen geimpft und bei zwei bis vier Grad Celsius bis zu vier Wochen gereift. Der dadurch entstehende Schimmel ist ähnlich wie bei Salami oder Käse nicht giftig, er gibt Geschmack ab. Im Kühlhaus duftet es nach Erde, Nüssen und Pilzen.Wenn die edlen Stücke ihre Reifezeit von mindestens vier Wochen erreicht haben, wird dieser fein säuberlich abgeschnitten. Durch die lange Reifung erhält man also extrem zartes Fleisch, und durch den Edelschimmel einen wunderbaren einzigartigen nussigen Geschmack.
Beutelreifung
Ein ähnliches Ergebnis wie beim Dry Aging erhält man durch die Verwendung von Reifebeuteln. Reifebeutel bestehen aus einem semipermeablen Material. Dieses ist wasserdampfdurchlässig, bietet jedoch eine Sperrschicht gegen negative Einflüsse von außen wie Bakterien oder Gerüche. Aufgrund dieser Eigenschaften kann das zu reifende Fleisch in jedem No-frost-Kühlschrank bei zwei bis drei Grad Celsius reifen und ist vor Verunreinigungen geschützt. Es handelt sich hierbei wie bei der traditionellen Trockenreifung in der Reifekammer um eine aerobe Reifung, das heißt, es dringt zwar keine Luft ein, aber der für diese Reifungsart notwendige Sauerstoff kann die Membranschicht passieren. Der große Vorteil dieser Variante: Man kann je nach Geschmack seine Reifedauer selbst steuern. Erhältlich sind solche Membran-Reifebeutel etwa von 55Grad auf www.55grad.biz.
Neben den bereits ausführlich beschriebenen Hauptmethoden gibt es einige ziemlich ausgefallene Varianten, um Fleisch ebenfalls extrazart zu bekommen.
Tendery Aging
Diese Methode wurde in den 30er-Jahren von der Firma Westinghouse erfunden. Man wollte die Reifung beschleunigen, indem man schädliche Bakterien mithilfe von UV-Strahlen und einer Temperatur bis zu 27 Grad Celsius abtötete. Dieses Verfahren hat sich jedoch nicht wirklich durchgesetzt und ist heute kaum verbreitet.
Pilzreifung
Eine spezielle Edelschimmel-Kultur wird direkt auf das Fleisch aufgetragen. Nach vier bis fünf Wochen im Spezial-Kühlhaus bei konstanter Temperatur um 1 Grad Celsius und Luftfeuchtigkeit bis zu 80 Prozent bildet sich der Schimmel. Vor dem Verkauf wird dann der Schimmel zwei Millimeter tief weggeschnitten.
Hautgout
Das ist der süßliche, strenge und intensive Geruch sowie Geschmack von überlang oder zu warm abgehangenem Wild. Dabei wird das erlegte Wild mit Fell oder Federn bei Raumtemperatur kopfüber aufgehängt. Es reift dann zwei Wochen oder länger. Ziel ist das Erreichen eines besonderen Verwesungsgeschmacks.
Talgreifung
Die Talghülle bewirkt, dass das Fleisch luftdicht abgeschlossen reifen kann. Man erzielt dadurch zwar keinen Dry-Aged-Geschmack, aber das Fleisch bekommt dennoch mehr Zartheit und das trotz der Tatsache, dass bei der Talgreifung kaum ein Gewicht verloren geht. Der Einpackaufwand ist jedoch enorm.
Pergamentreifung
Bei der Pergamentmethode verwendet man ein sogenanntes Pergament-Ersatzpapier. In dieses Papier wird das Fleisch eingewickelt, es kommt dann in den Vakuumbeutel und ab ins Vakuum. Man kann dadurch den Knochen am Fleisch lassen, was eine deutliche Verbesserung im Geschmack bewirkt, und es wird auch trockener.
Aqua Aging
Beim Aqua Aging reift das Fleisch vier Wochen in Mineralwasser. Wichtig für die perfekte Reifung ist die Ausgewogenheit bestimmter Mineralien. Das perfekte Verhältnis der Mineralien beim Aqua Aging hat Dirk Ludwig entwickelt, weshalb es Aqua Aged Beef nur bei der Metzgerei Ludwig gibt. www.der-ludwig.de
Von einer anfangs hellroten Farbe entwickelt sich stetig eine leichte Kruste. Die Farbe wird dunkelrot und am Ende tritt beim Anschnitt wenig Flüssigkeit aus.
Beef-Buddy Ludwig Maurer hält landauf wie landab Seminare und Workshops zum Thema Fleisch. Als Bio-Wagyu-Züchter setzt sich der experimentierfreudige Koch bereits seit Jahren intensiv mit dem Thema Fleischreifung auseinander.
Sie haben die unterschiedlichsten Reife-varianten getestet. Welche Methode ist Ihrer Meinung nach die schmackhafteste?
Lucki Maurer:Da muss ich gar nicht lange nachdenken: natürlich die Trocken-reifung. Meine Philosophie für dieses Verfahren ist: Am besten lässt man alte Tiere, wie etwa einen vierjährigen Ochsen, fünf Wochen abgeviertelt am Knochen reifen.
Gibt es spezielle Tipps, die man beim Dry Aging beachten sollte?
Maurer:Ja, ich bin kein Fan von zu hohen Temperaturen und diesem Extrem-Dry-Aging. Mein Ansatz ist immer der, so viel wie möglich von einem Tier zu verarbeiten. Da ist es ein Widerspruch, so lange zu reifen, dass man hinterher wieder ein Drittel wegtrimmen muss.
In den letzten Jahren wurden auch die Do-it-yourself-Varianten immer populärer. Haben Sie selbst schon mit der Beutelreifung experimentiert?
Maurer:Ja, ich habe es im Zuge der Recherche für mein Buch ausprobiert und verschiedene Versuche mit den 55Grad-Beuteln gemacht und durchaus gute Ergebnisse erzielt.
Also sind diese Membranbeutel auch für Profis eine Alternative?
Maurer:Also für den professionellen Gastronomiebereich würde ich es eher nicht verwenden, da der Aufwand für größere Mengen schon enorm ist. Es lohnt sich vor allem im privaten Bereich, wenn man einzelne Steaks reifen will. Und es ist natürlich viel kostengünstiger als ein Reifeschrank. Dabei sollte man jedoch stets beachten: Je fetter das Fleischstück, umso besser. Für die Geschmacksentwicklung sollte das Fleischstück eine ausgeprägte Fettmarmorierung besitzen.
Warum ist eigentlich in unseren Breitengraden die in den USA doch gängige Schimmelreifung kaum vorhanden?
Maurer:Das hat mit der Lebensmittelhygiene und dem Mindesthaltbarkeitsdatum zu tun. Die erste Pionierarbeit in Sachen Schimmelreifung leisten gerade Luma Beef aus der Schweiz. Ich habe das Fleisch auch schon probiert und war sehr überrascht von dem Geschmack.
Wie würden Sie denn diesen und vor allem die Konsistenz beschreiben?
Maurer:Das Fleisch wird zarter und der Edelschimmelpilz verleiht dem Ganzen eine spezielle, schön nussige Foie-gras-Note. Durch das Abhängen wird das Wasserbindungsvermögen gesteigert, sprich: Beim Braten läuft kaum Saft aus dem Steak, so bleibt es supersaftig.
Auch die Talgreifung hat in den letzten Jahren wieder einige Fans dazugewonnen. Spricht der hohe Aufwand fürs Ergebnis?
Maurer:Für mich auf jeden Fall. Der Talg ist eine organische Reifeversiegelung, die auch noch den Geschmack optimal unterstützt. Doch Vorsicht: Das Fleisch muss wirklich komplett mit dem Talg eingepackt sein. Jeder Riss würde das Eindringen von Luft ermöglichen, was wiederum bedeuten würde, dass das Fleisch durch Bakterien an diesen Stellen befallen
werden kann.
Seit Kurzem bietet ja der Metzger Dirk Ludwig Aqua Aged Beef an. Wie unterscheidet sich dieses in Mineralwasser eingelegte Fleisch von den anderen Methoden?
Maurer:Das ist mal wirklich etwas komplett Neues und extrem Gutes! Dirk Ludwig ist ein Freak im positiven Sinne, immer auf der Suche nach neuen Methoden, und hat sich ein unglaubliches Wissen über Reifungsmethoden angeeignet. Durch das Mineralwasser wird das Aqua Aged Beef zart, gewinnt eine leicht mineralische Note, die den natürlich frischen Fleischgeschmack wunderbar betont.
Meist wird ja Rind gereift. Welche Tiere haben Sie schon länger reifen lassen und wie war das Ergebnis?
Maurer:Bisher nur Lämmer, Wild und Schweine. Hasen noch nie. Bei Hühnern und Geflügel habe ich auch immer etwas Schiss. Die Ergebnisse waren jedoch durch die Bank lecker. Ich war jedoch einmal in Australien bei den Aborigines, die haben ihre Wildenten auch im Federkleid reifen lassen. Bei der Temperatur und Luftfeuchtigkeit war mir da sehr unwohl.
www.ludwigmaurer.com
Edelstück
Metzgerlehre in Papierform: Lucki Maurer hat im Oktober ein 300 Seiten starkes Werk zum Thema Fleisch herausgebracht. Absolute Pflichtlektüre!
Online-Bestellung: www.matthaes.de
Die Fleischreifung ist entscheidend für die Zartheit des Produktes. Wie lange welche Tiere abhängen können, zeigen wir hier.
Schwein
Schweinefleisch wird in der Regel nicht gereift, da es in den meisten Fällen durchgebraten und nicht wie Rindfleisch rosa serviert wird. Heiko Brath von der Metzgerei Brath hat jedoch das erste Mal mehrere ganze Schweinerücken vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein trocken gereift. Nach mindestens drei Wochen werden sie dann in handliche Stücke gesägt und mit Knochen gegrillt. Ein wundervoll nussiger Geschmack, zarter Schmelz und sensationelle Saftigkeit zeichnen dieses Fleisch aus. www.partyservice-brath.de
Reifedauer: 36 bis 48 Stunden
Rind
Rindfleisch hat durch seine starken Muskelfasern eine recht feste Konsistenz und muss daher viel länger reifen als beispielsweise Kalb, Geflügel oder Schweinefleisch. Reifes Rindfleisch lässt sich gut erkennen. Leuchtend rotes Fleisch mit elastisch federnder Zellstruktur mag zwar besonders frisch wirken, ist jedoch Garant für forciertes Krafttraining der Kaumuskulatur. Gut abgelegenes Rindfleisch dagegen ist von einem stumpfen Rotbraun und ein prüfender Fingerdruck hinterlässt eine gut sichtbare Mulde, die nur sehr langsam wieder verschwindet. Das verspricht nicht nur weniger Arbeit für den Kiefer, sondern auch ein sensorisch und geschmacklich wesentlich erfreulicheres Erlebnis.
Reifedauer: mindestens 18 Tage, bestmöglich 30 bis 45 Tage
Wild
Um zart und schmackhaft zu werden, muss Wildbret bei Kühlraumtemperatur abhängen. Nach neueren Erkenntnissen wird alles erlegte Wild zunehmend mehr mit dem Kopf nach unten aufgehängt. Bei jungen Tieren dauert dieser Vorgang drei Tage, bei mehrjährigen Tieren fünf bis sieben Tage. Die Fleischreifung betrifft vorwiegend „rotes Fleisch“, also alle Wildarten außer Wildgeflügel. Wenn Wildbret direkt von Jägern oder Wildbret-Anbietern bezogen wird, ist ein weiteres Reifenlassen des Fleisches nicht mehr notwendig. Wildbret wird fast immer fertig gereift angeboten. Bei Unsicherheit aber einfach beim Fachmann, also beim Jäger oder beim Wildbret-Anbieter, nachfragen.
Reifedauer: Schalenwild 3 Wochen, Kaninchen 1 Woche
Lamm
Die Dauer der Fleischreifung hängt von verschiedenen Faktoren wie Alter des Tieres, Teilstück oder Temperatur ab. Lammfleisch reift üblicherweise etwa fünf Tage bei einer Temperatur von 4 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 80 bis 90 Prozent. Bei einer Temperatur von ein bis zwei Grad Celsius kann der Reifeprozess in Spezialfällen auch auf bis zu drei Wochen verlängert werden.
Reifedauer: 5 Tage bis 3 Wochen
Geflügel
Auch Federvieh kann man reifen lassen. Das rotfleischige, sprich schwarze Geflügel darf zehn bis 14 Tage reifen, beim weißen reichen fünf Tage.
Reifedauer: mindestens 2 bis maximal 14 Tage
Fisch
Wie beim Rind ist vor allem in Japan oder Skandinavien auch Fisch umso besser fürs Abliegen geeignet, je fetter und größer das Stück ist. Lachs etwa darf bis zu zehn Tage sein Aroma verdichten, Kabeljau kommt für fünf Tage in die Reifung. Flundern lässt man für die richtige Tiefenwürze zwei Tage im selbst gesammelten Seegras ruhen.
Reifedauer: 2 bis 10 Tage